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"Beiden Teams war es wichtig, nicht zu verlieren"

Es war so etwas wie das Derby zwischen „SK Guter Weg“ (Sturm) und „FK Es fehlt nicht viel“ (Austria).

Zwei Größen der an Traditionsteams ausgedünnten Bundesliga, die derzeit mehr verbindet, als ihnen lieb ist - besonders die Suche nach Konstanz, einer spielerischen Identität und vor allem jene nach Erfolgserlebnissen. Zuletzt bediente man sich oftmals eingangs erwähnter Floskeln.

In Zeiten wie diesen tun es auch Teilerfolge. So gesehen war es fast logisch, dass das Sonntagsspiel der 5. Runde mit einem 1:1 endete. Ein Ergebnis, das beide Kontrahenten als gerecht empfanden, aber nur bedingt zufriedenstellte.

Wieder so eine Gemeinsamkeit. Jenen Punkt, der die beiden Vereine derzeit am meisten trennt, strich Darko Milanic auf der Pressekonferenz nach dem Spiel hervor. Für seine Verhältnisse gab Sturms Coach verbal richtig Gas, als er über den Unterschied in der Personalsituation philosophierte.

"Spiele ich mit einem Neun- oder Zehnjährigen?"

Denn während sein Gegenüber Gerald Baumgartner aus dem Vollen schöpfen konnte, hatte er drei potenzielle Bundesliga-Debütanten auf der Bank – zwei davon, nämlich Andreas Gruber und Sandi Lovric, schickte er in der Schlussphase auch auf das Feld. Dass beide Talente ob der Aufregung noch so ihre Orientierungsprobleme hatten, nahm der Slowene mit väterlicher Gelassenheit hin:

„Ich kann mit dem Punkt leben. Warum? Ich habe Minimum die letzten 15 Minuten überlegt: Wechsle ich oder nicht? Spiele ich mit einem Neun- oder einem Zehnjährigen? Wann ist eine gute Chance, dass Lovric spielt? Wann hat Sturm in dieser Saison ein ruhiges Spiel? Vielleicht gegen Salzburg… Aber gegen alle anderen? Ich wollte es schon letztes Mal gegen Rapid machen, diesmal sind Gruber und Lovric das erste Mal ins Spiel gekommen. Sie haben gewusst, wo sie spielen hätten müssen, waren aber komplett woanders – das ist kein Vorwurf, das ist normal. Ich habe keinen 30-Jährigen auf der Bank, ich habe viele Kinder. Darum sage ich: Nur Lob und immer weiter arbeiten.“

Nachsatz: „Ob viel oder wenig fehlt? Ich weiß es nicht.“

Die Bestandsaufnahme, dass „nicht viel fehlt“, wurde zuletzt wiederum so etwas wie eine Trademark der Austria, die mittlerweile auch nach dem fünften Saison-Spiel noch ohne Sieg dasteht. Letztlich stand das Remis im Schlager und wie es zustande kam sinnbildlich für die gegenwärtige Situation des jeweiligen Teams. Womit wir wieder bei den Parallelen wären:

KONZENTRATIONSFEHLER:

„Wir haben sensationell angefangen und dann wieder typisch aus dem Nichts ein Tor kassiert, bei dem wir viel zu passiv waren“, ärgerte sich Daniel Beichler über den Führungstreffer von Daniel Royer, der sich seelenruhig und ohne Gegenwehr eines Sturm-Spielers in Schussposition bringen konnte. „So ein blödes Tor“,  konnte es auch Anel Hadzic nicht fassen. Stand die Grazer Defensive ansonsten – abgesehen von der tausendprozentigen Chance von Omer Damari – recht solide, wurde man in dieser Situation eiskalt erwischt. Davon konnten auch die Wiener ein Lied, das sehr ähnlich klang, singen. „Wenn man sich unser Gegentor anschaut, werden wir immer auf sehr bittere Art und Weise bestraft“, erklärte Royer zum Treffer von David Schloffer, bei dem die violette Defensive kräftig mithalf. Alexander Grünwald schüttelte den Kopf: „Ein Gegentor, wo der Ball vier Mal vom Gegenspieler abprallt und dann abgefälscht im Tor landet.“

DURSTSTRECKEN IM SPIELVERLAUF:

„Es war wie so oft in der Vergangenheit, dass wir gute Phasen drinnen hatten, dann wieder unerklärlich schlechte“, wunderte sich Beichler, dem vor allem das Verhalten nach dem Ausgleich missfiel: „Nach dem 1:1 waren wir viel zu passiv. Das zieht sich leider durch bei uns.“ Marko Stankovic gestand: „Das habe ich auch nicht verstanden, denn das war eigentlich nicht geplant.“ Quasi ein Rückfall in alte Muster. Laut Meinung von Stankovic hätte man versuchen müssen, den Ball öfter zu halten und nicht bevorzugt schnell in die Tiefe zu spielen: „Die Austria will sehr viel Pressing spielen. Wenn man da probiert, lange den Ball zu halten, wird man irgendwann genau das machen, was sie wollen, nämlich hinten den Ball verlieren, damit sie schnell vorne sind. Also haben wir sehr oft mit zwei Kontakten gespielt, das aber zu oft versucht, anstatt einmal auf den Ball zu steigen oder zurück zu spielen. Da müssen wir noch die Mischung finden, aber das ist ein Reifeprozess.“

Auch dadurch sind die 60 Prozent Ballbesitz der Austria zu erklären, die jedoch nur wenig aus ihren Spielanteilen machte. Vor allem nach Sturms Ausgleich konnten sich die Veilchen keine nennenswerten Chancen mehr herausspielen, agierten bisweilen zu umständlich. In den gegnerischen Strafraum drang man in den 90 Minuten selten ein, elf von 15 Torschüssen erfolgten von außerhalb des Sechzehners. „Nach dem Gegentor ist wieder ein bisschen Unruhe reingekommen, dann haben wir uns nicht mehr die Chancen herausspielen können“, verdeutlichte Royer. Heinz Lindner monierte: „Ein Gegentreffer bringt uns momentan leicht aus der Fassung. Es klappt dann nicht mehr so wie davor.“ Probleme, die man sich mit einer 2:0-Führung ersparen hätte können. „Damari muss einfach aus zwei Metern das Tor machen. Es war fast schwieriger, über das Tor zu schießen“, kritisierte Baumgartner.

FEHLENDER MUT, BEDINGUNGSLOS AUF SIEG ZU SPIELEN:

All-in ging keiner der beiden Kontrahenten. Dass die Austria ob der Ergebniskrise nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzt, liegt auf der Hand. So gesehen war es irgendwie verständlich, dass man trotz spielerischer Überlegenheit nicht das letzte Risiko nahm, um auf die drei Punkte zu gehen. Da Sturm mit Fortdauer der zweiten Halbzeit noch weniger Risiko nahm, war das Unentschieden die zwangsläufige Folge. Ein Punkt lässt sich wenigstens als Teilerfolg verkaufen. Schloffer redete diesbezüglich erst gar nicht um den heißen Brei herum: „Beide Mannschaften haben nicht mehr so nach vorne gespielt. Bevor du blöd in einen Konter rennst, ist es gescheiter, dass du das Ergebnis heimspielst.“ Ein Eindruck, dem sich Stankovic anschloss: „Man hat gesehen, dass es beiden Mannschaften wichtig war, nicht zu verlieren. Das war womöglich ein bisschen im Kopf, obwohl wir meiner Meinung nach weniger Druck haben, weil wir von den Möglichkeiten her etwas unter die Austria zu stellen sind.“

Sturm Austria
Ballbesitz 39,4% 60,6%
Zweikämpfe 52.5% 47.5%
Eckbälle 5 7
Torschüsse 12 15
Torschüsse außerhalb Strafraum 4 11
Torschüsse innerhalb Strafraum 8 4
Kopfballchancen 1 1
Abseits 1 0
Fouls 17 28

MENTALE BELASTUNG:

Druck ist ein gutes Stichwort. So richtig befreit haben beide Vereine in dieser Saison noch nicht aufgespielt, sicherlich auch eine Frage des Kopfes. „Wir haben sehr viel Druck von außen“, hieß es nach der Partie und man könnte an dieser Stelle ein Quiz veranstalten, vom Vertreter welchen Klubs dieses Zitat stammt. Gerade Sturm-Anhänger durften es in der jüngeren Vergangenheit in diversen Zusammenhängen lesen. Diesmal stammte der Sager jedoch von Baumgartner, der sich zwar nicht akut um seinen Job sorgen muss, jedoch die Mechanismen des Geschäfts kennt: „Der Trainer von Austria Wien hat immer sehr viel Druck und zurzeit lastet auch sehr viel Druck auf mir. Ich versuche das als normaler Mensch, der mit beiden Beinen am Boden steht, so zu steuern, dass ich auf die Materie fokussiert bin. Wir arbeiten gut. Es wird kein Psychologe für die Mannschaft gebraucht, ganz im Gegenteil. Wir haben eine sehr gute Stimmung. Wir sind jedoch unzufrieden, dass wir noch kein Spiel gewonnen haben, und wir haben die eine oder andere größere Baustelle, das muss ich als Trainer steuern. Für die Ergebnisse muss ich natürlich den Kopf hinhalten, aber ich nehme nicht den Rucksack auf mich, der vorhanden war, als ich gekommen bin. Das ist eine ganz klare Ansage von mir.“ Wohl eine Grußbotschaft in Richtung der Vorgänger, die sich darauf bezieht, dass er die Mannschaft auf einem wenig zufriedenstellenden Fitnesslevel übernommen hat. Ein guter körperlicher Zustand ist wiederum die Grundvoraussetzung für seine geplante Spielphilosophie.

SCHWIERIGE AUFGABEN:

Sowohl auf Sturm als auch die Austria wartet am kommenden Wochenende ein Heimspiel. Geht man strikt nach der Tabelle, kommt auf die Grazer mit dem Wolfsberger AC die schwierigere Aufgabe zu, die Kärntner sind noch ohne Punkteverlust. Mit der Brisanz des Wiener Derbys kann das „Pack-Derby“ jedoch nicht mithalten, daran ändert auch die ebenso schwierige Situation von Rapid nichts.  „Der WAC hat eine richtig starke Mannschaft. Ich habe mir ihr Spiel gegen Ried angeschaut. Man merkt, sie haben Selbstvertrauen, fighten ohne Ende und haben sehr gute Fußballer in super Form. Ich sage dennoch, dass wir nicht chancenlos sind. Wir sind trotzdem Sturm Graz und spielen zu Hause. Wir wollen unbedingt die drei Punkte in Graz behalten“, gibt Stankovic die Marschroute vor.

Eine bessere Gelegenheit für einen Befreiungsschlag als das Duell mit dem Stadtrivalen gibt es kaum – das gilt jedoch nicht nur für die Austria, sondern auch für Rapid. Baumgartner hofft jedenfalls: „Wenn bei uns einmal der Knopf aufgeht, kann es schnell nach oben gehen.“ Auch Royer will diese Chance nutzen: „Wir haben nächstes Wochenende die Möglichkeit, einiges gerade zu rücken und uns eine gute Ausgangsposition für die nächsten Wochen zu schaffen.“  Abgesehen vom Spitzen-Duo ist wegen der vielen Remis im Saisonverlauf ohnehin noch nicht zu viel Terrain verloren, auf Platz drei fehlen der Austria nur drei Punkte. Royer: „Abseits von Salzburg und dem WAC sind alle acht Mannschaften noch nicht so richtig in die Gänge gekommen.“ Eine Zwischenbilanz, der man nur schwer widersprechen kann.

Peter Altmann/Martin Wechtl

HOFFNUNGSSCHIMMER:

Beide Teams können jedoch auch auf Indizien verweisen, dass es aufwärts geht. Auch wenn die Abtauchphasen noch viel zu lange sind, sah das Kombinationsspiel Sturms in manchen Phasen verbessert aus. Zudem kämpfte man sich einmal mehr in ein Match zurück. Stankovic: „Drittes Spiel in Folge ungeschlagen, drittes Spiel in Folge einem Rückstand nachgelaufen, drittes Spiel in Folge Moral bewiesen und den Ausgleich geschafft. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir einiges an Luft nach oben haben. Vor allem spielerisch müssen wir schauen, dass wir so dominant werden wie der Gegner. Denn derzeit müssen wir sehr viel Aufwand betreiben, um zu Torchancen zu kommen.“ Besagte Dominanz ist der Strohhalm, an den sich die Austria klammern darf. „Spielerisch war es schon ein Schritt nach vorne – vor allem, wenn man die erste Halbzeit anschaut“, fand Royer, was aber nichts am Fehlstart ändert: „Von den Punkten und dem Ergebnis her ist es gleich wie in den letzten Wochen. Ein Unentschieden bringt uns nicht weiter.“ Grünwald wollte indes von einer Krise noch nichts wissen: „Jeder macht uns schlechter, als es tatsächlich der Fall ist. Aber natürlich können wir mit Ausbeute und Situation nicht zufrieden sein. Wir stehen nicht gut da.“