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"Jetzt ist kein Trainer mehr Schuld"

Trainerdefekt statt Trainereffekt.

Verunsicherung auf dem Platz und Ratlosigkeit nach dem Schlusspfiff kennzeichneten die 0:3-Abfuhr von Sturm Graz im „Pack-Derby“ beim Wolfsberger AC.

Der Einstand von Markus Schopp als Nachfolger des beurlaubten Peter Hyballa ging hochgradig daneben, wodurch die Steirer durch die Niederlage im direkten Duell um einen Europacup-Startplatz von den Kärntnern überholt wurden.

Der Versuch, es nach der Entmachtung des ungeliebten Trainers besonders gut zu machen, scheiterte grandios.

„Nicht den Hauch einer Chance“

„Wir wollten wirklich alles zerreißen, jeder war bis in die Haarspitzen motiviert, aber wir haben es einfach nicht auf den Platz gebracht. Das tut natürlich höllisch weh“, meinte ein geknickter Michael Madl.

„Ganz bitter in unserer Situation. Es war ein wichtiges Spiel und wir hatten nicht den Hauch einer Chance“, gestand Torhüter Johannes Focher.

Schon in der ersten Halbzeit kam Sturm nach vorne hin kaum ins Spiel, stand aber zumindest in der Defensive gut. Der WAC hatte mehr vom Spiel, wusste mit seinen Spielanteilen jedoch wenig anzufangen und kreierte kaum Strafraum-Szenen.

Erst eine wunderbare Kombination von David De Paula und Mihret Topcagic, der einmal mehr seine tolle Frühjahrs-Form unterstrich, löste den Knoten.

Für die Grazer wiederum war dieses 0:1 der Anfang vom Ende. Schopp stellte nach der Pause gerade im Offensivbereich mehrmals um, keine seiner Maßnahmen fruchtete wirklich.

Schwache Zweikampfwerte

„In der ersten Halbzeit waren wir in der Arbeit gegen den Ball kompakt. Wir haben versucht, auf dieses sehr spielstarke Mittelfeld des Gegners gut zu reagieren, das ist uns gelungen. Wir waren jedoch nie in der Lage, im Ballbesitz den Ball zu halten. Dadurch, dass wir oft ohne Ball gelaufen sind, waren wir in der Phase, wenn wir ihn hatten, nicht in der richtigen Verfassung, dass wir nach vorne richtig umschalten können“, analysierte Schopp.

Dass Sturm meist dem Ball hinterherlief, belegen auch die Zahlen. Mit 57,4 zu 42,6 Prozent entschied Wolfsberg die Kategorie Ballbesitz souverän für sich. Augenscheinlich war, dass die Grazer auch nicht in die Zweikämpfe kamen.

Bis auf die beiden Innenverteidiger Milan Dudic, dessen Elfmeter-Foul samt Roter Karte die Vorentscheidung brachte, und Nikola Vujadinovic hatten alle Sturm-Kicker teils deutlich negative Zweikampfwerte.

Exemplarisch sei das Mittelfeldzentrum der ersten Halbzeit erwähnt. Madl und Jürgen Säumel gewannen nur jeweils 33,3 Prozent ihrer direkten Duelle, Haris Bukva gar nur 22,2 Prozent – kein gutes Vorzeichen gegen spielfreudige Akteure wie De Paula, Michael Liendl oder Michele Polverino.

„Aufgeben kann jeder“

„Man hat ganz einfach gesehen, dass wir verunsichert waren“, erklärte Säumel, sprach aber auch dem Kontrahenten ein Kompliment aus: „Man muss auch anerkennen, dass der WAC eine sehr gute Mannschaft hat. Wenn ich mir die beiden Spanier anschaue, dazu Polverino und Liendl – die haben richtig Qualität, die haben sie ausgespielt. Und wir sind weit weg von unserer Topform und dazu noch verunsichert.“

Mit dem 0:2 schwand schließlich jede Hoffnung. "Dann hat man an den Augen und der Körpersprache gesehen, dass wir uns einfach ergeben haben“, erkannte Focher.

Auf Schopp kommt nun einiges an Aufbauarbeit im Hinblick auf das nächste direkte Duell um einen Europacup-Startplatz, kommenden Sonntag gegen Rapid, zu.

„Aufgeben kann jeder. Immer wieder aufstehen und weiterkämpfen kann nicht jeder. Wir müssen zeigen, dass wir nicht zu den Leuten gehören, die am Boden bleiben, sondern zu denen, die auch aufstehen“, forderte Richard Sukuta-Pasu.

„Jetzt ist kein Trainer mehr Schuld“

Dass Schopp nun jede Menge Häme kassiert und viele Beobachter den Nutzen des Trainerwechsels in Frage stellen, gehört zum Fußball-Geschäft. Seine Schützlinge versuchten jedoch, ihren neuen Chef aus der Schusslinie zu nehmen.

„Der Trainer kann überhaupt nichts dafür. Er wurde ins kalte Wasser geschmissen, muss sich erst einmal orientieren. Im Endeffekt müssen es wir Spieler ausbügeln“, meinte Sukuta-Pasu.

Madl ergänzte: „Jeder einzelne von uns muss sich an der Nase nehmen. Jetzt ist kein Trainer mehr Schuld, jetzt ist nicht sonst irgendwer mehr Schuld, jetzt sind wir Spieler gefragt. Wir müssen es auf den Platz bringen. Alles andere zählt nicht.“

„Jeder muss sich selbst hinterfragen und versuchen, dem Trainer-Team zu folgen, um da gemeinsam wieder rauszukommen“, betonte Säumel.

„Warum sollst du nicht davon reden?“

Während bei Sturm nun das Nervenflattern bezüglich des drohenden Verpassens des internationalen Geschäfts erst so richtig einsetzt, hat der WAC dieses Ziel nun klarer denn je vor Augen. Mit dem Sieg gegen die Steirer hat die Elf von Trainer Nenad Bjelica auch ihr kleines Mini-Tief mit zwei Liga-Niederlagen gegen Ried und Salzburg beziehungsweise dem Cup-Aus gegen die Austria hinter sich gelassen.

„Wir haben ein sehr komplettes Spiel gemacht, das war sicher ein Highlight in dieser Saison. Die Mannschaft hat hervorragend auf die Ereignisse der ganzen Woche reagiert“, freute sich der Coach nach dem Triumph in der ausverkauften Lavanttal-Arena.

In den Augen von Liendl war es die richtige Reaktion auf die aufkeimende Kritik: „Es haben viele geredet, dass wir eine Krise haben. Das haben wir bei uns in der Mannschaft nicht reinkommen lassen. Wir haben gegen Gegner gespielt, gegen die man als WAC schon einmal verlieren darf, so ist es auch wieder nicht. Dieses 3:0 war die perfekte Antwort.“

Nun will der WAC das Ticket für das internationale Geschäft lösen. „Ich habe immer gesagt, wenn du so kurz vor Schluss der Meisterschaft so knapp dran bist, warum sollst du nicht davon reden? Unter dem Strich haben wir nicht so einen Druck wie vielleicht Sturm Graz oder Rapid. Das kann ein kleiner Vorteil für uns sein. Wenn wir es nicht schaffen, ist es auch kein Beinbruch. Deswegen können wir ganz befreit aufspielen“, verdeutlichte Liendl.

Lob für Topcagic

Das Lob des 27-Jährigen gebührte auch Topcagic, der mit seinem siebten Frühjahrs-Treffer einmal mehr auf sich aufmerksam machte.

„Er hat eine Qualität, die nicht viele Stürmer in dieser Liga haben“, unterstrich Liendl und hob die Fortschritte des 24-Jährigen im Laufe dieser Saison:

„Er hat super Anlagen, ist ein sehr guter Fußballer, sehr robust und macht jetzt auch die Tore. Als ich gekommen bin, war das noch nicht so. Momentan hat er einen unglaublichen Lauf. Ich hoffe, dass er den fortsetzt.“

Peter Altmann