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"Wussten, wo wir gegen Sturm ansetzen müssen"

Aus Sturm-Sicht war es wie das erste Date nach einer glücklichen Langzeitbeziehung, die am Ende jedoch immer weniger Anreize bot.

Aller Anfang ist nervös, man begeht unerklärliche Fehler, fängt sich mit der Zeit, gewinnt an Sicherheit und legt dann doch noch eine Performance hin, die Lust auf mehr macht.

Wie die Steirer unter Franco Foda auftreten, wusste man nach all den Jahren. Peter Hyballa indes sorgte für Premierenfieber, immerhin versprach er attraktiven und aufregenden Zeitvertreib.

Die Spannung in Graz-Liebenau war vor dem Schlager gegen Meister Red Bull Salzburg greifbar, nach der 0:2-Niederlage regierten die gemischten Gefühle.

Maßgeschneidertes Konzept von Schmidt

Das Ergebnis stimmte nicht, der eine oder andere Akteur offenbarte eine ungenügende Leistung, alles in allem konnte man in der sehenswerten Partie jedoch erkennen, wohin die Reise unter Anleitung des deutschen Trainers gehen soll.

„Wir haben die ersten 20 Minuten total verschlafen. Wir wollten so ins Spiel gehen, wie es schließlich Salzburg gemacht hat – aggressiv nach vorne verteidigen, Pressing spielen, vorne drauf gehen. Das ist uns überhaupt nicht gelungen“, monierte Jürgen Säumel.

Ein Umstand, der auch Hyballas „Nebenbuhler“, seinem Landsmann Roger Schmidt, geschuldet war. Der Salzburg-Trainer reagierte mit seinen personellen Umstellungen nicht nur auf die CL-Quali-Blamage in Düdelingen, sondern passte sein Konzept auch maßgeschneidert auf die zu erwartende Ausrichtung Sturms an und coachte sein Team damit zum Sieg – Schmidt 1, Hyballa 0, wenn man es populistisch ausdrücken möchte.

Schmidt rotierte nämlich neben dem wieder gesunden Jakob Jantscher mit Stefan Hierländer und Georg Teigl überraschend zwei weitere ebenso schnelle wie technisch versierte Offensivkräfte in die Startelf, dazu den spielerisch starken Jonathan Soriano als Solo-Spitze anstelle von Stefan Maierhofer.

Hierländer: „Wir haben genutzt, dass Sturm hoch gestanden ist“

„Die Entscheidung für Soriano ist gewachsen. Wir wollten über die drei schnellen Spieler hinter Soriano in die Schnittstellen kommen, darum brauchten wir einen ballsicheren Spieler im Zentrum, der die drei auch einsetzen kann. Er ist außerdem sehr kalt vor dem Tor“, begründete der 45-Jährige seine Entscheidung für den Spanier.

Dieses Offensiv-Quartett wusste, dirigiert von David Mendes da Silva und unterstützt von den Außenspielern Christian Schwegler und Andreas Ulmer, die sich durch Sturms hoch stehende Abwehr bietenden Räume perfekt zu nutzen.

Neben den beiden Treffern durch Soriano (11., 22.) fanden die Mozartstädter (interessanterweise mit sieben Österreichern in der Startformation) gerade in der Anfangsphase noch zahlreiche weitere Chancen vor.

„Dass wir sehr schnelle Spieler haben, hat uns in die Karten gespielt, und wir haben genutzt, dass sie hoch gestanden sind. Der Trainer hat uns sehr gut darauf eingestellt“, erklärte Hierländer.

Säumel: „Es war bei weitem nicht alles schlecht“

Jantscher ergänzte: „Wir haben uns intensiv mit Sturm beschäftigt und auch das Testspiel gegen Partizan auf Video gesehen. Danach haben wir gewusst, wo wir ansetzen müssen. Wir haben das genau studiert und die Schwächen ausgenützt. Gerade in der ersten Hälfte waren wir klar überlegen.“

Beim 2:3 gegen die Belgrader hatte Sturm vor der Pause mit der nahezu identen Elf wie gegen Salzburg (nur Christoph Kröpfl ersetzte den damals verletzten Manuel Weber) eine starke Leistung abgeliefert und zur Pause 2:0 geführt – eine Vorstellung, welche die Erwartungshaltung zusätzlich nach oben schraubte.

„Wir sind nicht überrumpelt worden. Wir hatten vorne einen Ballverlust, daraus ist dann das Tor entstanden. Wenn du keinen Druck auf das Mittelfeld kriegst, musst du dich eben absinken lassen. Madl hat sich für die falsche Lösung entschieden. Vujadinovic hätte mit dem langen Bein noch korrigieren können, er hat es aber nicht korrigiert“, analysierte Hyballa, „beim zweiten Gegentor machen wir einen Passfehler durch Vujadinovic, wo Red Bull dann seine große Stärke, das Offensiv-Umschaltspiel, gezeigt hat.“

Michael Madl und Nikola Vujadinovic mussten sich für ihre Darbietung in der Anfangsphase Kritik vom 36-Jährigen gefallen lassen („Unsere Innenverteidiger waren in den ersten 20, 25 Minuten nicht im Spiel“), wobei auch andere Sturm-Akteure nicht ihren besten Tag erwischt haben.

Statistische „Grausamkeit“

Während im Aufbau viel über Linksverteidiger Christian Klem (imposante 104 Ballkontakte), der sein Gegenüber auf der rechten Seite Martin Ehrenreich klar in den Schatten stellte, laufen sollte, versandete viel bei seinem Vordermann Haris Bukva. Dieser kam überhaupt nicht in die Partie und lieferte zudem eine miserable Quote von 18,8 Prozent gewonnenen Zweikämpfen ab.

Weber, seinem Pendant auf der rechten Halbposition, war seine Verletzungspause anzusehen. Nur 37 Ballkontakte in 68 Minuten belegen, dass er nicht wie gewünscht ins Spiel fand.

Statistische Grausamkeit aus Sturm-Sicht: Vujadinovic spielte in der kompletten Begegnung bei 39 Versuchen nur einen Fehlpass – ausgerechnet dieser leitete den zweiten Gegentreffer ein.

Sukuta-Pasu: „Die Tore werden auch noch kommen“

Zahlenspiele hin oder her: Das Projekt Hyballa garantiert weiter Spannung, so viel ist nach dem ersten Eindruck im Liga-Betrieb sicher, auch wenn noch einiges an Arbeit wartet.

„Es wäre vermessen gewesen, wenn wir geglaubt hätten, dass schon alles funktioniert. Salzburg war ein richtiger Gradmesser und hat uns auch die Schwächen aufgezeigt. Daran müssen wir arbeiten. Es bleibt ja noch genug Zeit“, erklärte Säumel.

Oder wie Richard Sukuta-Pasu, der einen starken Eindruck hinterließ (sieben Torschüsse, acht Torschussvorlagen, damit an mehr als der Hälfte der insgesamt 29 Torschüsse direkt beteiligt), es ausdrückte: „Diesmal haben die Tore gefehlt, aber die werden auch noch kommen.“

Peter Altmann/Kurt Vierthaler

„Vielleicht haben wir uns auch von den guten Vorbereitungsspielen blenden lassen“, mutmaßte Säumel, der jedoch gleichzeitig betonte: „Bei jedem Verein braucht es Zeit, wenn man einen Umbruch hat. Warum soll das bei uns anders sein? Wir haben einen neuen Trainer, ein neues System, viele neue Spieler. Aber es war bei weitem nicht alles schlecht. Wir haben uns in fünf Wochen einiges erarbeitet. Man hat ansatzweise gesehen, dass wir in der Lage sind, den Ideen des Trainers zu folgen.“

Folgen kann man auch dieser Einschätzung, denn die „Blackys“ erspielten sich zahlreiche Möglichkeiten, präsentierten sich gegen ab Minute 55 durch den Ausschluss von Stefan Ilsanker dezimierte „Bullen“ vor dem Tor jedoch, gelinde gesagt, wenig kaltschnäuzig.

„Es hätte auch 6:4 für uns ausgehen können. Es war ein sehr unterhaltsames Spiel, nach dem 0:2 haben wir gezeigt, wozu wir fähig sind“, fand Imre Szabics, der selbst zwei riesige Chancen vergab.

Kritik an Madl und Vujadinovic

An der Ausrichtung von Hyballa, der Deutsche hat ein 4-4-2-System mit Raute einstudiert, könne man die Niederlage laut Säumel jedenfalls nicht festmachen: „Wenn es etwas mit dem System zu tun hätte, hätten wir über die ganzen 90 Minuten schlecht gespielt. Das war meiner Meinung nach überhaupt nicht der Fall. Ich glaube, dass es Kopfsache war. So darf man nicht in ein Bundesliga-Spiel reingehen – egal gegen welchen Gegner, es wird bestraft.“

Auch wenn das taktische Gefüge im ersten Liga-Spiel unter dem neuen Coach bisweilen noch fragil wirkte, waren es letztlich individuelle Fehler, die zu den Gegentoren führten.