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"Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es raschelt"

Sturm Graz gegen Rapid Wien steht traditionell für ein emotionales Duell. In der Tabellenkonstellation Zweiter gegen Erster umso mehr.

Wer hätte es vor gut einer Woche gedacht? Dank zweier Auswärtssiege in Altach und beim WAC sind die Steirer nach ihrem Stotterstart plötzlich erster Verfolger des Tabellenführers, der sich bislang keinen Punktverlust geleistet hat.

Im direkten Aufeinandertreffen will die Foda-Elf nun auch erstmals vor heimischem Publikum voll punkten – und das höchstwahrscheinlich vor ausverkauftem Haus.

„Ich glaube, das wird ein richtig geiles Match“, sprüht Kapitän Michael Madl im LAOLA1-Interview vor Vorfreude und nimmt ausführlich zu diesem Schlager und anderen aktuellen Themen in schwarz-weiß Stellung.

LAOLA1: Ganz salopp gefragt: Wer kann Rapid noch stoppen?

Michael Madl (lacht): Ich hoffe, dass es wir sind. Rapid ist sehr gut drauf. Nach den gezeigten Leistungen haben sie ein riesiges Selbstvertrauen, aber wir brauchen uns nicht zu verstecken. Wir haben die letzten Spiele auch sehr gut absolviert. Ich glaube, das wird ein richtig geiles Match.

LAOLA1: Was war ausschlaggebend für die Leistungssteigerung nach dem holprigen Start?

Madl: Am Anfang ist es immer schwer, denn du weißt nicht richtig, wo du stehst. Dann kommen Mannschaften wie die Admira und Grödig, die versuchen hinten drinnen zu stehen und auf Konter lauern. Das haben wir nicht clever genug ausgespielt. Wir haben schon in Kazan auswärts einen Schritt nach vorne gemacht. In den letzten zwei Spielen haben wir uns belohnt und unsere Chancen genutzt. Man hat gesehen: Wenn wir einmal in Führung sind, tun wir uns leichter, als wenn man immer einem Rückstand nachläuft. Wir haben einfach unser Spiel weiter durchgezogen und nicht viel umgestellt.

LAOLA1: War es ein Vorteil, zwei Mal in Folge auswärts zu spielen, wo sich der Gegner im Normalfall nicht ganz so hinten reinstellt? Gerade der WAC hat am Anfang versucht, mitzuspielen.

Madl: Kann sein, dass uns das vielleicht entgegenkommt, aber wir müssen uns sowieso darauf einstellen. Admira und Grödig werden nicht die letzten Gegner gewesen sein, die zu uns nach Graz kommen und sich hinten reinstellen. Von dem her müssen wir sowieso Lösungen finden. Es war jetzt ganz wichtig fürs Selbstvertrauen, dass wir diese zwei Spiele gewonnen haben. Deswegen freue ich mich auch schon auf Rapid.

LAOLA1: In der Vorsaison war es ein Problem von Sturm, dass ihr gegen die Top-Teams nur wenig Punkte eingefahren habt. Gegen Salzburg waren es vier von zwölf möglichen Punkten, gegen Rapid gar nur zwei. War es intern ein Thema, dass ihr die Ausbeute in diesen Spitzen-Spielen erhöhen wollt?

Madl: Gegen Rapid zwei von zwölf möglichen Punkten zu holen, ist eindeutig zu wenig. Die vier Punkte gegen Salzburg aus dem letzten Jahr lasse ich mir noch einreden, aber es ist natürlich auch nicht optimal. Aber die Ausbeute gegen Rapid war nicht gut genug. Da heißt es den Hebel anzusetzen, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Zurzeit, das muss man ganz klar betonen, ist Rapid der Favorit. Das ist einfach so. Aber wir werden alles geben, um ihnen ein Haxl zu stellen.

LAOLA1: Bis auf wenige Ausnahmen besitzt der Kern beider Mannschaften langfristige Verträge. Siehst du in der Kaderpolitik bei beiden Mannschaften in den vergangenen Jahren Parallelen?

Madl: Definitiv. Der einzige Unterschied ist, dass Rapid um einiges finanzkräftiger ist und zum Beispiel zwei unserer besten Spieler hat. Sie haben andere Möglichkeiten. Aber Fakt ist: Sie haben sich die Zeit genommen, den Stamm gehalten, holen sich immer gute Spieler dazu. Das trägt jetzt Früchte. Aber genauso bei uns: Wir holen sehr gute junge Spieler. Es wird Schwankungen geben, das ist ganz klar. Dieses Auf und Ab wird es vielleicht auch bei Rapid noch geben, weil es auch eine junge Truppe ist. Aber es stimmt schon, Ähnlichkeiten sind zu erkennen.

LAOLA1: Euer Ärger über den Saison-Start war spürbar, dennoch habt ihr versucht, eure Linie durchzuziehen. Habt ihr diesbezüglich aus der Vergangenheit gelernt und übertaucht Negativphasen eine Spur ruhiger?

Madl: Auf alle Fälle. Wir alle haben gegen diese beiden Gegner zu Hause natürlich mit sechs Punkten gerechnet, aber wir haben gewusst, dass wir in der Vorbereitung gut gearbeitet haben. Nach zwei Spielen alles über den Haufen zu werfen, wäre komplett schwachsinnig. Daher haben wir einfach unsere Linie durchgezogen. Der Trainer wird sich auch nicht ändern, er wird sein Spiel immer weiter durchziehen wollen – ob der Gegner Grödig, Rapid oder Salzburg heißt, ist im Endeffekt komplett egal.

LAOLA1: Der Vorteil: Bei Rapid braucht man nicht zu erwarten, dass sie sich hinten reinstellen. Der Nachteil: Sie haben vorne große Qualität. Was macht Rapid aus deiner Sicht im Moment so stark?

Madl: Ich denke, dass sie gerade in einem richtigen Flow drinnen sind. Man hat gegen Ajax gesehen, wozu sie auch international imstande sind. Das fordert schon Respekt ab. Sie haben riesige Qualität, vor allem vorne – wenn ich mir alleine unsere Ex-Spieler anschaue, wie sich Florian Kainz entwickelt hat, Robert Beric trifft am Fließband. Das ist schon beeindruckend. Wir haben natürlich Riesen-Respekt vor dieser Mannschaft, aber Angst wird es keine geben.

LAOLA1: Was ist das Gegenmittel gegen Rapid?

Madl: Wir werden auch gegen Rapid unser Spiel durchziehen. Wir sind keine Mannschaft, die sich hinten verbarrikadiert. Wenn du das gegen Rapid machst, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es raschelt, weil sie vorne so eine Qualität haben. Wir werden auch versuchen, nach vorne zu spielen. Ich bin mir sicher, dass einiges möglich ist, wenn wir in beide Richtungen gut umschalten.

LAOLA1: Ist Rapid für dich momentan der Titelfavorit angesichts der Salzburger Probleme?

Madl: Definitiv. Nach diesem Saisonstart und angesichts der Konstanz, mit der sie sich präsentieren, sind sie Favorit Nummer eins.

Wilson Kamavuaka ist bislang ein Gewinner der Sturm-Saison

LAOLA1: Eine auffällige Erscheinung ist bislang Wilson Kamavuaka, du scheinst mit ihm gut zu harmonieren. Inwiefern ist er ein Gewinner der bisherigen Saison?

Madl: „Willi“ ist ein super Typ. Er hat nie Stunk gemacht, wenn er nicht gespielt hat, sondern immer weiter gearbeitet. Wenn er gespielt hat, war immer Verlass auf ihn. Das macht sich bezahlt. Ich verstehe mich sowohl mit „Spendi“ als auch mit Wilson gut. Zurzeit ist er sicher der Gewinner, das kann man definitiv so sagen.

LAOLA1: Ist es ein Bonus, dass Spieler wie Kamavuaka oder Josip Tadic, die schon eine Zeit lang beim Verein sind, aber eher in der zweiten Reihe waren, plötzlich aufzeigen?

Madl: Das ist vor allem charakterlich sehr gut. Es gibt auch ganz andere, die dann Stunk machen und sich hängen lassen. Das gibt es bei uns nicht. Wenn man so viel Pech hat wie wir mit Verletzungen, wird auch wirklich jeder Spieler der Mannschaft gebraucht. Gott sei Dank haben wir eine charakterlich sehr gute Truppe, die sich nie hängen lässt. Wenn einer gebraucht wird, springt er ein und macht seine Sache sehr gut.

LAOLA1: Sehr auffällig war in den letzten Spielen auch Donis Avdijaj. Wie viele Nerven – im positiven wie im negativen Sinne – kostet er euch?

Madl (lacht): Zurzeit nur im positiven Sinne. Er hat sehr gute Spiele gemacht, belebt unsere Offensive. Für euch Journalisten ist Donis sowieso ein Traum. Er sagt einfach, was er sich denkt. Die Medien haben viel zu schreiben mit ihm. So lange er gut spielt und seine Leistung bringt, darf er ruhig sagen, was er will (grinst).

LAOLA1: In seinem Alter ist man vermutlich noch unbekümmerter. Wird er sich früher oder später mit seinen Aussagen ein wenig zurücknehmen müssen, oder ist er ein Typ, der sich nicht verbiegen lässt?

Madl: Donis ist so, wie er ist. Er ist 18 Jahre alt. Wenn du deine Leistung bringst, wirst du immer sagen können, was du willst. Das ist ganz klar. Auch für ihn könnte es einmal schlechtere Phasen geben, wie es für junge Spieler ganz normal ist – dann wird er lernen, sich ein bisschen zurückzunehmen. Aber so lange er seine Leistung bringt, kann er – überspitzt formuliert - tun und lassen, was er will.

LAOLA1: Vielleicht trumpft er am Sonntag vor vollem Haus auf. Wie gut tut es, dass das Stadion in Liebenau erstmals in dieser Saison ausverkauft sein dürfte?

Madl: Zwischen Rapid und Sturm gibt es generell Brisanz. Wenn es dann noch das Spitzenspiel Erster gegen Zweiter ist, ist es noch einmal eine Spur geiler. Das Stadion wird beben am Sonntag.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Beide Vereine hatten eine Durststrecke und haben so gesehen die richtigen Lehren daraus gezogen. Würdest du unterschreiben, dass Rapid vom Beginn und Aufbau dieses Prozesses her rund ein Jahr weiter vorne und dadurch bereits konstanter ist?

Madl: Würde ich fast so sagen. Aber für mich ist auch hier das Finanzielle ein Mitgrund: Wenn du zum Beispiel von uns den „Kainzi“ und den „Bera“ holst, sind das zwei Spieler, die schon bei Sturm gespielt haben. Das ist etwas anderes, als wenn du Junge aus Grödig oder Wiener Neustadt holst, auch wenn Rapid ebenfalls Spieler dieser Vereine verpflichtet hat. Der Druck, bei einem Großklub zu spielen, ist ein anderer. Du brauchst die Zeit, um dich daran zu gewöhnen. Von dem her haben sie es vielleicht ein bisschen einfacher gehabt. Das höhere Budget ist zu akzeptieren, aber in den 90 Minuten am Sonntag wird das Budget nicht spielen (grinst).

LAOLA1: Du hast dich nach den ersten Saison-Spielen ziemlich über die defensiven Abstimmungsprobleme geärgert. Sind die in deinen Augen behoben?

Madl: Wenn man daheim gegen Kazan spielt, sind drei Gegentore zu viel – vor allem in der Europa League, wo es um alles oder nichts geht. Auch gegen die Admira und Grödig haben wir zu viel zugelassen. Das darf gerade daheim nicht passieren. Da hat es ein paar Probleme gegeben, aber wir haben speziell darauf hintrainiert und das Verständnis wird auch immer besser. Ob es behoben ist? Es kann immer besser werden. Aber wir haben zwei Mal in Folge zu null gespielt, das war zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

LAOLA1: Sechs Spiele in Meisterschaft und Europacup, und ihr musstet mit sechs verschiedenen Viererketten spielen. Dies hatte natürlich auch Verletzungsgründe, aber inwiefern muss man sich immer wieder neu anpassen?

Madl: Das kommt eben dazu, wenn deine beiden Linksverteidiger ausfallen und Lukas Spendlhofer hinten links spielen muss. „Spendi“ hat das sehr gut gemacht, aber es ist nicht seine optimale Position. Jetzt muss Marvin Potzmann links hinten aushelfen. Man muss sich immer wieder umstellen, aber zwei Spiele zu Null zeigen, dass wir das gut hingekriegt haben. Da geht es jedoch nicht nur um die Abwehr, sondern auch die Unterstützung aus dem Mittelfeld hat in den letzten Spielen sehr gut gepasst. Gegen Rapid wird es wichtig sein, in beide Richtungen – offensiv wie defensiv – sehr gut umzuschalten. Denn Rapid hat vorne eine riesige Qualität und Dynamik. Da müssen wir alle zusammen gut arbeiten.