news

"Es gibt kein Tor, wo du nicht richtig abgehst"

Über Mario Haas muss man nicht mehr viele Worte verlieren.

Also ziehen wir uns vor seiner offiziellen Abschiedsfeier gegen Wiener Neustadt auch vornehm in die Rolle des Stichwortgebers zurück.

Am Wort ist die 38-jährige Sturm-Legende, die bei LAOLA1 über zentrale Punkte ihrer knapp 20-jährigen Karriere spricht – beginnend mit jenem Thema, in dem sich der Goalgetter vom Dienst am allerbesten auskennt:

TORE:

Für mich war mein schönstes Tor jenes im November 2008 mit der Ferse gegen die Wiener Austria. Das bedeutendste war der 1:1-Ausgleich 1998 beim 2:2 gegen den frischgebackenen Weltmeister Frankreich. Mein erstes 1993 in der Gruabn im Mittleren Playoff gegen DSV Leoben. Aber im Prinzip ist jedes Tor so schön wie das erste – es gibt kein Tor, wo du nicht richtig abgehst. Für einen Stürmer sind Tore immer wichtig – egal ob im Training oder in einem Freundschaftsspiel. In der Meisterschaft sind sie sowieso etwas ganz besonderes.

Die legendäre Gruabn hat immer noch einen Stammplatz im Herzen von Mario Haas

GRUABN:

Eigentlich schade, dass wir sie nicht mehr haben. Aber die Gruabn lebt noch immer, weil das Stadion nicht komplett weggerissen wurde. Ich habe tolle Erinnerungen an die Gruabn und möchte dort mein Abschiedsspiel veranstalten. Für mich war gut, dass ich für Sturm gespielt habe, denn als Gegner hast du gerne einmal eine Bierdusche abbekommen. Die Leute haben dich richtig angreifen können, deswegen haben uns die Gegner auch immer gefürchtet. Man kann sagen, es war ein richtiges Heimstadion.

IVICA OSIM:

Durch Ivica Osim ist meine Karriere bei Sturm, und später auch in Japan, so richtig in Schuss gekommen. Er war für mich während meiner ganzen Karriere ein Wegbegleiter, ist eigentlich wie ein zweiter Vater gewesen. Bei Problemen konntest du immer zu ihm kommen, egal ob privat oder sportlich. Er hat einen geprägt. Es war schon ein sehr wichtiger Schritt, dass ein Trainer dieses Formats zu uns gekommen ist und uns durch das internationale Geschäft begleitet hat. Wir haben vom Fußballerischen und Taktischen her sehr viel von ihm gelernt. Wenn er in Graz ist, treffen wir Spieler der 98er-Mannschaft uns heute noch öfter mit ihm. Man merkt schon, welcher Flair in dieser Mannschaft war.

GOLDENE GENERATION:

Was wir erreicht haben, wird so schnell keiner erreichen – alleine, dass wir in der Champions League so weit gekommen sind. Das war harte Arbeit, ist den Geniestreichen von gewissen Spielern, dem Zusammenhalt der Sturm-Familie und der super Arbeit von Osim zu verdanken. Man konnte beobachten, dass wir uns von Jahr zu Jahr gesteigert haben. In der Champions League hat es dann nicht mehr geheißen, die kleinen Grazer oder Österreicher kommen, sondern alle haben Respekt vor uns gehabt - in einem internationalen Bewerb etwas Besonderes bei einer österreichischen Mannschaft.

DIE ANFÄNGE DER GOLDENEN GENERATION MIT VIELEN STEIRISCHEN YOUNGSTERS:

Damals gab es Geldprobleme, die Verträge vieler Stars wurden nicht mehr verlängert. Hannes Kartnig hat die Devise ausgegeben, nur mehr auf junge Spieler zu setzen. Das war gut für den Verein. Im ersten Jahr, also 1993/94, war Milan Djuricic unser Trainer. Er hat uns gezeigt, dass wir mit einem 4-3-3 überleben, also hinten zumachen. Das war eigentlich Catenaccio, hat uns aber weitergebracht. Dann ist Ivica Osim gekommen, und es ging auch vom Fußballerischen her bergauf.

Reinmayr, Haas und Vastic

MAGISCHES DREIECK:

Das ist nicht von heute auf morgen entstanden, sondern hat sich entwickelt. Ich hatte das Glück, als junger Spieler mit Hannes Reinmayr und Ivica Vastic zusammenzuspielen, von denen ich sehr viel gelernt und gelebt habe, sie habe mir die Bälle zugeschanzt. Reinmayr spielte geniale Pässe, bei Ivo wissen wir, dass er selbst Tore schießen und sie auflegen konnte. Meine Qualität war die Schnelligkeit, die sie sehr gut forcieren konnten. Mit der Zeit haben wir uns blind verstanden. Das galt aber nicht nur für das magische Dreieck, sondern für die komplette Mannschaft. Wenn wir einen Roman Mählich, Markus Schopp, Markus Schupp, Darko Milanic, Franco Foda oder Ranko Popovic nicht dahinter gehabt hätten, wäre es nicht so einfach gewesen. Die haben uns den Rücken freigehalten. Die Torschützen stechen meistens heraus. Aber die Spieler, die die Drecksarbeit machen, muss es auch geben. Das haben wir nie vergessen, wir wussten stets, dass diese Spieler sehr viel für uns gemacht haben. Die haben von uns gelebt und wir von ihnen.

MEISTERFEIERN:

Ich bin drei Mal Meister geworden. Es gibt nichts Schöneres. Der erste Meistertitel war der schönste. Wir waren davor schon knapp dran, aber dann wirklich beim allerersten Titel dabei sein zu können, war unglaublich. Damals waren nicht nur der Hauptplatz oder die Herrengasse voll mit Leuten, im Prinzip war die ganze Stadt unterwegs. Daran hat man gemerkt, was da gerade passiert ist, und wie viele Fans Sturm eigentlich hat, wer alles hinter diesem Klub steht. Es war eine super Feier. Hannes Kartnig hat ein Top-Event daraus gemacht.

Haas bei seinem Debüt für Straßburg - ein 1:0-Sieg gegen Lens

STRASSBURG:

Eine interessante Geschichte, die ich machen musste. Ich war bis dahin ja immer im gleichen Verein. Es hat dem Klub außerdem viel Geld eingebracht. Für mich war der Schritt richtig, auch wenn es nicht so hingehauen hat, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber das ist kein Problem. Ich habe viel daraus gelernt und diese Erfahrung auch mit zurück nach Österreich genommen. Als ich die Tore in der Champions League geschossen habe, war in der L’Equipe eine zweiseitige Geschichte: „Wie kann man so einen Spieler weggeben? Der trifft in der Champions League und bei Straßburg hat er nie eine Chance gekriegt.“

JEF UNITED:

Wir sind fast Meister geworden, ein Punkt hat gefehlt. Dafür wurden wir zwei Mal Cupsieger. Das war für JEF United etwas ganz Besonderes, weil sie zuvor noch nie einen Titel erringen konnten. Ich kann mit meinen Auslandsengagements zufrieden sein – mit Straßburg ein bisschen weniger, aber in Japan ist alles so aufgegangen, wie ich es wollte.

NATIONALTEAM:

Das Schönste war, bei der WM 1998 dabei zu sein. Schade, dass ich für die Heim-EM 2008 nicht berücksichtigt wurde, obwohl ich in der Bundesliga der beste österreichische Torschütze war. Wer weiß warum, aber es ist so passiert. Es war aber schon eine kleine Enttäuschung. Grundsätzlich hätte ich mir im Nationalteam ein, zwei Tore mehr erhofft (insgesamt sieben ÖFB-Tore, Anm.d.Red.), aber 43 Länderspiele können sich sehen lassen.

ANFRAGEN ANDERER BUNDESLIGISTEN:

Als junger Spieler in der Gruabn-Zeit gab es eine Anfrage von Rapid. Das war die Zeit, in der sie durch die Tore von Carsten Jancker im Europacup so weit gekommen sind. Da wollten sie mich unbedingt haben. Ich habe davon aber erst im Nachhinein erfahren, weiß auch gar nicht, wie das Ganze abgelaufen ist. Die Spieler erfahren es ohnehin immer erst zum Schluss. Danach gab es nie mehr eine Anfrage eines anderen Bundesligisten.

HANNES KARTNIG:

Er hat sehr viel für den Klub gemacht. In jener Zeit, in der wir als junge Spieler eingebaut wurden, ist er Präsident geworden, und hat mit seinem Geld den Kopf für den Verein hingehalten und ihn unterstützt. In meinen Augen hat er den Zeitpunkt versäumt, sich zurückzuziehen und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukommen. Nach der Champions League und den Meistertiteln hätte er vielleicht zurücktreten sollen, aber wer geht schon gerne, wenn man großen Erfolg hat? Er hat es nicht gemacht, dann sind Probleme dazugekommen. Er hat dennoch sehr viel für den Verein getan, ohne ihn wären wir nicht so weit gekommen. Ob er, Heinz Schilcher oder Ivica Osim – jeder hat seinen Teil beigetragen.

DIE PERSÖNLICHEN CL-HIGHLIGHTS GEGEN REAL UND PANATHINAIKOS:

Beim 1:5 gegen Real habe ich durch einen Kopfball das 1:0 gemacht. Danach dachten wir, wir könnten mit ihnen mitspielen. Da waren wir noch unreif. Es war aber kein Problem, gegen solch eine Mannschaft zu verlieren. Gegen Panathinaikos war es ganz lustig: Ich bin gerade aus Straßburg zurückgekommen, wurde im Heimspiel eingewechselt und habe mit dem ersten Ballkontakt das 1:0 erzielt. Auswärts habe ich von Anfang an gespielt und das 2:0 erzielt. Durch diese beiden Tore habe ich mich fast selbst refinanziert (lacht).

ABSCHIEDSTRÄNEN:

Wir haben 1999 in der letzten Runde zu Hause 3:0 gegen Tirol gespielt, ich habe zwei Tore gemacht, wir sind zum zweiten Mal Meister geworden. Ich wurde ausgewechselt und wusste schon, dass ich den Verein in Richtung Straßburg verlassen werde. Dann sind eben die Tränen gekommen. Daran hat man gesehen, dass ich in diesem Verein groß geworden bin und immer zu 100 Prozent für Sturm da war. Diese Tränen waren nichts Negatives und sind auch positiv rübergekommen.

Haas entschied das allerletzte Derby für Sturm

GAK:

Es waren schöne Zeiten, gegen den GAK zu spielen. Ich habe ja das letzte Tor gegen den GAK in der Bundesliga geschossen. Es tut ein bisschen weh, dass es sie nicht mehr gibt. Aber vielleicht werden sie es irgendwann wieder in die Bundesliga schaffen, dann wird es wieder ein Derby geben.

FRANCO FODA:

Ich habe mit ihm zusammengespielt, wir haben große Erfolge gefeiert. Nach dem Konkurs war er als Trainer ein Wegbegleiter. Man hat gesehen, dass wir super zusammengearbeitet haben. Sein Abgang war ein bisschen schade, aber es ist eben so passiert. Er hat jedoch sehr viel für den Verein geleistet.

BESTER FREUND IM FUSSBALL:

Es gibt mehrere beste Freunde. Mit Martin Hiden, Markus Schopp oder Günther Neukirchner verstehe ich mich sehr gut, die sehe ich auch am meisten.

STURM-FANS:

Ganz einfach: Die Fans sind ganz, ganz wichtig für den Klub. Man muss immer korrekt sein zu den Anhängern. Denn wenn du zu den Fans nicht korrekt bist, kannst du sehr schnell unten durch sein.

JOURNALISTEN:

Ich denke, dass ich eine gute Zusammenarbeit mit den Journalisten abliefere, weil ich einfach ehrlich und nicht irgendwie abweisend bin. Diese Zusammenarbeit gehört einfach dazu, wenn du in der Öffentlichkeit stehst. Wenn du das über Jahrzehnte machst, kommen auch positive Geschichten zurück.

PETER HYBALLA:

Ein interessanter Trainer. Die Kommunikation zwischen uns beiden ist okay. Sein Training ist sehr, sehr gut. Wir haben jetzt Erfolg. Ich akzeptiere die Geschichte so, wie sie jetzt ist. Ich hoffe, dass wir das noch lange genug weitererleben können.

Haas geht als eine der größten Legenden der Sturm-Geschichte in Pension

LEGENDE:

Diesen Status muss man sich hart erarbeiten – durch gute Leistungen in guten wie in schlechten Zeiten. Ich habe versucht, zurückzugeben, was der Verein mir gegeben hat. Die Fans haben das akzeptiert, weil sie sehen, dass ich alles für den Verein gebe. So bin ich eigentlich zur lebenden Legende geworden – und das ist auch gut so, denn ich finde es super, dass ich noch leben darf und nicht erst unter der Erd’n zur Legende werde… (lacht)

RÜCKTRITT:

Vorbei ist es erst am 16. Dezember, denn da endet die Herbstmeisterschaft. Die Abschiedsfeier gegen Wiener Neustadt ist quasi die offizielle Bühne im Stadion, aber dann ist wieder Alltag. Ich werde ganz normal weitertrainieren, denn du weißt ja nie: Wenn sich drei, vier Stürmer verletzten, musst du trotzdem bereit sein. Von heute auf morgen höre ich also nicht auf. Für mich ist am 16. Dezember Schluss.

ZUKUNFT:

Es wird erst im Dezember besprochen, in welche Richtung es genau geht – Marketing, Sponsoring, Teammanagement, Öffentlichkeitsarbeit mit Spielern. Es wird so oder so eine tolle Herausforderung. Außerdem habe ich ja meine Fußball-Camps, komme also nicht komplett vom Platz weg, sondern gebe meine Erfahrungen der letzten Jahre weiter.

Aufgezeichnet von Peter Altmann