Schulte: Ich habe bei der Antritts-Pressekonferenz gesagt, dass Rapid eine Erwartungshaltung wie der FC Bayern, Tradition wie Schalke und Geld wie St. Pauli hat. Das war flachsig und halblustig dahergesagt, andere sagen aus der Sahelzone des Humors. Jetzt weiß ich, dass Rapid ein österreichisches Kulturgut ist, alle Menschen dazu eine Meinung haben und die auch ungefragt kundtun. Damit muss man umgehen können. Das ist bei jedem Traditionsverein so, aber bei Rapid ist das ganz besonders krass. Rapid ist der Seismograph für den österreichischen Fußball. Wenn es Rapid gut geht, geht es auch dem großen Teil des österreichischen Fußballs gut. Nichtsdestotrotz muss man darauf achten, dass die Bundesliga eine Top-Marke wird oder bleibt. Ein toller Verein, wie mir ein Freund, der mir dazu geraten hat, gesagt hat. Ich kann das nur bestätigen. Ich durfte es mit allen Höhen und Tiefen mitmachen, das wird hoffentlich meine Arbeit besser machen, aber auch mich verändert haben. Es war nicht unwichtig, mal zu erleben, als Ausländer unterwegs gewesen zu sein. Da habe ich einige Dinge mitgenommen.

LAOLA1: Sie kamen als Heilsbringer, wurden zum Buhmann, gehen jetzt aber doch als respektierter Fachmann. Hätten Sie von dieser Entwicklung gerne etwas ausgelassen?

Schulte: Chapeau, nein. So wie es war, ist es gut. Die feudalistische Haltung gönne ich mir. Ich gehe nicht davon aus, auch wenn ich jetzt nach Düsseldorf gehe, dass ich mich in ein gemachtes Nest legen kann. Das gibt es im Fußball nicht. Es gibt Herausforderungen, denen man sich stellen muss, das habe ich immer getan. Wenn man den Verein, der auf einem guten Weg ist, verlässt und sich die Leute gerne an einen erinnern - so wie bei meinem ersten Abschied von St. Pauli -, dann freut man sich immer wieder, wenn man zurückkommt. Das ist für mich Lebensqualität. Wenn ich an Wien, Rapid, Österreich und dieses eine Jahr denke, habe ich gute Gefühle.

LAOLA1: Ist es für sie typisch österreichisch, dass sich die Meinung so schnell ändern kann oder welche typisch österreichischen Gewohnheiten haben Sie kennengelernt?

LAOLA1: Sie haben Wien zusammen mit Ihrer Frau aber schon mit der Zeit schätzen gelernt.

Schulte: Und wie. Ich kannte die Stadt schon von zwei Besuchen, auch Fußball-Besuchen. Ich hatte schon ein Gefühl dafür, dass es eine großartige Stadt ist, aber dass es so eine lebenswerte, tolle, wunderschöne, prachtvolle Stadt ist, wusste ich nicht. Wir haben sehr schön gewohnt, in der Nähe vom Stadtpark. Jeder der hier wohnt und lebt, sollte das bitte schätzen, weil ich weiß, dass man sich nach einer gewissen Zeit daran gewöhnt und glaubt, das ist normal. Aber es ist nicht normal, sondern wunderschön und sehr lebenswert.

LAOLA1: Sie haben immer familiäre Gründe für ihren Wechsel nach Düsseldorf angeführt. Hatten Sie darüber hinaus vielleicht doch den Wunsch, wieder in Deutschland zu arbeiten oder gab es Punkte bei Rapid, die nicht so waren, wie sie sich das vorgestellt haben?

Schulte: Wenn ich mir etwas vorgestellt hätte, was man im Verein anders machen kann, ist der Verein jetzt am Weg dorthin - eine klarere Struktur zu schaffen, eine bessere Aufteilung und Systematik zu bringen. Das kommt jetzt alles, aber das war es nicht. Ich bin so ein Generalist, was meine Gefühle betrifft. Am Ende habe ich mich nachts, wenn ich wach gelegen bin, in Zukunft immer mehr in Düsseldorf gesehen, das hat den Ausschlag gegeben. Ich kann gar nicht sagen warum. Klar gibt es dort viele Freunde, Verwandte, Bekannte, weil ich bin ja kein Hamburger sondern Nordrhein-Westfale. Düsseldorf ist für mich ein großer Klub, ich habe ja nur in Bereichen von St. Pauli, Lübeck und Rapid gearbeitet. Das ist keine Entscheidung komplett gegen Wien. Ich war auch ein bisschen froh, dass sich Marcel Koller entschieden hat, hier zu bleiben und nicht, dass der Nationaltrainer in die Schweiz geht und Rapids Sportdirektor zurück nach Deutschland geht. Das ist zwar eine andere Dimension, aber es wäre ein blödes Signal gewesen.

LAOLA1: Was wird in Düsseldorf anders? Wird es womöglich leichter, weil man die Gepflogenheiten besser kennt und das altbekannte Netzwerk vorfindet?

Schulte: Das erhoffe ich mir, aber die Anforderungen, Ansprüche, die Größe des Klubs, der kürzliche Misserfolg mit dem Abstieg und das Nichtfunktionieren mit dem neuen Trainer sind natürlich alles Dinge, die in die richtige Richtung gebracht werden müssen. Es wird wahrscheinlich eine Herausforderung, aber ich will das gar nicht vergleichen. Düsseldorf ist die sechstgrößte Stadt Deutschlands. Ich hoffe, ich kann meinen Teil dazu beitragen, dieses Potenzial sichtbar zu machen.


Das Gespräch führte Alexander Karper