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Kirchler: "Ich bitte um etwas Verständnis"

Kirchler:

Zwölf Jahre hat Roland Kirchler dem FC Wacker Innsbruck als Spieler gedient.

Seit Oktober 2012 ist er als Trainer des Tiroler Traditionsvereins im Amt und lernt die "andere Seite" kennen.

Eine Seite, die ihm alles abverlangt. "Als Spieler denke ich mir, ich renne ein bisschen schneller und mehr und schieße vielleicht ein Tor. Als Trainer bin ich machtlos", so der 42-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.

Wie er Wacker trotz finanzieller Engpässe auf Vordermann bringen will und was er von seiner Funktionsperre hält, verrät er im großen Interview.

Zudem erklärt Kirchler, welche Philosophie ihm vorschwebt und in welcher Beziehung er sich mehr Verständnis von den Fans wünscht.

LAOLA1: Roland, das Zitter-Finish in der letzten Saison ist allen noch in bester Erinnerung. Wie lange hat es gedauert, um diesen Nervenkitzel zu verarbeiten?

Roland Kirchler: Verarbeitet habe ich das relativ schnell, weil ich am nächsten Tag schon wieder eine Pressekonferenz hatte. Zudem haben Gogo Feistmantl und ich im Büro gearbeitet, um neue Leute an Bord zu bringen. Wir waren ja in einem Vakuum, in dem man nicht wusste, ob erste oder zweite Liga. Wir mussten Verträge für zwei Ligen vorbereiten und Gespräche führen mit den Spielern. Es war brutal viel Arbeit und eigentlich nicht machbar. Ich habe aber immer gesagt, dass wir nicht absteigen und Gott sei Dank hat der liebe Gott in den letzten 20 Minuten auf uns herabgesehen. Dann ist das Wunder von Wolfsberg passiert und danach haben wir anständig im Bus gefeiert, wie es so üblich ist. Wir haben eine Nacht lang die Sau rausgelassen und am nächsten Tag wurde wieder gearbeitet.

LAOLA1: Es gab in diesem besagten Spiel die bekannte Situation, dass du mit dem Schiedsrichter-Assistenten auf Tuchfühlung gegangen bist. Wie betrachtest du das Ganze rückblickend?

Kirchler: Ich habe mich schon fünfmal öffentlich entschuldigt und will das hier noch einmal tun. Es hat aber keinen Einfluss auf das Urteil genommen. Die Schiedsrichter sind wohl noch beleidigt aufgrund meines Schiri-Sagers davor. Trotzdem war es eine Tätlichkeit und ich darf das nicht machen. Was mich ärgert, ist die Funktionssperre. Vier Wochen nicht bei meiner Mannschaft zu sein, ist schlimm und ein Riesen-Nachteil.

LAOLA1: Als Spieler hat man die Möglichkeit, sich auf dem Platz abzureagieren. Als Trainer ist das deutlich schwieriger. Ist der Trainer-Job nervenaufreibender?

Kirchler: Klar. Als Spieler denke ich mir, ich renne ein bisschen schneller und mehr und schieße vielleicht ein Tor. Als Trainer bin ich machtlos. Da kann ich die ganze Woche Einfluss auf die Mannschaft nehmen und im Spiel selbst eine Viertelstunde. Ansonsten bin ich von den Spielern abhängig. Dann ist es oft so, dass auch die Schiedsrichter Fehlentscheidungen tätigen. Das ist wie bei uns Trainern oder Spielern. Wer mich aber stört, ist der vierte Offizielle. Der steht draußen und wenn ich mich in meiner Coaching Zone bewege, kommt er rein und hat immer etwas zu kritisieren und zu meckern. Das ist mein Bereich.

LAOLA1: Welcher Lösungsansatz schwebt dir vor, um das Verhältnis zu entspannen?

Kirchler: Vielleicht einmal ein Gespräch mit allen Trainern und Schiedsrichtern, wie man das handhabt. Wenn ich zwei Zentimeter über der weißen Linie stehe, sollte es schon eine Toleranzgrenze geben. Da muss man nicht immer sagen ‚Bitte Herr Kirchler, gehen’s wieder rein.‘ Eine etwas menschlichere Kommunikation wäre wünschenswert.

LAOLA1: Du hast angesprochen, am Tag nach Fixierung des Klassenerhalts wieder gearbeitet zu haben. Wie hast du dich von der anstrengenden letzten Saison erholt?

Kirchler: Ich habe zwei Tage in Südtirol verbracht. Auf der Rückfahrt habe ich schon wieder unser Trainingslager fixiert. Ich habe das auf mich genommen – ich war ja nicht Sportdirektor, sondern nur Trainer. Aufgrund des Nicht-mehr-Daseins von Oliver Prudlo haben Gogo und ich gesagt, wir übernehmen diesen Part und versuchen, eine Mannschaft zusammenzustellen. Es war mühsam und viel Arbeit. Zwei Tage Entspannung sind gar nichts, weil das Telefon trotzdem immer läutet. Auch wenn man im Wellness-Hotel am Pool liegt, hebt man ab. Ich kann ja nicht die Arbeit einfach liegen lassen. Ich habe das gemacht, um dem Verein zu signalisieren, es ist jemand da, der die Mannschaft nach vorne bringt.

LAOLA1: Eine Dauerlösung kann das nicht sein. Gibt es weiter Bestrebungen, einen neuen Mann zu installieren?

Kirchler: Ich habe gesagt, ich kann das nicht über zwei, drei Jahre machen, denn dann bin ich kurz vor dem Burnout. Diese Doppel-Jobs gehen nicht. Der Verein hat mir versprochen, dass, wenn wir oben bleiben, im Laufe der Saison eine Art Sportdirektor kommt.

LAOLA1: Wacker startet bei null in die neue Saison, du musst mit dem Team keinem Rückstand hinterher laufen. Wie sieht denn deine Philosophie aus, welche Art von Fußball stellst du dir vor?

Kirchler: Wir werden die Philosophie so fortführen, wie wir die letzten sieben, acht Runden aufgehört haben. Wir haben ja eine neue Spielweise und versuchen nicht, uns nur hinten reinzustellen, wie es früher öfter der Fall war. Ich habe ein Dreivierteljahr gebraucht, nun aber meine Mannschaft gefunden. Wir haben eine ganz gute Mischung zwischen Alt und Jung. Wir versuchen bei Ballverlust den Ball so schnell wie möglich wieder zu erobern, wie es auch Bayern oder Barca machen. Diese Philosophie haben wir über fünf, sechs Wochen trainiert. Es ist sehr laufintensiv und aufwändig, verlangt viel Kommunikation und Feinabstimmung zwischen den Mannschaftsteilen. Das Team zieht voll mit und natürlich wünschen wir uns einen guten Start. Wenn das gelingt, können wir auch mal ein paar junge Spieler entwickeln. Wir müssen den Verein als stabilen Klub in der Bundesliga positionieren.

LAOLA1: Gibt es denn konkrete Beispiele an Teams oder Trainern, an denen du dich orientierst?

Kirchler: Die modernen Mannschaften wie Bayern oder auch Dortmund. Dort sieht man, wie aggressiv nach Ballverlusten attackiert wird. Bälle in die Tiefe, schnelles Flügelspiel und alles, was den Fußball so attraktiv und modern macht. Das versucht man sich abzuschauen, aber man muss sich nach den Spielern richten, die man zur Verfügung hat. Mit jungen geht das oft besser, weil die besser trainiert und auf dieses Spiel von der Jugend vorbereitet sind. Das braucht natürlich Zeit und wir riskieren, das eine oder Tor mal im Konter zu kriegen.

LAOLA1: Kann man deiner Aussage einen Mittelfeldplatz als Saisonziel entnehmen?

Kirchler: Ja, wir wollen mit dem Abstieg nichts zu tun haben und gut Fußball spielen. Dazu wieder ein paar Leute im Stadion haben, sodass der FC Wacker Innsbruck wieder eine kleine Festung wird wie früher.

LAOLA1: Im Sommer wurde ein halbes Dutzend neuer Spieler verpflichtet. Sind das allesamt Wunschspieler von dir?

Kirchler: Gewünscht hätte ich mir natürlich auch andere. Wir mussten vom Geld her aber etwas zurückfahren, um unsere finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen. Das Budget für diese Saison ist aber gesichert. Ich wollte noch jemanden im Sturm, da haben wir Stjepan Vuleta vom FC Basel. Da möchte ich mich auch beim Verein bedanken, der uns entgegengekommen ist.

LAOLA1: Inwiefern entgegengekommen?

Kirchler: Er kostet uns fast nichts, außer der Wohnung und den Punkteprämien. Den restlichen Kader haben wir so zusammengestellt, dass die Neuen auch ins Gehaltsschema reinpassen – wie ein Milosevic, Vucur, Steinlechner oder Jaio. Bei diesem hat Inaki Bea seine Fühler ausgestreckt. Man kann nicht glauben, wie billig Zweitliga-Spieler in Spanien sind, weil das Gehaltsniveau aufgrund der Finanzkrise nicht mehr so hoch ist. Er ist auch ein super Typ, ein ganz einfacher, ein baskischer Bauer, wie er selbst von sich sagt. Er passt wirklich gut zu uns, den Bauern von Tirol, und wir sind froh, dass er hier ist.

LAOLA1: Sind die Personalplanungen damit abgeschlossen?

Kirchler: Wir haben finanziell nicht mehr die Möglichkeit, uns irgendwie zu bewegen. Wenn nicht noch einmal so ein Glücksfall wie aus Basel kommt, werden wir mit diesem Kader in die Saison gehen.

LAOLA1: Weitere Abgänge sind keine geplant?

Kirchler: Wir haben zwei junge Tiroler, die unbedingt spielen wollen – das sind Marco Köfler und Alexander Fröschl. Beide sind im Kader und gute Talente, aber wohl noch nicht so weit, dass sie spielen werden. Deshalb schauen wir, dass sie in der zweiten Liga Spielpraxis sammeln können.

LAOLA1: Wie angesprochen, ist die finanzielle Situation alles andere als rosig. Wie schwierig ist es bei der Kaderplanung, zu entscheiden, wo man Abstriche macht und in welchen Bereichen man investiert?

Kirchler: Es ist schwierig und immer ein Spagat. Bei jedem Tausender wird der Vorstand gefragt. Der sagt dann, ist okay, das passt. Ich bekomme dann das Sportbudget und schaue, was noch zur Verfügung steht. Dann versuche ich, möglichst viele Spieler unterzubringen. Ich glaube, mit Vucur oder Milosevic, der auch bei anderen Vereinen gehandelt wurde, haben wir gute Spieler aus der zweiten Liga holen können.

LAOLA1: Womit überzeugt man diese Spieler, wenn man kaum Geld hat?

Kirchler: Das sind Telefonate und Gespräche mit den Spielern selbst, in denen man sagt, wir haben diese Philosophie. Dazu zieht Innsbruck immer noch. Viele haben immer noch die erfolgreichen Jahre im Kopf, deshalb kommen Leute zu uns eher als zu Grödig. Wobei ich Grödig damit nicht beleidigen will. Das Umfeld dort ist aber sicher nicht so top wie bei uns. Man muss viel Überzeugungskraft und Kontakte haben und die Leute hegen und pflegen.

LAOLA1: Der von vielen gewünschte Tiroler Weg wurde etwas verlassen. Welche Beweggründe stecken dahinter?

Kirchler: Der Tiroler Weg wird nicht verlassen. Ich habe einen Siller und einen Hinterseer eingebaut, dazu hat mit Kuen ein Junger wieder einen Schritt gemacht. Aber man muss auch mal sagen, dass ein Tiroler Nachwuchstalent in Summe unser Budget mit 65.000 Euro belastet – mit Wohnung, Ausbildungsentschädigung, Leihsumme, Fixgehalt und Prämien. Ein Vuleta, der aus der Schweiz kommt und U21-Teamspieler ist, kommt auf 20.000 bis 30.000 Euro. Ich bin ein Tiroler und jeder weiß, dass ich am liebsten Tiroler Talente einsetze. Ich bin aber auch Sportchef, der auf die Finanzen schauen muss. Wenn mich ein Spieler die Hälfte kostet und zudem Nachwuchs-Nationalspieler ist, kann ich nicht sagen, ich nehme den Tiroler und verzichte auf den Schweizer. Die Umstände und die ganzen Kosten sind viel höher, als jeder glaubt, der nur ins Stadion kommt und die Zahlen nicht kennt. Ich bitte daher auch um etwas Verständnis.

LAOLA1: Du hast Kritik am Spielplan geübt, da aus deiner Sicht zu viele Spiele abends im Dezember ausgetragen würden. Welche Lösung schwebt dir diesbezüglich vor?

Kirchler: Ich weiß, dass es schwer ist, weil vorher Länderspiele und CL-Termine sind. Es ist aber pervers, dass beim schönsten Wetter Vorbereitungsspiele stattfinden. Wir hätten bei 20 Grad Zeit, am Abend Fußball zu spielen. Die Ganzjahres-Meisterschaft wurde schon oft diskutiert, ist aber auch nicht möglich. Es ist aber komisch, dass man bei -5 Grad Leute ins Stadion locken muss. Es ist klar, dass die Leute da lieber am Christkindlmarkt sind. Unser letztes Spiel in diesem Jahr ist zum Beispiel Mittwoch, den 18. Dezember um 20:30 Uhr gegen Red Bull Salzburg. Normalerweise hätten wir 10.000 Leute hier, so kommen wahrscheinlich 2.000. Das ist für einen Verein wie uns, der die Einnahmen braucht, tragisch. Aber nochmal: Ich habe Verständnis für die Liga und weiß, dass das alles nicht so einfach ist.

LAOLA1: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führten Christian Eberle und Christoph Nister