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"Wir Trainer sind ja auch ein bisschen Nervensägen"

„Fußballfachmann, Rhetoriker, Dirigent, Psychologe, Meckertyp, In-Den-Arm-Nehmer - Trainer ist schon ein interessanter Job, denn du hast eigentlich viele Jobs in einem Job.“

Der neue Sturm-Coach Peter Hyballa ist vor allem ein Trainer, der seinen Job offensiv anlegt - sei es seine Taktik auf dem Spielfeld betreffend oder seine Ausdrucksweise.

Um Floskeln macht er im Regelfall einen weiten Bogen, wie auch das LAOLA1-Interview über seine Ideen und Pläne in Graz belegt:

LAOLA1: Was sagt Ihnen der Name Ivica Osim?

Peter Hyballa: Ivica Osim ist allgegenwärtig in Graz, war hier lange Trainer, hat tollen Fußball spielen lassen, eine junge Mannschaft aufgebaut und aus wenig ganz viel gemacht. Ivica Osim ist schon eine absolute Trainer-Legende in Graz. Wenn wir so ähnlich Fußball spielen lassen könnten wie er und ähnliche Erfolge hätten, wäre es natürlich klasse.

LAOLA1: Die Frage zielte darauf ab, dass Osim eine gewisse Art und Weise des Fußballs in Graz installiert hat. Auch Sie setzen auf attraktives Spiel nach vorne. Was hat Sie zu diesem Offensivapostel gemacht?

Hyballa: Ich gehe ja ins Stadion, um offensiven Fußball und Tore zu sehen. Du gehst ja nicht ins Stadion, um immer nur gute Ordnungen und Defensivstrategien zu sehen. Außerdem bin ich halber Holländer, vielleicht kommt es da her. Als Kind und Jugendlicher habe ich nicht nur deutschen Fußball gesehen. Wir haben direkt an der Grenze gewohnt, also habe ich auch immer Ehrendivision geguckt. Die haben ein bisschen anderen Fußball gespielt – sehr offensiv, sehr viel im 4-3-3, sehr hohe Passqualität. Einfach mutigen Fußball. Aber du musst natürlich auch sehen, welches Spielermaterial du zur Verfügung hast. Da sind wir gerade am Austesten. Wir wollen einfach Tore machen. Wenn du mehr Tore schießen möchtest als der Gegner, musst du mehr Torchancen kreieren. Diese Argumentation versuchen wir gerade mit den Spielern zu bearbeiten. Wobei es nicht so ist, dass mich Gegentore nicht aufregen. Dieses offensive Hyballa-Image ist schön, aber es ist nicht so, dass wir immer drei Gegentore haben wollen. Das ist Quatsch. Es geht darum, Ordnung reinzulegen, mutig und nach vorne zu verteidigen, im Ballbesitz zu bleiben. Deswegen trainieren wir alles mit Ball.

LAOLA1: Gibt es in der Welt von Peter Hyballa ein gutes 0:0?

Hyballa: Klar! Wenn du viele Torchancen kreierst und der Ball geht dann doch an den Pfosten, oder der gegnerische Torwart ist stark, beide Mannschaften sind gut im Ballbesitz und du siehst gute Kombinationen, dann fährst du auch mit einem guten 0:0 nach Hause und denkst: „Wow, ich habe Fußball gesehen.“

LAOLA1: Es dauert vermutlich länger, eine offensive Idee zu implementieren. Kann man einen Zeitraum festmachen, wie lange es dauert?

Hyballa: Eigentlich nicht. Wir arbeiten jetzt knapp vier Wochen mit der Mannschaft und du siehst jeden Tag Schritte nach vorne. Wir nähern uns gemeinsam an. Sie kommen aus einer anderen Idee von Fußball, und ich komme mit einer anderen Idee von Fußball. Diese beiden Ideen vermischen wir jetzt einfach. Ob wir jeden Spieltag erfolgreich sein werden, steht natürlich auf einem ganz anderen Blatt Papier. Der beste Zeitraum ist der erste Spieltag. Denn ich weiß auch, wir müssen erfolgreich sein. Es geht nicht nur darum, schön und offensiv zu spielen, sondern wir müssen die Spiele gewinnen. Manchmal werden wir vielleicht auch nicht so attraktiv spielen. Aber wenn wir trotzdem gewinnen, ist es auch gut.

Peter Hyballa legt weniger Wert auf das System als auf den Spielstil

LAOLA1: Dürfen Ihre Spieler auch mal einen Spruch raushauen?

Hyballa: Klar. Wenn es nicht beleidigend oder unverschämt ist, wenn es um die Sache geht. Warum denn auch nicht? Das ist überhaupt kein Problem. Aber wenn es nicht um die Sache geht, sollten sie es nicht machen. Das brauchen wir nicht, das ist einfach nur Energieverlust.

LAOLA1: Man wünscht sich wieder mehr Typen im Fußball, andererseits hagelt es Kritik, wenn sich jemand mal etwas traut, wie zuletzt Mehmet Scholl. Herrscht heutzutage mehr Zurückhaltung, weil man die Befürchtung haben muss, dass ein Spruch schnell mal um die vernetzte Welt geht?

Hyballa: Dieser Spruch von Scholl war kein Typen-Spruch, den fand ich nicht adäquat. Mal ganz ehrlich: Ich finde, dass er als Experte einen guten Job macht. Du kannst einen Spieler auch in der Öffentlichkeit kritisieren, aber ich weiß nicht, ob es mit Zynismus oder Ironie sein muss. Ist man jetzt ein Typ, wenn man so einen Spruch sagt?  Ein Typ bist du als Fußballer für mich, wenn du zehn Bälle an den Mann bringst, oder in der Kabine etwas zu sagen hast und da die Jungs aufrüttelst.  Aber es stimmt schon: Heutzutage wird jedes Interview nochmal nachgelesen. Ich glaube, dass Vereine auch ein bisschen Angst haben: „Was darf der Spieler sagen? Was darf er nicht sagen?“ Manchmal, wenn wir hier Zeitung lesen und manche regen sich auf, was einer gesagt hat, dann denke ich mir: So schlimm ist es jetzt auch nicht…

LAOLA1: Sie haben angekündigt, 4-4-2 oder 4-3-3 spielen zu lassen. Bisweilen entsteht der Eindruck, dass für Sie diese „Zahlenspielerei“ überbewertet ist. Täuscht das?

Hyballa: Das täuscht nicht. Ich glaube, es ist überbewertet. Interessant ist der Spielstil. Im 4-4-2 kannst du offensiv spielen und nach vorne verteidigen, du kannst aber auch defensiv verteidigen, hast aber trotzdem zwei Stürmer da stehen. Es kommt immer darauf an, wo du angreifst, wo deine Abwehrzone anfängt. Die Frage ist, wie der Trainer es auslegt und die Spieler es auf dem Platz interpretieren. Aber jeder hängt es am System auf. Genauso wie in der Akademie. Da werde ich gefragt: „Welches System dürfen sie spielen?“ Das ist mir völlig wurscht. Der Spielstil ist entscheidend. Wie viel Ballbesitz kannst du haben, wie viele Ballverluste provozierst du, wie früh greifst du an?

LAOLA1: Haben die Jungen einen Vorteil?

Hyballa: Wenn wir hier drei, vier gute 30-Jährige haben und die sind besser als die 18 oder 20-Jährigen, dann müssen die 30-Jährigen spielen. Letztendlich geht es um Qualität. Aber es ist ganz wichtig, dass die jungen Spieler merken, sie kriegen Verantwortung. Dann müssen sie es einfach auf dem Platz hinkriegen. Man muss auch sagen: Die Nachwuchsausbildung hat sich einfach total professionalisiert. Es ist ein eigener Markt geworden, es sind echt gute Trainer unterwegs. Es ist auch logisch: Du versuchst doch lieber einen aus der Akademie in die Kampfmannschaft hochzubringen, als immer einen zu holen. Die Leute, die hier leben, wollen doch lieber einen Grazer sehen, der auf der linken Seite rauf und runtermarschiert. Darum stehen hier die Akademietrainer auch unter Druck. Die müssen etwas abliefern. Damit mache ich sie wichtig, sie kriegen Verantwortung. Wenn es nicht klappt, sage ich: „Hallo! Ich brauche Qualität! Ich brauche Material von unten!“

LAOLA1: Wobei man dann aus Vereinssicht auch schauen müsste, dass die Besten nicht schon mit 15 oder 16 abwandern…

Hyballa: Klar, du kannst als Verein nicht immer kritisieren: „Der Verein XY wirbt ab“, sondern wir müssen den Jugendspielern etwas anbieten, versuchen, in die Akademie zu investieren. Investieren heißt, gute Trainer zu holen, eine ordentliche Infrastruktur zu bieten – und natürlich auch einen Profitrainer, der ab und zu mal einen Jungen hochnimmt und ihn reinschmeißt. Wenn du eine Mannschaft hast, wo nur 32-Jährige spielen, denkt sich ein Jugendspieler natürlich: „Ich kriege hier keine Chance.“

LAOLA1: Wie würden Sie Erfolg definieren, wenn Ihre Amtszeit bei Sturm beendet ist?

Hyballa: Wenn die Leute über Peter Hyballa und Co. annähernd so reden wie über Ivica Osim und Co., haben wir schon erfolgreich gearbeitet. Es hängt natürlich immer an Platzierungen und Siegen. Ich kann immer rhetorisch toll etwas von hoher Verteidigung oder 4-3-3 erzählen. Am Ende des Tages geht es ums Gewinnen.

Das Gespräch führte Peter Altmann

LAOLA1: Teamchef Marcel Koller hat zuletzt gemeint, dass es, nachdem er einen Verein übernimmt, rund ein halbes Jahr dauert, bis die Mannschaft alle seine Grundprinzipien verinnerlicht hat. Hat man so viel Zeit?

Hyballa: Nein, im Profifußball hast du keine Zeit. Ich komme aus dem Ausbildungsfußball, da kannst du ab und zu auch mal experimentieren. Aber eigentlich im Profifußball auch, das hängt an dir selber, wenn du dich nicht selbst zu sehr unter Stress setzt. Wir haben eine Idee und einen Plan. Das ist erst einmal wichtig für einen Trainer, irgendeinen Plan muss er haben – egal wie der Plan aussieht, ob defensiv, offensiv, kurze Bälle, lange Bälle, flache Bälle. Und an den arbeiten wir uns einfach heran. Wenn ich aber sage, wir müssen erst in einem halben Jahr soweit sein und wir verlieren bis dahin schon mal zehn Spiele, habe ich als Profitrainer doch ein Problem. Mit Zeitkomponenten arbeite ich deswegen nicht.

LAOLA1: Das heißt, mit dem im Graz oft gehörten Begriff „Übergangsjahr“ können Sie wenig anfangen?

Hyballa: Du kannst dir als Verein natürlich eine Zielrichtung stecken. Wir müssen ja auch mit ein paar Spielern arbeiten, die hier noch Vertrag haben. Nach einem Jahr haben die Spieler, die schon ein Jahr hier sind, die Idee kapiert, und du kannst noch mehr den Spielermarkt sichten. Jetzt stand die Mannschaft ja eigentlich schon. Wir versuchen jetzt noch ein, zwei Neue zu holen, damit wir mit vier, fünf Neuzugängen in die Saison gehen. Aber ein Übergangsjahr? In Aachen hatten wir auch ein Übergangsjahr, und dann war ich in der zweiten Saison nach sieben Spieltagen weg. Also da merkst du schon, dass dich der Alltag als Profitrainer oft einholt. Wichtig ist einfach: Wie geduldig sind die Verantwortlichen? Wir haben uns hier über zwei Jahre Ziele gesteckt, aber das Wort Übergangssaison mag ich eigentlich nicht so.

LAOLA1: International ist zu beobachten, dass sich bei vielen Trainern ab der zweiten Saison der Erfolg einstellt, wenn sie ihre Wunschspieler im Kader haben, ihre Idee verankert ist. Prominentestes Beispiel ist Jose Mourinho…

Hyballa: Das sehe ich auf jeden Fall auch so. Um eine Idee zu entwickeln, gehört einfach Zeit dazu. Es ist einfach die Frage, wie du Erfolg interpretierst, oder wie schnell die Verantwortlichen einen gewissen Platz haben wollen. Klar wollen wir am liebsten immer alle Spiele gewinnen und auch den schnellen, kurzfristigen Erfolg. Aber ich glaube, man darf gar nicht immer so viel denken: Was könnte passieren wenn? Sondern einfach mal machen! Einfach mal arbeiten und gucken, was rauskommt! Und nicht direkt hysterisch werden, wenn es gut läuft. Aber auch nicht nervös werden, wenn es schlecht läuft, sondern einfach an die Idee und den Plan glauben. Im Fußball ist immer alles Hektik, alle sind nervös, die Medien bringen ihren Teil rein. Ich finde, man muss cool an einer Idee weiterarbeiten. Denn wenn du gewinnst, sind immer alle gleich euphorisch. Da musst du kühlen Kopf bewahren.

LAOLA1: Einfach mal machen können Sie bei Sturm seit knapp vier Wochen. Verfügen Sie über Typen, wie Sie es sich vorstellen, oder muss man da noch schrauben?

Hyballa: Wir müssen noch an ganz vielen Sachen schrauben. Aber gut, dafür sind wir Trainer ja da. Auf eine gewisse Art sind wir ja auch ein bisschen Nervensäge. Wir haben eine Qualität, besonders im Mittelfeld. Die Jungs können Fußball spielen, wenn man sie Fußball spielen lässt. Die Jungs müssen aber viel mutiger werden, müssen auf dem Platz viel mehr Ausstrahlung besitzen, müssen körperlich noch mehr zu Maschinen werden.

LAOLA1: Mut, Ausstrahlung – da klingt auch eine mentale Komponente durch. Verlangen Sie von Ihren Spielern, dass sie nicht nur Mitläufer sind, sondern auch mal vorangehen und den Mund aufmachen?

Hyballa: Es ist immer die Frage, welcher Typ du bist. Eine Führungspersönlichkeit ist nicht immer gleich ein Oliver Kahn oder solche Typen, die laut sind, eine exponierte Stellung haben. Auch ein ruhiger Spieler kann auf seine Art ein Typ sein. Ein Typ zu sein, heißt, im Stadion vor vielen Zuschauern die Abläufe gut zu machen, sich gegenseitig zu coachen, sich auch gegenseitig heiß zu machen, aber das macht jeder auf seine Art. Das habe ich auch gelernt. Du kannst nicht irgendwie einen introvertierten Typen zum extrovertierten Typen machen. Du kannst aber dem introvertierten Typen mehr Verantwortung geben, dann muss er selber auf dem Platz Lösungen finden. Außerdem muss man ganz klar sagen: Das Training ist für die Trainer, das Spiel ist für die Spieler. Ich kann sie auf das Spiel einstellen, ihnen Lösungen mitgeben, in der Halbzeitbesprechung noch ein bisschen korrigieren, aber viel kann ich nicht mehr machen. Da sind die Spieler gefragt. Ich kann letztendlich nur noch am Rand gut aussehen (lacht).

LAOLA1: In einem Interview haben Sie davon gesprochen, den Spielern die Angst zu nehmen. Woher kommt die Angst im heutigen Profifußball?

Hyballa: Das ist ja nicht nur im Profifußball, sondern auch in der Gesellschaft so. Viele haben Angst davor, Fehler zu machen. Aber wenn du Angst vor Fehlern hast, machst du Fehler. Aber irgendetwas im Leben mit Angst zu machen, ist doch einfach doof! Ein Messi bleibt auch ab und zu mal hängen, aber bei Youtube sieht man immer nur die Szenen, wo er zwei, drei Spieler ausspielt und ein Tor schießt. Aber die Szenen, wo er hängen bleibt, sind eigentlich viel wichtiger. Denn da sieht man, dass er auch Fehler machen darf und nicht direkt ausgewechselt wird.  Das ist bei uns auch so: Sie müssen mutig spielen. Es gibt Fifty-Fifty-Pässe – kommt er an, kommt er nicht an? Da darfst du gar nicht darüber nachdenken, sondern: „Spiel den Ball einfach!“

LAOLA1: Im Training hat ein Spieler einen Fehlpass gespielt und entschuldigend die Hand gehoben, woraufhin Sie ihn heftig angegangen sind, er solle die Hand runtergeben und sich ja nicht entschuldigen. Fällt das in diese Kategorie?

Hyballa: Wir haben keine Zeit dafür, uns zu entschuldigen. Das ist zwar lieb und nett, aber liebe und nette Spieler brauche ich nicht. Einfach weitermachen! Du kannst doch einen Fehler machen, ist ja kein Problem, dann versuchst du es in der nächsten Situation besser zu machen. Außerdem ist das Gute am Fußball, dass du noch Mitspieler hast, die deinen Fehler vielleicht ausbügeln können. Das versuchen wir reinzukriegen. Denn eines ist auch klar: Um Torchancen zu kreieren, musst du einfach mal risikoreiche Pässe spielen oder risikoreiche Schüsse nehmen – und manchmal geht es natürlich auch schief. Aber wenn ich dann immer gleich reglementiere und wie ein strenger Vater sage: „Das geht nicht und dies geht nicht und das ist nicht in Ordnung“, dann werden sie auch keinen risikoreichen Fußball spielen.

LAOLA1: Sind Sie der Psychologe des Teams, oder fördern Sie psychologische Hilfe von außen?

Hyballa: Ich bin für solche Sachen offen. Aber als Trainer bist du eigentlich alles: Du bist der Fußballfachmann, der Rhetoriker, der Dirigent, der Psychologe, der Meckertyp, du bist auch mal der In-Den-Arm-Nehmer. Trainer ist schon ein interessanter Job, denn du hast eigentlich so viele Jobs in einem Job. Aber ich habe kein Problem, auch mal mit Experten von außen zu sprechen. Was konditionelle Fähigkeiten betrifft, arbeiten wir schon mit Experten. Ich habe selber die Universität besucht, ich habe keine Angst vor Leuten, die an der Universität arbeiten. Es ist auch wichtig, dass jeder im Trainerteam eine Meinung hat und sie mir nicht nach dem Mund reden. Ein eigener Psychologe ist zwar nicht angedacht, ich habe aber kein Problem, wenn ein Spieler separat und privat mit einem arbeitet. Es geht immer nur darum, besser zu werden, und dass wir ein Tor mehr schießen als der Gegner. Es geht um Erfolg, und das müssen die Jungs wissen.

LAOLA1: Was ist eigentlich Ihre Lieblingsfloskel?

Hyballa: „Ja, aber!“ Das ist eine Floskel, die tagtäglich überall zu hören ist. Meine ist eigentlich „Ja, und – das machen wir.“ Aber viele um mich rum sagen immer „Ja, aber das geht doch nicht. Ja, aber da müssen wir aufpassen. Ja, aber dies und das.“ Ich versuche immer so ein bisschen Ja-Und-Mentalität reinzukriegen. „Ja, aber“ ist auch eine typische Floskel bei ganz vielen Spielern. Warum hast du nicht gespielt? „Ja, aber der Trainer vorher war schuld!“

LAOLA1: Können Sie Interviews von manchen Spielern oder Trainern eigentlich noch hören? Stichwort: „Wir denken von Spiel zu Spiel“…

Hyballa (lacht): Wenn ich manchmal meine Interviews sehe, kann ich sie auch nicht sehen! Aber das gehört ja dazu. Ich werde in der Öffentlichkeit nie etwas Negatives über Spieler oder Trainerkollegen sagen. Was soll ein Spieler oder Trainer auch immer sagen nach den Spielen? Wir Trainer machen jede Woche eine Pressekonferenz, da kann man nicht immer Kreatives von sich geben.

LAOLA1: Das heißt, Sie geben bis hinunter in den Nachwuchs Spielphilosophie und Grundprinzipien vor?

Hyballa: Vorgeben tue ich es nicht, vorgeben ist ein Dogma. Wir haben einen Akademieleiter und Jugendtrainer, da bespricht man sich einfach. Aber ich möchte in der Akademie nicht sehen, dass wir alle hinten am Sechzehner stehen und irgendwie eine Anordnung mit langen Bällen spielen. Ich möchte erfrischenden Angriffsfußball, wie auch immer du den interpretierst, sehen. Und ich möchte, dass Spieler mit einer guten Ballbehandlung ausgebildet werden, dass der Ball nicht vom Fuß springt. Darum möchte ich hier keine Jugendmannschaft sehen, die eine halbe Stunde ohne Ball um den Platz läuft. Das gebe ich aber nicht vor, sondern da werden wir eine Diskussion führen. Denn letztendlich muss die Akademie gewissermaßen auch ein bisschen autark sein, denn wer weiß, wie lange ich hier Cheftrainer bin – die Akademie eines Klubs muss immer laufen. Die Akademie ist das Wichtigste eines Klubs!

LAOLA1: Vor allem, wenn man sich als Karriereplattform positioniert. Was ist der größere Erfolg: Wenn man drei, vier Spieler formt, die man verkaufen kann, oder doch, wenn man Titel holt?

Hyballa: Beides. Das verschmelze ich irgendwie. Man muss ganz klar sagen: Fußball-Vereine sind heute auch Wirtschaftsunternehmen. Wenn wir einen Spieler für viel Geld verkaufen, können wir erstens wieder einen neuen Spieler dafür holen und zweitens die Infrastruktur verbessern – das sind die wirtschaftlichen Ziele. Aber klar, Titel zu holen, ist immer das Schönste – dadurch kriegst du ja auch wieder Geld. Wenn du immer im europäischen Wettbewerb bist, kriegst du Fernsehgelder, das Image wächst, interessantere Spieler bieten sich an.

LAOLA1: Ralph Hasenhüttl hat gemeint, dass es für seine spätere Trainerkarriere ein Vorteil war, bei den Bayern Amateuren mit den damals blutjungen Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm zusammenzuspielen, weil er seither weiß, wie gut zukünftige Topspieler schon in diesem Alter sein müssen. Wie wichtig war so gesehen Ihre Zusammenarbeit mit Mario Götze?

Hyballa: Ich sehe es genauso wie Ralph Hasenhüttl. Ich habe mit ihm die Fußballlehrer-Lizenz gemacht, kenne ihn gut. Ich persönlich komme natürlich aus dem Jugendstall. Ich weiß, wie gut junge Spieler sind. Ich glaube, es ist einfach wichtig, dass die Trainer merken, du kannst einen Jungen einfach reinschmeißen. Früher wurden junge Spieler immer gehegt und gepflegt, und immer gesagt: „Das muss er noch haben und dies muss er noch lernen.“ Heutzutage sind Trainer so: „Hopp, rein mit dem!“ Aber wir sprechen natürlich auch an, wenn Fehler passieren. Wenn ein Klem oder ein Kainz einen Fehler machen, sage ich nicht: „Die sind noch jung“, sondern: „Heh, ihr habt einen Fehler gemacht, das ist nicht gut.“ Dann merken die sofort: „Oh, ich bin wichtig.“