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"Wir laufen in eine gefährliche Situation"

"Ich kann meinen Gefühlszustand nicht beschreiben. Ich bin fassungslos."

Vier Tage nach dem Abbruch der Partie zwischen Wacker Innsbruck und Sturm ist der Puls bei Wacker-Geschäftsführer Gerald Schwaninger nur unwesentlich gesunken.

"An einem Samstagnachmittag, an dem wir eine tolle Mannschaftsleistung und ein gutes Spiel sehen, verlieren wir zuerst das Spiel und dann sehen wir solche Dinge. Das war eine ganz eigenartige Entwicklung eines Nachmittags", schildert der 37-Jährige.

Es waren Szenen, die in der Bundesliga schon oft genug zu sehen waren, wenn auch, in diesem Fall, von besonderer Emotion geprägt.

Wacker macht gegen Sturm das Spiel, ist drauf und dran im Abstiegskampf einen wichtigen Punkt, oder sogar mehr, zu holen, hadert – im ersten Moment – mit der einen oder anderen Schiedsrichterentscheidung und kassiert in der Nachspielzeit das 0:1.

"Das liegt nicht in unserer Macht"

Die Volksseele am Tivoli kocht. Es fliegen Gegenstände auf den Rasen. Vornehmlich Becher. Schiedsrichter Manuel Schüttengruber sieht sich letztendlich dazu gezwungen, die Partie abzubrechen.

Neben einer 0:3 Strafverifizierung steht den Tirolern auch noch eine saftige Geldstrafe ins Haus.

Egal, ob der Nachmittag am Tivoli eine Verkettung ungünstigster Ereignisse war oder nicht: Ein nicht gelöstes Problem in Fußballstadien steht seither wieder an der Tagesordnung.

"Es passieren Dinge, die nicht in unserer Macht liegen. Wir sind leider nicht für die Erziehung der Fans zuständig", gab Schwaninger in einem "Sky"-Interview nach dem Spiel zu verstehen. Entzieht man sich in Innsbruck damit nicht auch der Verantwortung als Veranstalter?

"Absolut nicht, ganz im Gegenteil", entgegnet er im Gespräch mit LAOLA1.

"Wir sind diejenigen, die alle Haftungen übernehmen müssen. Mir kommt vor, es wird Usus, dass Fußballklubs dafür verantwortlich gemacht werden, wenn so etwas passiert. Es ist katastrophal, dass Gegenstände auf den Platz geworfen werden, aber es passiert. Wir können es nicht verhindern. Wie soll die Lösung aussehen? Dass es keine Getränke mehr gibt? Das geht doch auch nicht!", ist der gebürtige Kufsteiner ratlos.

Käfige sind keine Lösung

Tatsächlich ist die Lösung für diese Problematik noch lange nicht gefunden.

Auch bei Gegner Sturm kennt man sie bestens. Das Heimspiel gegen Rapid im April 2011 hätte nach zwei Minuten abgebrochen werden können, nachdem Schiedsrichterassistent Matthias Winsauer von einem Becher am Kopf getroffen wurde.

Erst nach der Drohung von Schiedsrichter Thomas Gangl, die Partie tatsächlich zu beenden, konnte weitergespielt werden.

In der UPC Arena zieren seither auch die an die Fansektoren anschließenden Kurven engmaschige Netze.

"Man kann alles bauen, aber es widerstrebt mir als Fußballfan, es zu tun. Wir wollen dem Fan den Sport so nah wie möglich bringen, jetzt sollen wir wieder Käfige bauen?", hält Schwaninger nichts von Einzäunungsmaßnahmen.

Noch dazu, weil die Lage vor der hektischen Schlussphase ruhig war. "Die Fantribüne hat sich das ganze Spiel über vorbildlich verhalten. Es waren Leute, die auf den, normalerweise ruhigeren oder gemäßigteren Plätzen sitzen."

Auf Assistent Clemens Schüttengruber hagelte es einige Wurfgeschosse

Videoaufnahmen nur bedingt nützlich

"Das ändert nichts an der Tatsache, dass ich sogar verstehe, dass der Schiedsrichter abbricht. Er ist in einer emotionalen Lage und mitten im Spiel. Der kommt irgendwann an den Punkt, an dem er sagt: So, ich kann jetzt nicht mehr", zeigt der Wacker-Manager Verständnis für die Vorgehensweise der Offiziellen.

Auch, wenn sich die Lage dadurch im Stadion noch zuspitzte und man mit einem Abpfiff der Partie Tumulte verhindern hätte können.

Im Stadion vorgenommene Videoaufnahmen seien nur bedingt von Nutzen.

„Der Aufwand, einzelne Leute auszuforschen, ist sehr hoch. Am Ende bleibt dann ein Einzeltatbestand über, dass jemand einen Becher geworfen hat. Was kriegt der dann für eine Strafe? Wahrscheinlich gar keine. Da fehlt einfach der rechtliche Rahmen.“

Ein Appell an die Fans

Der Weisheit letzter Schluss ist also noch nicht in Sicht. "Es wird von den Vereinen dauernd eine Generallösung gefordert, aber die kann ich nicht anbieten. Tut mir leid", so Schwaninger, der aus Sicht des Veranstalters eine klare Warnung ausspricht: "Wir laufen in eine gefährliche Situation. In Zukunft muss ich mir als Veranstalter überlegen, ob ich überhaupt noch eine Haftung übernehmen kann, wenn Bierbecherwürfe zu einem Abbruch führen."

"Im Endeffekt geht es doch um die Eigenveranwortung, auch der Leute im Stadion“, folgt ein Appell an die Fans. „Die müssen ihrem Gegenüber sagen: Hey, du schadest unserem Verein, also eigentlich dir selbst!"

30.000 Euro-Strafe gilt nicht mehr

Wie tief Wacker Innsbruck nun für den Becherregen in die eigene Kassa greifen muss, wird am kommenden Montag vom Senat 1 der Bundesliga ermittelt.

Eine bedingte Strafe von der Frühjahrspartie gegen Rapid wird aber nicht geltend gemacht werden, klärt Schwaninger auf: "Das Gerücht hat sich nach dem Spiel hartnäckig gehalten, aber nach Rücksprache mit der Liga ist diese Strafe abgelaufen."

Dennoch droht eine Strafe von bis zu 50.000 Euro. Für einen Verein, der nicht zu den finanzstärksten der Liga gehört, eine stattliche Summe.

"Mannschaft ist stark genug"

Schuldlos, aber leidtragend an den Vorfällen ist letztlich auch die Innsbrucker Mannschaft.

In der Tabelle bekam man wieder die Rote Laterne umgehängt und bei Punktegleichheit würde man zurückgereiht werden. „Die Mannschaft ist stark genug. Die hat schon so viele Wellentäler durchschritten. Die wird ihren Weg machen“, hat Schwaninger keine Angst.

Und was ist, wenn am Ende wirklich die Rückreihung bei Punktegleichheit entscheidet?

"Da müsste es schon mit dem Teufel zugehen."


Andreas Terler