news

Funktioniert der Rapid-Code auch ohne Beric?

Funktioniert der Rapid-Code auch ohne Beric?

Ende August war der Hype noch groß.

Siege gegen Meister Salzburg und Erzrivale Austria. Dazu die starken Leistungen in der Champions-League-Qualifikation. Rapid schien den Meistertitel schon für sich gebucht zu haben.

Mittlerweile ist aber Ernüchterung eingekehrt. 2:4 gegen Mattersburg, 0:2 in Altach und Torjäger Robert Beric hat den Verein verlassen.

Während vor einigen Wochen die Spielphilosophie von Zoki Barisic und dessen Trainerteam noch hochgelobt wurde, scheint sie ohne Beric momentan nicht mehr richtig zu funktionieren.

Doch wiegt der Abgang des Slowenen wirklich so schwer? Oder liegen die Probleme anderswo begraben? LAOLA1 hat gemeinsam mit „Sky“-Experte Martin Scherb, der beim Spiel gegen Villarreal als Co-Kommentator fungieren wird, die Prinzipien des „Rapid-Codes“ entschlüsselt:

 

DIE SPIELIDEE

Als Rekordmeister stellen die Grün-Weißen an sich selbst den Anspruch eines dominanten Auftretens. Dieser Anspruch macht sich seit einiger Zeit auch am Rasen bemerkbar. „Vor einem Jahr haben in der Bundesliga sechs von zehn Vereinen nur das Umschaltspiel gepredigt“, meint Scherb. „Rapid hat sich aber schon damals zur jetzigen Spielphilosophie bekannt. Ich persönlich finde es gut, dass man nicht sagt: ‚Unser Spielmacher ist der Fehlpass‘. Stattdessen gehen sie nach einem klaren Plan vor und nehmen die spielerische Herausforderung an.“

Es brauchte seine Zeit, bis diese Arbeit ihre Früchte trug. Die prominenten Abgänge des letzten Sommers konnten zunächst nicht kompensiert werden. Trainer und Mannschaft mussten sich weiterentwickeln, um schließlich jene Erfolgsserie (18 Spiele ohne Niederlage) zu starten, die bis zum 2:4 gegen Mattersburg andauerte. „Bei Rapid sind sehr viele Spieler in ihrer individuellen Entwicklung besser geworden. Das hat dazu beigetragen, dass auch das Team besser wird“, spricht der Coach die Entwicklung von Kickern wie Philipp Schobesberger, Thanos Petsos oder Stefan Schwab an. 

Sky-Experte Scherb lobt die Spielanlage Rapids

BALLBESITZ? JA! ABER NICHT UM JEDEN PREIS

Der oft zitierte Ballbesitz-Fußball wird jedoch nicht um jeden Preis durchgezogen. Bietet sich die Chance auf den Konter, suchen die Rapidler das direkte Spiel nach vorne. Auch in Bezug auf den jeweils nächsten Gegner wird die Strategie stets angepasst: „Rapid besteht nicht darauf, immer nur stur den Stiefel herunterzuspielen. Sie adaptieren ihre Spielweise.“ Das zeigte sich nicht zuletzt auswärts gegen Ajax Amsterdam (3:2), als die Hütteldorfer auf Ballbesitz weitgehend verzichteten und stattdessen aus einer kompakten Defensive heraus Nadelstiche setzten. Barisic ist es in den letzten beiden Jahren immer besser gelungen, die Mannschaft auf den jeweiligen Gegner einzustellen. Der Rapid-Coach profitiert dabei von einem mittlerweile professionell aufgestellten Betreuer-Team. „Zoki hat sich etwas aufgebaut, das sich viele andere Trainer wünschen würden“, spricht Scherb die beiden Assistenten Carsten Jancker und Thomas Hickersberger sowie Torwart-Coach Raimund Hedl, Konditionsfachmann Alexander Steinbichler und Videoanalyst Stefan Oesen an.

 

SPIELERÖFFNUNG AUS DEM ZENTRUM

„Bei Rapid sind in der Offensive klare Muster erkennbar“, lobt Scherb. Diese Muster bauen auf einem 4-2-3-1-System auf. Die Spieleröffnung obliegt den beiden Sechsern, wobei zumeist einer abkippt, um die Bälle von den Innenverteidigern zu holen. Mit Vorstößen aus dem defensiven Mittelfeld wechselt sich die etatmäßige Besetzung aus Stefan Schwab und dem derzeit verletzten Thanos Petsos gerne ab. Kommt jedoch Srdjan Grahovac zum Einsatz, nimmt meistens er die tiefere Position ein. Gleichzeitig rücken die Außenverteidiger weit auf, um sich als Anspielstationen anzubieten. 

ÜBER DIE FLÜGEL WIRD'S GEFÄHRLICH

„Sie spielen immer nur mit einem Spieler am Flügel. Wenn der Außenverteidiger kommt, rückt der jeweilige Mittelfeldspieler nach innen. Er hinterläuft seinen Vordermann nur, wenn er sieht, dass ihm die Seite alleine gehört“, erklärt der ehemalige St.-Pölten-Trainer. Nach der Spieleröffnung aus dem Zentrum versucht Rapid also oft über die Räume auf den Flanken offensive Akzente zu setzen. Die dribbelstarken Flügelspieler Florian Kainz, Louis Schaub und Philipp Schobesberger sollen das Eins-gegen-Eins suchen und Räume aufreißen. „Der tiefe Pass wird erst im letzten Drittel gespielt, um danach den Stanglpass oder die Flanke ins Zentrum zu forcieren“, so Scherb. Diese klaren Muster im Offensiv-Spiel bleiben natürlich auch den gegnerischen Trainern nicht verborgen. Sie versuchen dem geduldigen Ballbesitz-Fußball oft mit einer tiefstehenden Defensive beizukommen, wie es beispielsweise Altach-Coach Damir Canadi am Samstag vormachte.

 

WARUM BERIC SO WICHTIG WAR

Als Stürmertyp passte Beric perfekt in das von Barisic initiierte Spielsystem. Einerseits präsentierte sich der bewegliche Slowene extrem kombinationsstark, vor allem auch mit dem Rücken zum Tor. Andererseits aber brachte er jene Robustheit und Kaltschnäuzigkeit mit, um im Strafraum die herausgespielten Chancen zu verwerten. Mit ihm verlor Rapid nicht nur einen Torjäger, sondern auch eine zusätzliche Option im Spielaufbau, die Bälle halten und auf die Flügel weiterleiten konnte. Insofern schmerzt sein Abgang doppelt. „Es wird sicher eine Herausforderung für Rapid, Beric zu kompensieren. Es muss aber auch ohne ihn funktionieren. Die Situation, dass ein Klub seinen besten Spieler verliert, wird es in Österreich noch öfters geben“, meint Scherb.

WER ERSETZT BERIC?

Als erster Beric-Ersatz durfte in den letzten beiden Saisonspielen Deni Alar ran. Der 25-Jährige bringt spielerisch zwar das Potenzial für schnelle Kombinationen mit, in puncto Robustheit und Ball abschirmen hat ihm der nunmehrige St.-Etienne-Stürmer jedoch einiges voraus. Dasselbe gilt für Tomi, der noch immer auf seinen ersten Rapid-Einsatz wartet. Der physisch starke Philipp Prosenik wiederum muss noch an seiner Ballarbeit mit dem Rücken zum Tor arbeiten. Das zeigte nicht zuletzt sein Startelf-Einsatz gegen Sturm (2:2). Was von Neuzugang Matej Jelic zu erwarten ist, lässt sich indes nur schwer abschätzen. Der Kroate dürfte zweifellos über die nötigen Torjäger-Qualitäten verfügen, soll jedoch gleichzeitig spielerische Schwächen aufweisen. Gut möglich also, dass Barisic aufgrund der neuen Gegebenheiten Anpassungen an seinem Konzept vornehmen muss. Möglicherweise weg vom Beric-Sytem zurück zur Spielweise mit Terrence Boyd, dem die Stoßstürmer Jelic und Prosenik eher ähneln. Flanken aus dem Halbfeld könnten beispielsweise wieder ein probates Mittel werden. 

 

DAS DEFENSIV-MANKO

Neben dem zu kompensierenden Beric-Abgang muss sich der Rapid-Coach mit einem zweiten, taktischen Problem herumschlagen. In der Defensive lässt seine Mannschaft oft zu große Löcher zwischen den Mannschaftsteilen aufkommen. „Gegen den Ball versucht Rapid das Spiel der Innenverteidiger auf die Seiten zu lenken. Dort pressen sie gut hin. Das einzige Manko ist vielleicht, dass die Viererkette in solchen Situationen zu tief steht. Sie müssten weiter aufrücken. Der Abstand zwischen Stürmer und Verteidiger sollte maximal bei ca. 40 m liegen“, erklärt Scherb.

In der ersten Hälfte des Hinspiels gegen Ajax Amsterdam (2:2) zeigte sich diese Schwäche am deutlichsten, als die Niederländer locker durch die löchrigen Rapid-Reihen kombinieren konnten. Auch bei der 0:2-Niederlage gegen Altach machten sich diese Probleme bemerkbar. Vor dem 0:1 durch Martin Harrer attackierten die vier Offensiv-Spieler weit vorne, ohne dass dahinter die Verteidigung mitaufrückte. Dadurch hatten die beiden Sechser Grahovac und Schwab vor der Abwehr einen viel zu großen Raum abzudecken (siehe Bild), den Harrer letztlich für seinen Treffer nutzte. Im ersten Europa-League-Gruppenspiel gegen Villarreal sollten Rapid solche Fehler nicht passieren. Sonst droht die dritte Niederlage in Folge.

 

Jakob Faber