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ÖSV-Coach Pircher: "Hirscher jederzeit willkommen"

Trainer Pircher über Wiedervereinigung des "Team Hirscher" und RTL-Schwächen:

ÖSV-Coach Pircher: Foto: © GEPA

Während sich Marcel Hirscher in seiner Ski-Pension neuen Herausforderungen stellt und kürzlich sein Debüt als ORF-Moderator gab, hat sein ehemaliges Trainerteam auch eine neue Aufgabe übernommen.

Hirschers langjähriger Erfolgscoach Michael "Mike" Pircher und sein Vater Ferdinand Hirscher sollen die kriselnden ÖSV-RTL-Herren wieder zu Erfolgen führen.

„Ich erwarte da natürlich sehr viel. Sie haben einen Bonus. Den gilt es aber auch zu erfüllen“, stellt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel klar.

Pircher bezeichnet die Ausgangsposition bei den hinterherhinkenden RTL-Herren nicht als die beste. "Aber ausschlaggebend, dass ich den Job angenommen habe, ist die Perspektive, die ich mit den Jungs sehe. Ich hoffe, dass Jüngere nachkommen und wir in mittlerer Zukunft was aufbauen können, um wieder ein schlagkräftiges RTL-Team zu haben. Gewiss ist, dass wir Geduld haben müssen. Wir müssen Vollgas geben und alles dem Erfolg unterordnen“, sagt Pircher nach den ersten Trainingskursen auf Schnee mit seinen neuen Schützlingen im Kaunertal.

Im LAOLA1-Interview spricht Pircher über Skifahren in Zeiten von Corona, die Schwächen des ÖSV-Teams und die Wiedervereinigung des "Team Hirscher". Außerdem dämpft der Steirer die Hoffnungen auf einen neuen Marcel Hirscher und hat eine Nachricht an alle ungeduldigen Ski-Fans.

LAOLA1: Wie war der erste Trainingskurs auf Schnee mit den Corona-Auflagen?

Mike Pircher: Wir mussten einige Listen ausfüllen und Maßnahmen setzen, die es normal nicht gibt und die alles ein bisschen komplizierter machen. Wir sind vor der Anreise und vor der Heimreise getestet worden - jeder war negativ. Im Apartment hatten alle ein Einzelzimmer. Es hat alles gut geklappt und man macht es ja gerne, weil man ja niemanden gefährden möchte. Die, die dabei waren, waren voll motiviert. Ich glaube, wir haben im ersten Kurs schon zueinander gefunden. Es macht wirklich Spaß!

LAOLA1: Welche Erkenntnisse hast du gewonnen? Wo gibt es am meisten Aufholbedarf?

Pircher: Wir haben im Vorfeld intensiv mit Videos analysiert, jetzt gibt es die erste Bestandsaufnahme auf Schnee. Da kristallisieren sich bei dem einen oder anderen gewisse Stärken und Schwächen heraus, an den Schwächen werden wir arbeiten. Wir haben sicher einiges zu tun.

LAOLA1: Gibt es hinsichtlich der Technik etwas Grundlegendes, das die ganze Mannschaft verbessern muss?

Pircher: Grundsätzlich muss der ganze Schwung einmal stabiler werden. Dass sie alle schnelle Schwünge fahren können, wissen wir eh, aber es passt oft noch nicht von oben bis unten zusammen. Deshalb müssen die Schwünge stabiler und stimmiger auf beiden Seiten werden. Das sind so die allgemeinen Richtlinien. Darüber hinaus muss man es aber individuell betrachten.

LAOLA1: Du hast bei deinem Amtsantritt gesagt, die Ausgangslage ist nicht die beste. War das ein Anreiz, den Job zu übernehmen oder musstest du erst überlegen, als das Angebot kam?

"Die Ausgangssituation ist sicher nicht ausschlaggebend, dass ich den Job angenommen habe, sondern eher die Perspektive, die ich mit den Jungs sehe. Ich hoffe, dass Jüngere nachkommen und wir in mittlerer Zukunft was aufbauen können, um wieder ein schlagkräftiges RTL-Team zu haben."

Pircher: Ich habe nicht lange überlegt. Ich war zuerst überrascht, habe damit nicht gerechnet, aber ich habe mich eigentlich sofort damit anfreunden können. Die Ausgangssituation ist sicher nicht ausschlaggebend, dass ich den Job angenommen habe, sondern eher die Perspektive, die ich mit den Jungs sehe. Ich hoffe, dass Jüngere nachkommen und wir in mittlerer Zukunft was aufbauen können, um wieder ein schlagkräftiges RTL-Team zu haben. Gewiss ist, dass wir Geduld haben müssen. Etwas zu erzwingen funktioniert nicht. Wir müssen Vollgas geben und alles dem Erfolg unterordnen, dann wird am Ende des Tages hoffentlich was rausschauen.

LAOLA1: Alles dem Erfolg unterzuordnen war das oberste Credo im Team Hirscher. Nimmst du das jetzt in deine neue Aufgabe mit?

Pircher: Wenn man den Job macht, muss man sich dessen im klaren sein, dass man dem Erfolg alles unterordnen muss. Man entscheidet sich da für keinen einfachen Job, weil man rund um die Uhr parat stehen muss, wenn man das perfekt machen will. Diese Professionalität erwartet man sich natürlich auch von den Athleten. Dann kann man sich nichts vorwerfen, falls es nicht funktioniert.

LAOLA1: Ein Großteil des „Team Hirscher“ ist jetzt wieder vereint. Wie wichtig war es dir, dass Ferdl Hirscher dabei ist?

Pircher: Es freut mich, dass Ferdl das mitmacht - er müsste das ja nicht machen. Wir sind seit über zehn Jahren ein Gespann, da kennt man sich in- und auswendig und redet viel über Linien etc. Es freut mich sehr, dass er dabei ist und sein Know How weitergibt. Ich glaube, jeder kann von ihm profitieren. Ich sehe ihn als vollwertigen Trainer. Wir haben mehrere Aufgabenbereiche, aber der Material-Sektor und andere Sachen wie die Technik gehören sicher zu Ferdls Bereich. Wir sind gut aufgestellt, Physio Josef Percht, der auch zu Marcels Team gehörte, ist dabei und Günther Steiner, der die Kondition macht, aber auch am Schnee tätig ist.

LAOLA1: Was sagt Marcel zu eurem Engagement? War er in die Entscheidung irgendwie eingebunden?

Pircher: Nein, nicht direkt. Natürlich hat Ferdl ihn gefragt, ob das eh passt, aber Marcel hat nichts dagegen.

LAOLA1: Ich nehme an, Marcel ist bei euren Trainings mit seinen Tipps immer herzlich Willkommen.

Pircher: Natürlich, jederzeit! Umso öfter, umso besser (lacht).

(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)

LAOLA1: ÖSV-Slalom-Coach Marko Pfeifer hat gesagt, er ist nicht nur Ski-Trainer sondern auch ein bisschen Psychologe. Braucht dein Team in dieser Hinsicht auch Aufmunterung? Sie mussten in der vergangenen Saison viel öffentliche Kritik einstecken.

Pircher: Natürlich schaut man, dass das Klima im Team passt und die Stimmung gut ist, aber da braucht man nicht gesondert einzugreifen. Ich finde, die Jungs sind alle gut drauf. Natürlich sind sie schon in einem Alter, in dem man sich jetzt schnell, schnell etwas erwartet, aber so wird es nicht gehen. Die Zeit werden wir ihnen auch geben und in dieser Hinsicht auch Sicherheit und Zuversicht zusprechen. Aber grundsätzlich sind die Jungs alle gut drauf und wissen, was sie wollen. Wir werden das beste geben und auch nicht vergessen, Spaß zu haben.

LAOLA1: Geduld ist also gefragt. So mancher Ski-Fan hat aber eher weniger Geduld und will ÖSV-Siege sehen. Kannst du diesbezüglich Hoffnung machen, vielleicht schon für die kommende Saison?

"Ein neuer Hirscher wird so schnell nicht nachkommen. Man muss sich doch mit weniger Erfolgen, wie es sie etwa in der Zeit von Hermann Maier gegeben hat, zufrieden geben und sich auch wieder über Einzelerfolge freuen."

Pircher: Zuerst einmal möchte ich denen ausrichten: Es kann sich jeder melden, der gut drauf ist und sich beweisen. Natürlich erhofft man sich was und glaubt an den Erfolg. Es kann gleich von Anfang an gut laufen, aber es kann sich auch ein bisschen ziehen. Natürlich hat man nicht ewig Zeit, aber ein bisschen Zeit brauchen wir, um wieder ein schlagkräftiges Team am Start zu haben. Ein neuer Hirscher wird so schnell nicht nachkommen. Man muss sich doch mit weniger Erfolgen, wie es sie etwa in der Zeit von Hermann Maier gegeben hat, zufrieden geben und sich auch wieder über Einzelerfolge freuen. Unser Ziel ist, wieder konstant und stabil an der Weltspitze mitzufahren, aber die anderen Nationen schlafen auch nicht.

LAOLA1: Ein schlagkräftiges Team für die kommenden Jahre ist das Ziel. Sind schon neue Talente in Sicht?

Pircher: Ich war in der vergangenen Saison im Europacup in den technischen Disziplinen unterwegs. Die Ausgangssituation war da letztes Jahr auch erschreckend, aber sie haben sich ganz gut positioniert für die nächste Saison. Sie haben sich was die Startnummern betrifft nach vorne gearbeitet, da wurde gut gearbeitet. Jetzt müssen sie über gute Leistungen im EC den nächsten Schritt Richtung Weltcup machen. Ich könnte mir schon vorstellen, dass der eine oder andere bald zu uns dazu stößt.

LAOLA1: Wie sieht eure weitere Planung in der Saisonvorbereitung aus? Rechnet ihr mit einem Saison-Auftakt in Sölden Ende Oktober?

Pircher: Wir gehen davon aus, dass wir in Europa bleiben und vorwiegend in Österreich oder der Schweiz trainieren. Das ist für mich eigentlich nichts Ungewöhnliches, das habe ich mit Marcel die letzten Jahre auch so praktiziert. Wir gehen davon aus, dass der Auftakt in Sölden wie geplant stattfindet. Solange es keine andere Info gibt, bereiten wir uns auf Sölden vor. Aber es ist auch nicht so, dass Sölden das allerwichtigste Rennen der Saison ist, es ist eines von vielen.

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