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Die Gründe für die Speed-Krise im ÖSV

Der ÖSV steckt in der Speed-Krise. Das sind die Gründe:

Die Gründe für die Speed-Krise im ÖSV

Österreichs Skifahrer stecken in der Speed-Krise.

An diesem Wochenende standen bei Damen und Herren die ersten schnellen Rennen der Saison auf dem Programm, Podestplatz schaute für die rot-weiß-roten Läuferinnen und Läufer keiner heraus.

In fünf Speed-Rennen war ein sechster Platz von Mirjam Puchner in der zweiten Damen-Abfahrt in Lake Louise das höchste der Gefühle. Bei den Herren setzte es in der ersten Abfahrt der Saison in Val d'Isere gar das fünfschlechteste Ergebnis aller Zeiten.

Auch wenn der WM-Winter noch jung ist, die Alarmglocken beim Verband sollten laut schrillen. Eine ganze Nation fragt sich, warum läuft es für die ÖSV-Starter in den Speed-Bewerben so schlecht?

LAOLA1 geht der Sache auf den Grund und nennt die fünf Problemzonen:

1) Kein interner Konkurrenzkampf

Während sich bei anderen Nationen wie Norwegen gleich mehrere Spitzenleute gegenseitig pushen und besser machen, fehlt dieser interne Konkurrenzkampf bei den rot-weiß-roten Damen und Herren. Früher war genau dieses Gerangel um Startplätze ein wesentlicher Erfolgsfaktor im ÖSV. Mehrere Leute kämpften darum, überhaupt im Weltcup an den Start gehen zu dürfen, es bestand ein Überangebot. Klar, manche zerbrachen daran – die anderen wurden genau dadurch aber noch stärker. Dass es mit einem absoluten Top-Mann in den eigenen Reihen, von dem man sich gewisse Dinge abschauen kann, um ein Vielfaches einfacher wird, beweisen die französischen RTL-Herren. Alexis Pinturault ist die Gallionsfigur, alle ziehen nach. Bei den Norwegern sowieso. Ähnlich ist es auch bei den ÖSV-Technik-Herren, wo rund um Marcel Hirscher mittlerweile wieder eine schlagkräftige Truppe im Slalom und Riesentorlauf an den Start geht. Auch, obwohl nicht immer tagtäglich gemeinsam mit dem fünffachen Gesamtweltcup-Sieger trainiert wird. In den Speed-Disziplinen ist so ein Ausnahmekönner - trotz eines Abfahrts-Olympiasiegers Matthias Mayer - nicht in Sicht.

2) Material-Vorsprung ist weg

Früher war der ÖSV den anderen Nationen in Sachen Material oftmals einen Schritt voraus. Alle anderen schauten den Österreichern genau auf die Füße und ahmten diverse Ski- und Schuh-Einstellungen oder andere Methoden nach. Und das Original ist bekanntlich immer besser als die Kopie. Mittlerweile haben die anderen Nationen auf diesem Sektor aufgeholt und den ÖSV teilweise überholt. Obwohl der österreichische Verband nach wie vor über das höchste Budget aller Ski-Verbände verfügt, werden zu wenige Ergebnisse auf dem Material-Sektor erzielt. Und das, obwohl rund um Ex-Herren-Chef Toni Giger extra eine Innovations-Abteilung ins Leben gerufen wurde. Und auch wenn man im ÖSV über die nicht vorhandenen Speed-Strecken jammert – wie viele Nationen verfügen über genau diese Abfahrtsstrecken? Wohl nicht viele. Das Geld für teure Reisen zu den geeigneten Pisten wäre jedenfalls vorhanden. Die Norweger sind etwa fast den ganzen Sommer unterwegs, um lange auf Schnee trainieren zu können. Diesen Vorsprung spielen die "Elche" regelmäßig zu Beginn der Saison aus.

3) Personalentscheidungen

Verfügt Österreich noch über Top-Trainer? Ja. Arbeiten diese im ÖSV? Nein. Zahlreiche Fachmänner flüchten ins Ausland und verrichten dort exzellente Arbeit. Bestes Beispiel ist Christian Mitter. Der Steirer ist seit zehn Jahren äußert erfolgreich im norwegischen Verband tätig und arbeitete sich vom Skigymnasium Oslo über den Europacup bis in den Weltcup und schließlich zum Herren-Chef hoch. Es lassen sich noch einige weitere Beispiele wie Patrick Riml, Alex Hödlmoser oder Rudi Huber finden. Und selbst wenn dann einmal Trainer mit gutem Ruf im ÖSV engagiert sind, werden sie verheizt. Andreas Puelacher gilt zum Beispiel als absoluter Fachmann, er gehört aber auf die Strecke. Ob er das als Herren-Cheftrainer, der viel mit administrativen Aufgaben wie der Organisation und Buchung von Flügen, Hotels und Trainings-Pisten zu tun hat, wirklich kann, darf bezweifelt werden. Auch, dass es nach der enttäuschenden letzten Speed-Saison keine personellen Konsequenzen gab, wirkt für die breite Masse nicht gerade nachvollziehbar. Populistisches Köpferollen ist zwar auch nicht der Weisheit letzter Schluss, in der aktuellen Misere sollte man beim Verband aber wohl zumindest darüber nachdenken, die ein oder andere Stelle vielleicht doch neu zu besetzen.

4) Hohe Erwartungshaltung

Was man an jemandem hat, merkt man erst, wenn er weg ist. Die "goldene Generation" bei Österreichs Speed-Herren ist längst Geschichte, aber viele Fans leben nach wie vor in der Vergangenheit. Die Erwartungshaltung aus dieser überdurchschnittlich erfolgreichen Zeit wurde mitgenommen. Österreich steht für Siege – am besten in Serie und idealerweise gleich Doppel- oder Dreifach-Erfolge. Das spielt es einfach nicht (mehr). Das liegt nicht nur am ÖSV, sondern auch an der stärkeren Konkurrenz. Das Niveau im alpinen Ski-Sport ist extrem gestiegen, die Dichte viel höher als früher. Vielleicht muss man es heutzutage einfach akzeptieren, dass Österreich mit Marcel Hirscher und Anna Veith über zwei Kapazunder verfügt, die für Siege sorgen. Dahinter folgt eine zweite Reihe, die für Podestplätze oder Siege gut ist, dies aber wohl nicht konstant umsetzen kann. Eines ist jedenfalls klar: Druck hemmt. Selbst wenn Sportler noch so oft betonen, keine Berichte über sich selbst oder die eigene Sportart zu lesen - die Erwartungshaltung bekommt man mit. Und keine anderen Athleten stehen unter derart hohem Druck wie jene im ÖSV.

5) Verletzungen

Man kann den ÖSV so viel kritisieren, wie man will, Fakt ist: Der Verletzungsteufel schlug in jüngster Vergangenheit unverhältnismäßig oft im rot-weiß-roten Team zu. Mit Matthias Mayer und Hannes Reichelt erwischte es die beiden besten Speed-Fahrer bei den Herren – beide zogen sich schwere Verletzungen zu und kehrten gerade erst zurück. Bei den Damen fällt mit Anna Veith eine der absoluten Sieg-Läuferinnen nach wie vor aus, zudem war auch der letztjährige Shootingstar Cornelia Hütter immer wieder angeschlagen. Mit Tamara Tippler ist aktuell auch eine Athletin verletzt, die 2015/16 in den Speed-Disziplinen überraschte. "Aber Aksel Lund Svindal kehrte auch nach einer schweren Verletzung mit zwei Podestplätzen zurück" – heißt es oftmals. Einfache Antwort: Aksel Lund Svindal ist ein Phänomen und einer der besten Skifahrer der Geschichte. Nicht viele Athleten stecken schwere Blessuren derart schnell weg, der Großteil braucht etwas länger, um wieder in Schwung zu kommen. Vielleicht gelingt dies einigen ÖSV-Speed-Fahrern ja auch schon bald. Ein sportliche Antwort an alle Kritiker wäre wünschenswert.

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