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E-Mail aus der NHL und Auffälligkeiten der A-WM

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller analysiert die Auffälligkeiten der Eishockey-WM:

E-Mail aus der NHL und Auffälligkeiten der A-WM

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Ein vorerst letztes Mal meldet sich Bernd Freimüller bei LAOLA1 zu Wort.

Mit dem Ende der A-WM endet auch für den LAOLA1-Scout die Saison, nun geht es in den wohlverdienten Urlaub.

Zunächst nimmt der Eishockey-Fachmann aber noch Stellung zur A-WM, analysiert die Auffälligkeiten, wirft einen Blick auf die nächste A-WM sowie Österreichs mögliche Gegner und berichtet von einem E-Mail aus der NHL:

Logisches Finale

Weder das Finale Schweden gegen Kanada noch der Weltmeistertitel der „Tre Kronor“ überraschten – beide Teams galten schon vor dem Turnier als Topfavoriten. Entscheidend für den Titelgewinn aber die „Nachverpflichtungen“ der Schweden: Washington-Center Nicklas Bäckstöm war ein wichtiger Offensivleader und verwandelte auch den ersten Penalty-Shot. Goalie Henrik Lundqvist stabilisierte die bis dahin eher schwach besetzte Goalieposition und entschärfte im Finale alle vier kanadischen Versuche im Shootout. Während „King Henrik“ heuer bei den NY Rangers erste Anzeichen des Alterns zeigte, war er bei der WM ein „Money Goalie“. Kanada hingegen wäre ein besserer Goalie als Calvin Pickard gut zu Gesicht gestanden.

Slowakisches Desaster

Der 14. Gesamtrang, gerade ein Sieg – die Slowaken präsentierten sich noch schwächer als ohnehin erwartet. Dabei hätte es noch ärger kommen können – im Auftaktspiel gegen Italien glichen sie erst 64 Sekunden vor dem Schluss aus, um dann in der Overtime noch zu gewinnen. Eine Niederlage nach 60 Minuten hätte wohl den späteren Abstieg bedeutet.

Die Slowaken traten ohne einen einzigen NHLer an und das folgende Gedankenspiel ist gar nicht so weit hergeholt: Hätte auch nur einer ihrer Spieler in der tschechischen Auswahl – wahrlich auch kein Topteam – einen Platz gehabt?

Der Super-GAU des Abstiegs wurde zwei Jahre vor der Heim-WM also noch abgewendet, doch der vorläufige Tiefpunkt in der Rückentwicklung der letzten Jahre ist erreicht. Und schon vor Abschluss des Turniers begann eine veritable Soap Opera: Jeder gegen jeden, Coach Zdeno Ciger sprach aufgrund von mangelnden Energy Drinks und Ausrüstung von Sabotage, seine Freundin haute via Twitter auch noch auf die Spieler hin, Rücktritte und Rauswürfe auf Verbandsetage – ein Hauen und Stechen auf allen Ebenen. Ich erwarte große personelle Änderungen bis zur nächsten WM, doch das Turnier war nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Slowakei (verlor vier Plätze in der Weltrangliste) immer mehr in Richtung Bedeutungslosigkeit abdriftet.

Gute Heimteams

Sowohl Deutschland als auch Frankreich lieferten starke Leistungen ab. Während die Deutschen sich auch mit dem Viertelfinaleinzug belohnten, reichten für die Franzosen sogar zehn Punkte nicht zum Weiterkommen. Bei beiden Teams bildeten die NHL-Cracks das Rückgrat – Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg, Christian Ehrhoff sowie Philipp Grubauer bei den Deutschen, Yohann Auvitu, Pierre-Edouard Bellemare und Antoine Roussel bei Frankreich. Roussel ist überhaupt Jahr für Jahr ein interessanter Fall – bei den Dallas Stars ein reiner „Shift Disturber“, bei der WM dagegen meist auch ein offensiver Bringer.

Deutschland-Teamchef Marco Sturm wurde auch nicht müde, die Bedeutung seiner NHLer hervorzuheben und nach Turnierende auf die DEL-Teams und ihre mangelhafte Nachwuchsausbildung hinzuweisen. Diese Klagen hätten natürlich noch mehr Gewicht, wenn er sich auch während der Saison um das deutsche Hockey kümmern und nicht stattdessen die Sonne im fernen Florida genießen würde. Im Gegensatz zu den Senioren-WMs, wo ihm eben die NHLer zur Verfügung stehen, war seine bisherige (Co-)Trainertätigkeit bei den Junioren-Weltmeisterschaften nicht gerade ein Ruhmesblatt. Kein Wunder, dort steht ihm auch nicht der immens wertvolle Co-Trainer Geoff Ward zur Verfügung…

Internationale Hierarchie

Das Ausscheiden von Deutschland und der Schweiz im Viertelfinale bestätigte, dass sich die A-Gruppe schon seit Jahren in drei Teile aufsplittet: Die großen Sechs, danach ein breites Mittelfeld, das sich zwei Viertelfinalplätze ausspielt sowie die Aufsteiger als Gastteams.

Die Weltrangliste weist Kanada, Russland, Schweden, Finnland, die USA und die Tschechische Republik mit großem Abstand (195 Punkte) vor den siebtplatzierten Schweizern aus. Die Eidgenossen und Deutschland haben sich in den letzten Jahren mit ihren Viertelfinaleinzügen jedoch auch etwas (125 Punkte) von Nationen wie Norwegen, Weißrussland (wird immer schwächer), der Slowakei, Lettland, Frankreich und Dänemark abgesetzt.

Seit 2008, als Frankreich den Klassenerhalt schaffte, stiegen 18 Aufsteiger umgehend wieder ab. Die A-WM ist also seitdem ein Turnier mit 14 Teams, an dem zwei jährlich wechselnde Teams teilnehmen dürfen. Das sind im nächsten Jahr Österreich und Korea. Das Team von Roger Bader machte mit dem Sieg in Kiew zwar einen Weltranglistenplätze gut, befindet sich aber nach zwei Jahren Zweitklassigkeit immer noch 290 Punkte hinter den Dänen.

Ein Klassenerhalt der Italiener oder Slowenen (kamen gemeinsam aber nur auf zwei Punkte) wäre für Österreich natürlich viel wert gewesen, hätten sich doch eines dieser Teams in unsere Gruppe wiedergefunden und zumindest einen schlagbaren Gegner abgegeben. Österreich steht vor dem gleichen Dilemma wie alle Aufsteiger der letzten Jahre: Eine Überraschung ist gegen die Gegner der Mittelklasse jederzeit drinnen, aber es geht ja darum, ein Team nach sieben Spielen hinter sich zu lassen. Wie schwer das ist, zeigt das Beispiel Weißrussland: Trotz eines sehr schwachen Turniers machten die Weißrussen gleich sechs Punkte mehr als der Gruppenletzte Slowenien.

Apropos Österreich: Noch steht nicht fest, wo und gegen wen das Team bei der nächsten WM antreten muss. Nach der Weltrangliste lauten die Gruppengegner Russland, Schweden, Tschechien, Schweiz, Weißrussland, Slowakei und Dänemark. Doch das wird nicht so bleiben, denn die Schweden sind fix für Kopenhagen gesetzt, während Dänemark seine Spiele in Herning bestreiten. Sollten Dänemark (14.) und Frankreich (13.) die Plätze tauschen, käme Österreich in die Kopenhagen-Gruppe, was aufgrund der weit besseren Quartiersituation für die Fans einen Segen bedeuten würde. Die Kleinstadt Herning (knapp 40.000 Einwohner) bekam aufgrund der sehr schönen Jyske-Bank-Boxen-Arena (11.000 Plätze) den Zuschlag als Heimstätte für Dänemark. In Kopenhagen wartet mit der erst heuer fertiggestellten Royal-Arena (12.500 Plätze) allerdings ebenfalls eine wunderschöne Halle.

Beute für die NHL-Scouts

Die WM wurde in den letzten Jahren immer wichtiger für die NHL, kann man hier doch noch billige Tiefenspieler finden. Natürlich fixierten sie schon vor dem Turnier einige Verträge, nicht alle diese Abschlüsse wurden bereits bekanntgegeben. Ich erwarte aber in den nächsten Tagen einige Verlautbarungen – so soll der tschechische Defender Radim Simek bereits mit den San Jose Sharks abgeschlossen haben. Weitere Kandidaten für NHL-Spots in der nächsten Saison: Jan Rutta und Jakub Krejcik (Tschechien), Damien Fleury (Frankreich), Dominik Kahun (Deutschland) oder Evgeny Dadonov (Russland).

Natürlich waren diese Spieler den NHL-Teams schon vor dem Turnier bekannt, aber hier hatten die GMs die Chance, die Empfehlungen ihrer europäischen (Pro-)Scouts nochmals zu überprüfen oder selbst neue Spieler zu entdecken.

Eine hysterische Überreaktion wie bei der letzten WM, als der ungarische No-Name-Goalie Adam Vay nach zwei guten Spielen von einigen Teams regelrecht gejagt wurde, war heuer nicht zu beobachten, ein absoluter Nobody ist nicht auf dem Radar der NHL-Scouts aufgetaucht.

Oder doch? Letzten Freitag bekam ich eine E-Mail eines NHL-Teams: „Wer zum Teufel ist dieser Libor Sulak? Was kannst du mir über ihn erzählen?“ Klar, die EBEL wird während der Saison nicht gescoutet und wenn dann ein solcher Name auf einer Kaderliste auftaucht und noch positive Grundeigenschaften – skatet wie der Wind, kann schießen, gute Größe – mitbringt, kommen selbst gutsortierte NHL-Teams in Informationsrückstand.

Die Frage, die sich ein NHL-Team bei einem solchen Spieler stellen muss: „Nehmen wir einen relativ unbekannten Spieler nach sehr wenigen Viewings unter Vertrag oder beobachten ihn wir ihn nächste Saison in Finnland?“ Bei letzterer Variante könnten aber im nächsten Sommer wesentlich mehr Mitstreiter auf den Plan treten.

Bis 15. Juni (eigentliche NHL-Deadline für europäische Spieler unter Vertrag) müssen solche Fragen beantwortet sein. Findet die Traumsaison von Sulak, der es aus Znojmo bis ins tschechische WM-Team schaffte, sogar noch ein Hollywood-Ende?

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