news

Extraliga: Zwischen Erfolg, Kritik & Denkmal Jagr

LAOLA1-Scout Freimüller blickt nach Tschechien: Über Auffälligkeiten, Trends und einen Spieler, der seinen Heiligenstatus zu verlieren droht.

Extraliga: Zwischen Erfolg, Kritik & Denkmal Jagr Foto: © GEPA

Auch die tschechische Extraliga geht in die Endphase des Grunddurchgangs.

Die "Tipsport Extraliga", wie sie ganz offiziell heißt, gehört zu den zehn besten Ligen der Welt. Dort tummeln sich zahlreiche bekannte Namen, allen voran natürlich die (immer wieder noch) spielende Legende Jaromir Jagr

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller blickt auf einige Auffälligkeiten, Trends und einen Spieler, der seinen Heiligenstatus zu verlieren droht:

Alles programmgemäß

Ich kann mich an keine Saison erinnern, die so nach Papierform verlief wie die heurige: Das einzige Team, das gegenüber der Vorsaison einen krassen Leistungsabfall hinnehmen musste, ist Vitkovice als Zwölfte, wobei der vierte Platz der Vorsaison eine Ausnahme war.

An der Tabellenspitze die großen Drei: Pardubice, Sparta Prag und Trinec, die die Liga zuletzt dreimal in Folge gewannen. Kein Wunder bei den eingesetzten Mitteln: Pardubice kann sich nach entbehrungsreichen Jahren unter dem Milliardär Petr Dedek Spitzenkräfte aus der KHL und sogar NHL (Lukas Sedlak, Libor Hajek, Martin Kaut) leisten. Dafür fackelt Dedek auch nicht lange: Trotz der Tabellenführung und einem Vertrag bis 2028 musste der aus Trinec gekommene Coach Vaclav Varada schon wieder gehen, er erwies sich angeblich als zu wenig teamfähig.

Sparta als Hauptstadtklub fand endlich unter Coach Pavel Gross Konstanz, steht seit Saisonbeginn auf einem sicheren Playoff-Platz. Und in Trinec – eine kleine Industriestadt – sorgt die dortige Stahlindustrie für volle Kassen.

Auch am anderen Ende der Tabelle die üblichen Verdächtigen: Mlada Boleslav (die Skoda-Stadt) geht als 13. bald in die Sommerpause, Kladno muss sich zum dritten Mal hintereinander der Relegation gegen den Meister der Chance Liga stellen.

Dazwischen ist bald ein bisschen Glücksspiel angesagt: Sämtliche Teams auf den Plätzen fünf bis zwölf müssen in die Pre-Playoffs (allerdings über fünf Spiele).

Immer mehr neue Hallen

Der wohl größte Unterschied zum kleinen Nachbarn aus der Slowakei: Die Hallensituation. Sparta steht mit der O2-Arena (18.000 Plätze) natürlich klar an der Spitze, aber Trinec, Liberec und Karlovy Vary verfügen auch über moderne, wenn auch kleinere Arenen. Jetzt zeichnen sich auch neue Hallen in Brünn (2026) und Pardubice ab. Pardubice überraschend, denn die dortige Arena ist nach Renovierungen durchaus herzeigenswert, verfügt noch dazu über 10.000 Plätze. Aber Eigentümer Dedek möchte die modernste und umweltfreundlichste Multifunktionshalle Europas mit 15.000 Plätzen bauen, die Stadt gab bereits grünes Licht.

Auch in Olmütz könnte nach drei Jahrzehnten in puncto Hallenbau etwas weitergehen, immerhin steht jetzt ein Baugrund zur Verfügung. Dort wäre eine neue Halle auch dringend notwendig: Die derzeitige Spielstätte ist ziemlich versifft, verfügt nicht einmal über einen Videowürfel, dafür über ein Scoreboard, das noch aus Kommunismus-Zeiten zu stammen scheint.

Für Hallen-Hopper zu empfehlen: Litvinov mit den steilen Tribünen und tollen Sightlines.

Das Niveau der Extraliga

Ähnlich wie in der finnischen Liiga: Bei den Spitzenteams hoch, doch bei den Hinterklässlern überschaubar. Teams wie Trinec oder Pardubice verfügen über drei Blöcke voller Qualität, die Mittelständler vielleicht über drei Defender und sechs Stürmer mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten.

Daher gibt es in der Liga eine große Anzahl an Spielern, die sich von Jahr zu Jahr weiterhangeln, aber ihre jeweiligen Teams höchstens in der Breite verstärken. Das sind auch die Spieler, die ich schon x-mal gesehen habe, mir aber trotzdem schwertue, einen Bericht zu verfassen.

Ebenso schwer ist es, Spieler für die ICE oder DEL zu finden, die Top-Teams haben für mich kaum Belang. Wenn die dann einmal Spieler freisetzen, die ligaintern nicht unterkommen, dann hat das schon gewichtige Gründe, wie das Gastspiel von Stefan Warg (vorher bei Sparta) bei den Vienna Capitals demonstrierte. Die Topleute der Liga verdienen Summen, die höchstens Wechsel in die Schweiz oder Schweden erstrebenswert machen.

Der Extraliga-Durchschnitt hilft dir auch nicht weiter, ganz abgesehen davon, dass sogar dieser gute Gehälter kassiert. Und Legionäre, die vielleicht einen Tapetenwechsel anstreben oder keine neuen Verträge bekommen, sind natürlich gute Gehälter gewöhnt. Insgesamt wechseln daher nur sehr wenige Cracks in deutschsprachige Ligen, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen.

Die Schiedsrichter

Sie stehen natürlich auch in Tschechien in der Kritik, nur: Das gilt für alle Ligen inklusive NHL, ist daher nur bedingt ernst zu nehmen. Die Bosse gehen mit ihnen aber auch relativ hart um, klare Fehler können sogar zu (öffentlich publizierten) Sperren und Geldstrafen führen.

Vor allem im Videobereich gibt es große Unterschiede zur ICE: Mikrophone für die Refs (funktionieren in der ICE allerdings auch nur alle heiligen Zeiten) werden erst jetzt eingeführt, ebenso wie die Überprüfung von großen Strafen.

Umgekehrt gibt es in Tschechien keine Gratis Coaches‘ Challenges wie hierzulande: Forderst du einen Videobeweis, läufst du große Gefahr, dir eine kleine Strafe einzuhandeln. Auch fühlen sich die Extraliga-Refs im Gegensatz zur ICE nicht von jedem reklamierenden Goalie zu einem Bildschirmbeweis gezwungen.

Die Extraliga ist der Meinung (auch das ein großer Unterschied zur ICE), dass die Ticketkäufer in der Halle nicht gegenüber den TV-Zusehern benachteiligt werden sollen. Daher werden auch umstrittene Szenen auf den Videowürfeln gezeigt, was zu pikanten Situationen wie letzte Woche in Pardubice führen kann: Ein Spieler der Heimmannschaft geht abseits des Spielgeschehens zu Boden, das Spiel wird nach einer Weile unterbrochen, aber keine Strafe angezeigt. Die Refs beraten sich, während die Zuseher über den Videowürfeln einen Hohen Stock sehen konnten. Die Schiris konnten diese Bilder aber natürlich nicht zu Rate ziehen, es blieb bei einem "missed call"…

Jaromir Jagr in der Kritik

Auch mit 52 Jahren ist Jaromir Jagr weiter der tschechische Eishockeygott. Sein jährliches Comeback auf dem Eis stieg heuer knapp vor Weihnachten, in den 15 Spielen bisher reichte es aber nur zu vier Assists, bis er sich wieder aus dem Spielbetrieb zurückzog.

Doch nicht seine Leistungen auf dem Eis, sondern die im Büro boten jetzt Anlass zur Kritik bei den Kladno-Fans: Die Organisation dümpelt seit Jahren nur mehr dahin, es geht jetzt zum dritten Mal en suite in die Relegation, der einstmals glorreiche Jugendbereich ist gleichsam am Ende. Deswegen forderten die Fans Antworten von Jagr, der als Klubbesitzer, aber auch inoffizieller Sport Manager für den Zustand der Organisation verantwortlich ist. Nach 17 (!) Niederlagen hintereinander hatten die Fans die Faxen endgültig dicke, zuletzt kamen nur mehr knapp 1000 Fans zu den Heimspielen dieser Woche.

Kritik an Jagr? Das hätte vor kurzem noch an Häresie gegrenzt, doch auch Eishockey-Denkmäler können eines Tages gekippt werden…


Kommentare