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Das macht aktuell Tschechiens Extraliga aus

Zwei Altmeister ziehen Fans in Hallen, zwei Youngsters sind heiße Picks im NHL-Draft:

Das macht aktuell Tschechiens Extraliga aus Foto: © GEPA

Die tschechische Extraliga hat für jeden Eishockey-Fanatiker etwas zu bieten.

Ehemalige NHL-Granden wie Jaromir Jagr oder David Krejci geben sich in der Heimat die Klinke in die Hand, die Youngsters David Jiricek und Jiri Kulich schicken sich an, im kommenden NHL-Draft eine gewichtige Rolle zu spielen.

Auch LAOLA1-Scout Bernd Freimüller ist oftmals im nördlichen Nachbarland zugegen und schaut den Cracks genau auf die Kufen. Er wirft wieder einmal einen Blick über die Grenzen und erklärt in seinem Reisebericht, was sich in der tschechischen Extraliga tut:

Ich habe 26 Spieltage gebraucht, um alle 15 Teams zumindest einmal zu sehen. Im Gegensatz zur slowakischen Liga, die sich strikt an die Spieltage Freitag-Sonntag (bis eingestreuten Dienstagen) hält, finden hier Spiele an fast allen Wochentagen statt, längere Roadtrips sind dadurch kein Problem. Was sind die Besonderheiten dieser Saison?

15 Teams

Kladno stieg in die Topklasse auf, der Tabellenletzte Ceske Budejovice durfte durch die Sistierung des Abstiegs bleiben, daher spielen heuer 15 Teams mit. Der Letzte steigt automatisch in die Chance Liga (= 2. Spielklasse) ab, der Vorletzte müsste in eine Relegation, so der Chance-Liga-Sieger eine Lizenz bekommt.

Wie in der letzten Saison sind wieder nur die ersten vier Teams fix für die Playoffs qualifiziert, die Plätze fünf bis zwölf spielen sich vier weitere Teilnehmer aus. 56 Spieltage stehen an, deshalb ist auch für eine Olympiapause keine Zeit, die Liga spielt parallel zum Nationalteam durch.

Es sieht schon seit Saisonbeginn danach aus, als ob die beiden letzten Tabellenplätze bereits früh vergeben werden. Der Traditionsverein aus Zlin steht mit 20 Punkten aus 30 Spielen einsam und verlassen am Tabellenende, ihr Lineup ähnelt eher dem eines durchschnittlichen Chance-Liga-Teams. 5 Punkte vor ihnen, aber 10 Zähler hinter dem Feld – Aufsteiger Kladno.

"Kladno Canadians"

Die Truppe von Jaromir Jagr, der als Präsident, General Manager, De-Facto-Coach und Spieler agiert, handelte sich vor Saisonbeginn schon einige hämische Kommentare ein. Gleich sieben neue Cracks kamen aus Nordamerika, dazu mit Jeff Paul noch ein kanadischer Co-Trainer.

Überzeugen konnte mich keiner dieser Gastarbeiter, mit Defender Hakon Nilsen und Daniel Ciampini (lange mit Knieverletzung out, jetzt in Bozen) verließen auch schon zwei von ihnen wieder Kladno. Was neben den mangelnden Leistungen der Gastarbeiter und dem fortgeschrittenen Alter von Jagr (wird im Februar 50) und Tomas Plekanec (39) die Sache nicht leichter macht: Durch die Renovierung der eigenen Halle müssen die Ritter alle Spiele im 75 Kilometer entfernten Chomutov austragen – eine Distanz, die nicht allzu viele Fans auf sich nehmen. Die derzeit gültige Zuschauerbeschränkung auf 1.000 trifft sie daher am wenigsten von allen Teams.

Zuschauerzahlen

Auch schon vor dieser Einschränkung gingen die Zuseherzahlen stark zurück, einzig Pardubice, Ceske Budejovice und Olomouc hatten ähnliche oder gar bessere Zahlen als vor der Pandemie. Olmütz kann auch das neben Jagr größte Zugpferd der Liga anbieten – Center David Krejci kehrte mit 35 Jahren aus der NHL in seine Heimatstadt zurück, verzichtete dabei auf die logische Zwischenstation in der KHL oder Top-Teams aus anderen Ligen.

Bezeichnend für den Zuschauerrückgang steht Kometa Brno, quasi mein Heimteam: Mit 7.700 Fans früher fast immer ausverkauft, fehlten jetzt meist 2.000 Zuschauer auf diese Marke. Die 3G-Regeln halten doch viele Leute ab, die Maskenpflicht in den Hallen besteht allerdings nur auf dem Papier. Die meisten Fans zog wieder einmal Jagr an: Das Gastspiel von Kladno in Prag wollten 14.000 Fans sehen.

Bekannte Namen

Erstrunden-Draftkandidat David Jiricek bei der letzten U20-WM
Foto: © getty

Neben Ciampini aus der EBEL bzw. ICE gut bekannt: Jeremie Blain bei Hradec Kralove (verlängerte gerade seinen Vertrag um zwei Jahre), Rob Flick (Vitkovice), Peter Mueller (Brno), Anthony Camara und Dennis Robertson (beide Pardubice) sowie natürlich etliche Ex-Znjomo-Cracks.

Robertson ist ein gutes Beispiel für die Unterschiede zwischen der Extraliga und der ICE: Hierzulande schien er seine Gegner durchwegs um einen Kopf zu überragen, wirkte eigentlich gigantisch. Wenn er einen Zweikampf an der Bande gewann und Richtung gegnerisches Tor zog, hätte nur noch das musikalische Leitmotiv aus "Der weiße Haie" gefehlt, um den Gegner Angst und Schrecken einzujagen.

Natürlich ist der 30-jährige Defender auch nach dem Grenzübertritt nicht geschrumpft, aber hier ist er lediglich ein großer Spieler von vielen. Fast alle Teams leisten sich an der blauen Linie mehrere "Redwoods", während der typische österreichische Defender gefühlte 1,78 Meter misst. Auch wenn das spielerische Niveau immer mehr ausgedünnt wurde (15 Teams sind um einige zu viel) – die Extraliga gehört mittlerweile zu den körperlich größten Ligen Europas.

Was auch auffällt: Wenn es um ausländische Defender geht, steht der Faktor "Rechtsschütze" ganz oben auf der Wunschliste der Teams. Egal ob die drei Kladno-Legionäre, Aaron Irving (Litvinov), Graeme McCormack (Hradec Kralove) oder T. J. Melancon (Liberec) – so unterschiedlich ihr Leistungsniveau und ihre Stärken auch sein mögen, als Rechtschützen füllen sie eine Lücke, die durch den tschechischen Markt offenbar nicht gedeckt werden kann. Trotz der Corona-bedingten finanziellen Zwänge: Einige Vertragssummen, die ich auch abseits der Liga-Krösusse Trinec oder Sparta Praha für in- und ausländische Cracks gehört haben, verursachten bei mir Knieschlackern. Wir sprechen da von Summen um die 90.000 Euro…

NHL-Scouting

Es gab Saisonen, wo sowohl die tschechische als auch die slowakische Extraliga NHL-Scouts nichts anbot. Heuer liefern sich die beiden Ligen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wenn es um Prospects für den nächsten Draft geht. Simon Nemec (Nitra) und Flügel Filip Mesar (Poprad) sind die slowakischen Kandidaten für einen Erst-Runden-Platz. In Tschechien findet man NHL-Scouts fast nur bei den Spielen von Plzen (David Jiricek) und Karlovy Vary (Center Jiri Kulich).

Vor allem ein Vergleich zwischen den beiden Defendern Nemeth und Jiricek ist reizvoll: Der Slowake besticht mit großem Aktionsradius und überragendem Hockey Sense, Jiricek (der einzige späte 03er in dieser Aufzählung) eher mit Wucht und einem harten Schuss. Beide steuern auf einen Top-10-Platz zu, ich traue mich aber nicht vorauszusagen, wer am Ende die Nase vorne hat.


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