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Dieser EBEL-Crack ist besser, als viele wissen

Bernd Freimüller nimmt Riley Holzapfel unter die Lupe. Warum der Center besser ist, als viele glauben:

Dieser EBEL-Crack ist besser, als viele wissen

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Spiel 100 meiner heurigen Scouting-Saison - Grund mir zum Jubiläum einen Luxus zu leisten: Konzentration auf lediglich einen Spieler – Caps-Center Riley Holzapfel.

Das Spiel zwischen den Vienna Capitals und Znojmo gab für mich eigentlich nicht viel her – beide sind meine „Heimteams“ in der EBEL und ich sehe sie pro Saison an die 15 Mal. Ideale Gelegenheit, einmal nur einen Spieler genauer unter die Lupe zu nehmen: Caps-Center Riley Holzapfel, von dem seine Coaches stets schwärmen, der von den Fans bzw. den Medien allerdings kaum gefeiert wird.

Die EBEL-Stats – wie immer auf eigene Gefahr zu verwenden – weisen den 28-Jährigen mit zehn Toren und 18 Assists als Caps-Topscorer auf. Ligaweit liegt er damit an fünfter Stelle, punktegleich mit EBEL-Stars wie John Hughes und Dan DaSilva. Trotzdem fliegt er etwas unter dem Radar, auch wenn ihm seine Coaches wie Serge Aubin oder Per Hänberg (Karlskrona) in höchsten Tönen loben. Aubin schaffte es, Holzapfel im Sommer trotz guten Angeboten aus der DEL (Iserlohn, Krefeld) nach Wien zu lotsen, nach einer eher unauffälligen Pre-Season ist er aber seit dem ersten EBEL-Spiel eine Stütze der Wiener. Was sind seine Stärken und Schwächen?

Spielt in allen Situationen

PP, PK, OLM, DLM – was versteckt sich hinter diesen Scouting-Kürzeln? Powerplay und Penalty Killing sind klar, OLM und DLM, stehen für Leute, die in der Schlussphase bei einem knappen Rückstand (Offensive Last Minute) bzw. einer knappen Führung (Defensive Last Minute) eingesetzt werden. Gegen Znojmo war Letzteres gefragt, Holzapfel stand nach dem Anschlusstreffer der Gäste die letzten 60 Sekunden auf dem Eis. Das wäre bei einem Ein-Tore-Rückstand sicher nicht anders gewesen.

Im Powerplay gehört er zu den Top-Leuten von Aubin –als im letzten Drittel eine 5:4-Überlegenheit zu einem 5:3 wurde, stand er 96 Sekunden am Stück (der längste Shift seines Abends) auf der Platte, bis Defender Ryan McKiernan das 2:1 erzielte.

Interessant vor allem seine PP-Positionierung: Holzapfel beginnt bei Faceoffs im Angriffsdrittel gerne am „left point“, wandert dann von der linken Seite der blauen Linie zur rechten Seitenbande. Das ist eigentlich seine Stammposition in Überlegenheit – als Linksschütze kann er von dort (seiner Off Side) sowohl die Scheibe zirkulieren als auch seinen harten, ansatzlosen Schuss anbringen. Aber Holzapfel ist kein stationärer Spieler, hält seine Beine stets in Bewegung und ist damit im PP sowohl Richtung blaue Linie als auch in der Ecke eine Option.

In Unterlegenheit gehört der Center ebenso zu den Top-Leuten der Caps, bei einem entscheidenden 3:5 wäre aber sicher Spezialist Kelsey Tessier vor ihm gereiht. Holzapfels Stärken im PK: Ein aktiver Stock, die Beinarbeit sowie ein gutes Positionsspiel.

Stets unterwegs, aber mit Maß und Ziel

Holzapfel ist kein Spieler, der wie Speedy Gonzales quer übers Eis fegt. Er kommt aber fast nie zum Stillstand, dreht sich in alle Richtungen gut und schnell und ist im Gegensatz zu vielen EBEL-Cracks kein „Game Watcher“. Er bietet sich stets als Passoption an, hält sich selten und dann nur kurz im toten Winkel für die Mitspieler auf, ist auch nach gelungenen Pässen weiter in Bewegung und folgt dem Spiel. Weder ein reiner Defensivcenter, der sich nur knapp vor den Verteidigern aufhält noch ein „Cherry-Picker“, der die eigene Zone vor der Scheibe verlässt. Holzapfel hat einfach ein gutes Gefühl für die Spielentwicklung.

Sein bester Freund...

... ist der „moving puck“, also der Puck, der sich stets bewegt. Holzapfel hat die Scheibe oft nur kurz am Stock, „he likes to advance the puck“ sagt man zu so einem Spieler. Er spielt die Scheibe schnell weiter, meistens nach vorne, oft auch in Räume, wo seine Mitspieler noch nicht sind, aber in Kürze hinkommen. Wie alle guten Spieler macht ihn die Scheibe nicht langsamer, er weiß auch meist schon vor der Puckannahme, wo sie in weiterer Folge hingehört.

Holzapfel ist kein Spieler, der mit der Scheibe mehrere Spieler überspielt. Daher kommt auch sein Flug unter dem Radar der Medien und Fans. Dort sind neben reinen Goalgettern Spieler beliebt, die versuchen, die gegnerische Abwehrreihe alleine zu bezwingen. Subtile Sachen – Holzapfel zurrt in Bandenkämpfen oft seinen Gegenspieler fest, poked den Puck mit den Schlittschuhen frei und spielt ihn schnell an freie Mitspieler weiter – gehen da unter. Sein Stock ist auch meist auf Eishöhe, was schnelle Annahmen und Zuspiele natürlich erleichtert.


Kein Ego

Welch ein Unterschied: Ex-Caps Publikumsliebling Ben Gratton fand Shifts unter 90 Sekunden gar nicht seiner Anstrengung wert, verbrachte allerdings mindestens die Hälfte dieser Zeit dazu, seinen eigenen Positionsfehlern und sinnentleerten Forechecks mit hochrotem Kopf nachzufahren. In Holzapfels Arbeitsprotokoll von vorgestern finden sich bei knapp 20 Minuten Shifts von 20 – 60 Sekunden. Einzig der eingangs angesprochene längere Auftritt im PP sticht hier heraus. Geht einmal ein Einsatz ohne größere Auf und Abs, vielleicht sogar ohne Puckberührung, nach 30 Sekunden zu Ende – kein Problem, runter vom Eis, Platz gemacht für den nächsten Spieler.

Platz schaffen, aber kein „Aggressive Leader“

Holzapfel ist von Haus aus kein besonders aggressiver oder physischer Spieler. Ich habe nur im zweiten Drittel einen härteren Check gesehen, der ihm dann auch etwas die Luft nahm. Der Kanadier setzt seine knapp 90 Kilo aber sehr gut in den Zweikämpfen ein, steht sehr stabil auf den Eisen und geht daher kaum zu Boden. Er wird weder eingeschüchtert noch jagt er Gegnern Angst ein, kassiert kaum Strafminuten, schafft aber mit seinem guten Zweikampfverhalten bzw. Positionsspiel Platz für seine Mitspieler. Als „Aggressive Leader“ taugt er nicht, daher kann er an manchen Tagen auch etwas unscheinbar daherkommen.

Das Spiel im Face-off-Circle...

... ist ohne Frage ausbaufähig. Ich kann mich an kaum ein gewonnenes Face-off erinnern. Allerdings bestritt der etatmäßige Center auch nicht sehr viele – Aubin möchte vor allem auf der rechten Seite Rechtshänder beim Bully haben, so übernimmt hier meist Jon Ferland und das mit durchaus gutem Erfolg. Das führt dazu, dass Holzapfel dann auch oft in der Position als linker Flügel verbleibt, die letzten 60 Sekunden des Spiels etwa verbrachte er entlang der linken Seitenbande, während Ferland die Mitte des Eises absicherte. Ähnliches gilt auch für das Pärchen Sharp-Tessier, Letzterer bestreitet die Mehrzahl der Face-offs. Kein Affront gegen den Kanadier also, aber hier ist seine Arbeit sicher noch ausbaufähig.

Holzapfel kann – obwohl eigentlich ein Center – auch am linken Flügel spielten, Aubin experimentierte mit dieser Variation auch in der Vorbereitung. Seine Erfahrung auf dieser Position hilft ihm dann auch in Situation wie der eben angeführten.

Gesamturteil

Ich war vor der Saison der Meinung, dass Holzapfel in der SHL oder in der DEL besser aufgehoben wäre. Wie erwartet entgehen die subtilen Stärken seines Spiels vielen und er rangiert in der öffentlichen Wahrnehmung irgendwie unter „ferner liefen“. Wenn er nicht trifft (sein Schuss - hart, genau und ansatzlos – funktioniert derzeit nicht ganz so wie zu Saisonbeginn), wird sein Name kaum erwähnt. Wenn ich wie vor kurzem einen Vergleich mit Brian Lebler höre, weiß ich, dass Holzapfels Spiel überhaupt nicht eingeschätzt werden kann – beide Spieler könnten bis auf ihre Schussstärke unterschiedlicher nicht sein.

Die Caps und vor allem Serge Aubin wissen aber, was sie an ihm haben, ein Ausfall würde ein riesiges Loch ins Line-up reißen.

Holzapfel ist ein ausgezeichneter, vielleicht nicht ganz überragender EBEL-Center, der gerade bei einem schnellen Team wie den Caps, das die Scheibe gerne laufen lässt, gut zur Geltung kommt. Ob er ein schwächeres Team alleine auf eine höhere Stufe heben könnte, bezweifle ich aber...

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