Der Weg zurück ist (fast) immer ein sehr steiniger - das muss derzeit auch Jürgen Melzer feststellen.
Nach seinen anhaltenden Schulterbeschwerden entschied sich der Routinier Ende der vergangenen Saison zu einer Operation, die Abhilfe schaffen sollte.
Seit August des Vorjahres hat die ehemalige Nummer acht der Tennis-Welt auf der ATP-Tour kein Match mehr bestreiten können.
Doch mit dem seit Sonntag 35-Jährigen geht es bergauf. Der Plan für das Comeback steht. Bereits in zwei Wochen will er ab 6. Juni auf Sizilien beim Challenger-Turnier in Caltanissetta wieder im Profi-Geschäft eingreifen.
"Fühlt sich wieder ganz gut an"
"Es fühlt sich alles wieder ganz gut an", erklärt Melzer im Gespräch mit LAOLA1. "Wenn es in den nächsten beiden Wochen keinen Rückschlag geben sollte, steht meiner Rückkehr nichts mehr im Wege."
Trainieren könne er wieder ganz normal und auch Überkopf-Bewegungen sind bereits wieder möglich. "Beim Aufschlag bin ich etwa bei 70 Prozent", schätzt der fünffache ATP-Titelträger, der sich in den letzten Wochen unter anderem im Fußball versuchte – LAOLA1 berichtete:
Start in Wimbledon möglich
Sollte beim Comeback alles nach Wunsch bzw. schmerzfrei verlaufen, könnte sich sogar noch ein Start in Wimbledon ausgehen. Für den Routinier wäre es ein besonders Erlebnis, hat er im Rasen-Mekka doch schon drei Mal den Titel holen können - 1999 bei den Junioren, 2010 im Doppel- und 2011 im Mixed-Bewerb.
"Ich hoffe, dass ich in Wimbledon spielen kann", so Melzer, der auch für ein Antreten im Davis Cup bereit stehen würde. Vom 15. bis 17. Juli gastiert Österreich in der zweiten Runde der Europa/Afrika-Zone I in der Ukraine auf Hartplatz.
Nach Wimbledon steht der Fokus mit Sicherheit auf weiteren Sandplatz-Turnieren. Vor allem ein Start beim Heimtrunier in Kitzbühel würde sich anbieten. Danach bleiben ihm bis zu den US Open mit einem Protected Ranking von 130 Starts bei Challenger-Events nicht erspart.
Weitere Zukunft wird sich im Sommer entscheiden
In dieser Zeit, wird sich wohl auch schon die weitere Zukunft von Jürgen Melzer entscheiden. Viel hängt davon ab, wie der Körper den operativen Eingriff in diesem Alter wegsteckt und ob sich weiterhin alles so anfühlt wie zu seiner besten Zeit als Profi.
"Es wird schon viel davon abhängen, wie die Schulter funktioniert, wie schnell sie noch ist. Man hört oft nach solchen Operationen, dass die Bewegung ein bisschen eingeschränkt und nicht mehr ganz so zügig ist, wie sie mal war."
"Ich möchte mir zumindest die Chance geben"
In diesem Zusammenhang stellt Melzer auch klar, dass die kommenden Monate für ihn persönlich eine Art Gradmesser werden, ob eine Fortsetzung seiner Karriere überhaupt noch Sinn macht oder nicht.
Nach dem erneuten Verletzungspech kam ihm die "Tennis-Pension" natürlich in den Sinn, vor allem angesichts seines Alters. Aber genau deshalb will er sich diese Frage mit dem Comeback-Versuch beantworten.
"Ich weiß nicht, wo mein Level danach sein wird. Ich kann zwar sagen, dass ich konditionell auf einem guten Weg bin, Kraft in den Beinen habe – besser vielleicht als vor zwei, drei Jahren. Aber wie es spielerisch ausschauen wird, wenn man fast ein Jahr pausiert hat, weiß man nicht", gibt sich Melzer nachdenklich.
"Da ist schon ein Fragezeichen da. Aber ich möchte mir zumindest die Chance geben, um zu sagen: Reicht es noch oder reicht es nicht mehr. Ich glaube schon, dass man sonst in ein paar Jahren dasitzt und sich fragt, warum man es nicht probiert hat."
"…oder ob ich leise Servus sage"
Die nötige Zeit zum Reinkommen wird er sich definitiv geben, denn in den ersten zwei, drei Monaten Challenger-Titel einzufahren, wird es nach eigenem Ermessen "nicht spielen".
"Dafür habe ich aber die nötige Routine und Selbsteinschätzung, um zu wissen, ob ich mir das noch antue, ob ich die Möglichkeit habe, mich wirklich noch einmal nach oben zu spielen, oder ob ich eine gute Karriere gehabt habe und leise Servus sage."
Auf seine mögliche Rückkehr freut er sich riesig, trotzdem ist er ehrlich genug zu sich selbst, um zu behaupten: "Dass ich eineinhalb oder zwei Jahre Challenger spielen muss, kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Ich glaube, das hat man dann nicht mehr notwendig. Ich hoffe aber schon, dass ich mich wieder zurückspielen kann."
Denn der Sport, seine große Leidenschaft, würde ihm definitiv abgehen. "Klar, mir fehlt der Sport und es macht mir extrem Spaß, auch wenn ich nur auf einen depperten Softball draufhaue", lacht Melzer.
Seine Mentalität verrät jedoch, dass er es unbedingt noch einmal wissen will, um sich selbst etwas zu beweisen. Auch wenn der Weg zurück ein sehr steiniger ist.
Alexander Karper/Christian Frühwald