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Bernhard Raimanns wilder Weg zum NFL-Draft

Ein "Griss" um Österreichs NFL-Hoffnung! So liefen die letzten Wochen:

Bernhard Raimanns wilder Weg zum NFL-Draft Foto: © getty

Bernhard Raimann wirkt entspannt.

Nicht wie ein junger Mann, der in einer Woche Sportgeschichte schreiben und als erster Österreicher über den NFL-Draft Einzug in die größte, beste und wichtigste Football-Liga der Welt halten wird.

Das noch dazu hoch eingeschätzt, als potenzieller Erstrunden-Pick.

Vor allem wirkt der 24-Jährige nicht, als wäre er in den letzten Wochen quer durch die USA gejettet. Um Vorstellungsgespräch nach Vorstellungsgespräch, Combine, Trainings, Teambesuche und dergleichen hinter sich zu bringen.

Selbst eine Woche vor dem bisher wichtigsten Moment seiner Karriere ist die Tatsache, dass er seine Eltern an diesem Wochenende - pandemiebedingt - zum ersten Mal seit 2019 wiedersieht, aufregender für Raimann als der Rummel um seine Person. Er wird ihnen viel zu erzählen haben.

Flugmeilen sind der unangenehme Teil

Anfang Februar schloss der Burgenländer mit Wiener Wurzeln seine College-Karriere mit der Senior Bowl, quasi dem "All-Star-Spiel", ab. Ausruhen war danach nicht drin. Bis jetzt.

Zuhause in Michigan, wo er in Mount Pleasant die letzten vier Jahre für die Central Michigan University spielte, wartet Raimann nun auf den Startschuss zum großen Kapitel NFL.

"Es ist eine Mischung aus Stress und Freude auf die Dinge, die jetzt passieren werden", beschreibt er den Gemütszustand. "Ich trainiere zwar noch, aber das Rundherum ist schon wesentlich gemütlicher geworden."

"Der Draft ist nur ein Mittel zum Zweck. Das versuche ich mir bewusst zu machen: Es geht nicht darum, wohin ich gedraftet werde. Es geht auch danach weiter mit den Trainings, muss ich mich auch danach erst beim Team beweisen."

Das lässt sich von den letzten Monaten nicht behaupten. Vor der Senior Bowl war Training in Kalifornien angesagt, danach die Vorbereitung auf die Combine Anfang März, die Combine selbst, zurück nach Kalifornien, wieder Michigan - und Interviews, Interviews, Interviews.

Mit allen 32 NFL-Teams ist Raimann dadurch schon auf die eine oder andere Weise in Berührung gekommen, bei einigen durfte er sich auch vor Ort vorstellen und einen Eindruck gewinnen.

"Es war voll aufregend, auf der anderen Seite bin ich kein Fan vom Fliegen. Das ist nicht angenehm für die Knie, wenn man ohnehin größer ist als der Normalmensch. Und dann musst du bei den Events deine beste Performance abliefern", gibt es angenehmere Seiten des Footballer-Lebens.

Von den Scouts durchleuchtet

Die Leistung dürfte aber gestimmt haben. Bei der Combine, dem "Schaulauf" aller NFL-Anwärter, beeindruckte er mit seinen athletischen Werten (HIER nachlesen>>>). Die Einschätzung als später Erstrunden-Pick hat weiterhin Bestand.

Raimann beim Combine
Foto: © GEPA

Das Feedback der Coaches war gut, sagt Raimann. Im Umgang mit den Verantwortlichen wurde er zuletzt fast besser trainiert, als in Sachen Physis.

"Die Interviews haben schon bei der Senior Bowl begonnen. Wie viele es waren, ist schwierig zu sagen", ist der Überblick längst flöten gegangen.

"Du hast am Anfang Gespräche mit den Scouts aller Teams, das läuft immer gleich ab. Die wollen deine gesamte Football-Geschichte, den Familienhintergrund und alles kennen. Die haben sich echt für mich interessiert!"

Zwischen Witzen und Business

Näher zur Combine hin wurde der Besuch höher: Coaches, General Manager und sogar Teambesitzer fühlten Raimann auf den Zahn. Die Interviews wurden herausfordernder.

"Sie bringen dir Spielzüge bei, die musst du wiedergeben und erklären. Auch eigene wurden noch einmal gezeigt, und ich musste beschreiben, was ich richtig und falsch gemacht habe, ebenso wie die anderen Spieler. Sie versuchen herauszufinden, wie involviert man ist", beschreibt Raimann.

"Mein Agent arbeitet seit 20 Jahren in diesem Business und betreute auch viele Erstrunden-Draftpicks. Aber er wurde in seinem Leben noch nie von so vielen Medienanfragen überflutet."

Allein an Offensive-Line-Coaches, den positionsspezifischen Betreuern, haben "20 bis 25" ihre Fühler bereits nach dem Burgenländer ausgestreckt. So ist der Name Raimann schon vor dem Draft wohlbekannt.

"Man baut da wirklich Beziehungen auf. Mit manchen läuft das auf einer freundschaftlichen Ebene, man reißt Witze, lacht miteinander. Mit anderen ist es eher eine 'Business Relationship'. Der O-Line-Coach der Cincinnati Bengals hat in meinem ersten Jahr in Central Michigan gecoacht. Da gab es auf privater Ebene mehr zu plaudern", verrät Österreichs NFL-Hoffnung.

Draft "ein Mittel zum Zweck"

Welche Teams er sogar schon besuchte, verrät Raimann auf Anraten seines Agenten nicht. Ebensowenig wie die Stationen, von denen es schon definitive Absagen mangels Bedarf auf seiner Position des Offensive Tackles gab.

Wo genau er landet, spielt für ihn ohnehin eine untergeordnete Rolle.

"Natürlich arbeitet man darauf hin, so früh wie möglich gedraftet zu werden, um sich selbst zu beweisen. Trotzdem ist der Draft nur ein Mittel zum Zweck. Das versuche ich mir bewusst zu machen: Es geht nicht darum, wohin ich gedraftet werde. Es geht auch danach weiter mit den Trainings, muss ich mich auch danach erst beim Team beweisen. Darum mache ich mir da nicht so viele Gedanken."

Was am Draft Day passiert, sei ohnehin schwer vorherzusagen: "Ich habe da nicht mehr Informationen als alle anderen, werde vor dem Fernseher sitzen und das Beste hoffen."

Ein Rummel wie noch nie

Klar ist nur: Der Draft wird ein erster Meilenstein, nicht mehr und nicht weniger.

"Ich habe nicht so viel Erfahrung als O-Liner wie andere Spieler im Draft, aber in den letzten zwei Jahren alles gegeben. Die Coaches haben das gesehen, und auch das Potenzial, dass ich mich noch weiterentwickeln könnte", ist Raimann überzeugt.

Und sein Weg wird genauestens beobachtet werden. Egal, in welchem Trikot der 2,04 Meter große und knapp 130 Kilo schwere Burgenländer am Ende stecken wird.

"Mein Agent arbeitet seit 20 Jahren in diesem Business und betreute auch viele Erstrunden-Draftpicks. Aber er wurde in seinem Leben noch nie von so vielen Medienanfragen überflutet. Das war für alle ein bisschen überwältigend", kann sich der 24-Jährige der Bedeutung des Drafts für den Sport in Österreich nicht entziehen.

Darum wird es in einigen Tagen mit dem entspannten Gemüt definitiv vorbei sein. "Ich bezweifle, dass ich eine ruhige Minute finden werde! Wenn der Draft Day im Fernsehen anfängt, bin ich sicher wesentlich angespannter als jetzt."

Mit ihm eine ganze Football-Nation, die wohl schon länger auf diesen Moment wartet, als sogar Raimann selbst.

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