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Aus zwei mach drei

Aus zwei mach drei! Eine Analyse der angekündigten Personalrochade bei Sturm Graz.

Aus zwei mach drei

Sturm holt einen neuen Sportchef und wird zukünftig offenbar drei Geschäftsführer haben. Wie das in der Praxis laufen soll, ist noch nicht geklärt.

In der Länderspielpause sei SK-Sturm-General-Manager Gerhard Goldbrich also mit dem Anliegen an das Präsidium herangetreten, die sportlichen Agenden nicht mehr weiter betreuen zu müssen. Präsident Christian Jauk und seine Kollegen hatten Verständnis und nahmen diese Last von seinen Schultern. Eine Last, von der Goldbrich in den letzten Wochen trotz mehrfacher Nachfrage nichts wissen wollte. Ein neuer Sportdirektor werde jedenfalls nun bis Saisonende gesucht. Wiewohl die grundsätzliche Entscheidung einen „Geschäftsführer Sport“ zu verpflichten, der sich ausschließlich um diesen Bereich kümmert, wahrscheinlich eine gute ist, stellen sich zu dieser jüngsten Entwicklung bei den Schwarz-Weißen einige Fragen.

Die erste ist: Hat schon jemals ein Entscheidungsträger einen Großteil seiner Kompetenzen freiwillig abgegeben? „Mindestens zwei Drittel beträgt der Zeitaufwand für die sportlichen Dinge“, hat Goldbrich im LAOLA1-Interview im Februar erklärt. Es ist eine schöne Geschichte mit dem Versuch das Gesicht des operativen Chefs zu wahren, aber erzählen können die Protagonisten den freiwilligen Rückzug ihren Großmüttern. Christian Jauk war nach anhaltendem Misserfolg und Fankritik mehr oder weniger zu einer Handlung gezwungen. Da Trainer rausschmeißen zu teuer ist, hat man dem „Universalmanager“ die sportlichen Agenden genommen.

"Wer den Sturm-Präsidenten ein bisschen kennt, weiß auch, dass ihm die Achse Foda-Goldbrich-Grazer Zeitungen zu stark geworden ist."

Jürgen Pucher

Wer den Sturm-Präsidenten ein bisschen kennt, weiß auch, dass ihm die Achse „Foda-Goldbrich-Grazer Zeitungen“ zu stark geworden ist und er sich da einer ziemlichen Front gegenüber gesehen hat, die ihm zunehmend ein Dorn im Auge geworden ist. Gleichzeitig gibt es eine Goldbrich-Lobby im Präsidium und Christian Jauk getraut sich deshalb nicht, seinen gut vernetzten Geschäftsführer ganz vor die Tür zu setzen. Heraus kommt dann aus dieser Gemengelage „die freiwillige Abgabe der sportlichen Alleinverantwortung“. Was zur nächsten Frage führt:

Was heißt „Abgeben der sportlichen Alleinverantwortung“? Muss der neue Sportchef alles von Goldbrich absegnen lassen? Bleiben gewisse Bereiche im Portfolio des General Managers, der Goldbrich ja weiterhin bleiben wird? Beides wäre in höchstem Maße schwachsinnig, weil es keines der Probleme lösen würde. Sinnvoll ausgefüllt kann diese Position nur dann werden, wenn dem neuen Mann die Rahmenbedingungen gegeben werden, die sportlichen Agenden vom Profibetrieb bis zu den Nachwuchsmannschaften ganzheitlich und eigenverantwortlich abzuwickeln. Ansonsten ist der neue Sportdirektor von Tag eins an eine Marionette, die zwischen dem Trainer und dem General Manager hin und her baumelt, und es ändert sich gar nichts außer eines Anstiegs der laufenden Gehaltskosten.

Präsident Christian Jauk hat in seiner Videobotschaft zu dieser Entscheidung außerdem angekündigt, man würde nun zur ursprünglich geplanten Pyramiden-Struktur von 2013 zurückkehren, mit einem General Manager und je einem Geschäftsführer Sport und Wirtschaft. Der Sturm-Boss vergisst dabei, dass die ganz ursprüngliche Struktur von 2012 zwei Geschäftsführer, die im Vieraugenprinzip entscheiden, ohne Häuptling darüber, vorgesehen hat. Goldbrich gibt laut Eigendefinition zwei Drittel seiner Aufgaben ab, zugleich ist mit Daniela Friedl eine wirtschaftliche Geschäftsführerin für die Bereiche Finanzen, Marketing und Sponsoring im Klub tätig - genau jene Bereiche, die laut Jauk in der Verantwortung des „Generals“ bleiben sollen. Die Frage: „Ist da nicht eine Person zu viel am Werk?“, drängt sich ja nahezu auf.

"Es deutet alles darauf hin, dass man sich nicht drüber hinwegtraut, Goldbrich ganz zu degradieren oder überhaupt zu entlassen und sich lieber eine Doppelbesetzung des Bereiches Wirtschaft leistet. In der Politik nennt man sowas Versorgungsposten."

Jürgen Pucher

Wozu braucht eine operative Einheit der Größenordnung des SK Sturm drei Geschäftsführer? Man wird sich ja außerdem das (sehr plausible) Vieraugen-Konzept damals nicht zufällig ausgedacht haben. Es deutet alles darauf hin, dass man sich nicht drüber hinwegtraut, Goldbrich ganz zu degradieren oder überhaupt zu entlassen und sich lieber eine Doppelbesetzung des Bereiches Wirtschaft leistet. In der Politik nennt man sowas Versorgungsposten, um eine gewisse Klientel nicht zu vergrätzen. Dabei könnte man das Geld so gut für einen Kommunikationsleiter und Pressechef, der diesen Namen auch verdient, gebrauchen. Die Pannendichte in diesem Bereich (Foda-Reise nach Frankfurt, viele Aussagen des Trainers nach dem Spiel, die jüngste Aussendung „Appell an den großen Sturmgeist“ etc.) würde vielleicht ein bisschen kleiner werden.

Die Fangruppen des SK Sturm, die mittlerweile sogar den aktiven Support im Stadion eingestellt haben, begrüßen in einer Aussendung zwar die Entscheidung, einen Sportdirektor zu verpflichten, sehen die Maßnahme aber ebenso nur als ersten von vielen notwendigen Schritten. Ohne jetzt im Detail diskutieren zu wollen, ob die Supportverweigerung eine besonders sinnvolle Aktion ist oder nicht, eines ist klar: Es hat noch keinem Verein geholfen, wenn das Verhältnis Klubführung/Mannschaft und Fans zerrüttet war. Weder sportlich noch wirtschaftlich. Es liegt der Ball hier bei den Sturm-Verantwortlichen, auf den Anhang zuzugehen, ob sie wollen oder nicht.

Vielleicht kann ja der General Manager seine neu gewonnenen Zeit-Ressourcen dafür verwenden, das zerschlagene Porzellan einzusammeln und wieder alle an einen Tisch zu bringen? Seine neuesten Äußerungen („uns hilft ja offensichtlich keiner“) deuten aber nicht in die Richtung und schüren eher das ohnehin schon lichterloh brennende Feuer. Genauso sei Andreas Gruber ins Stammbuch geschrieben, wer auch immer ihn dazu motiviert hat, dass ein zum Schweigen auffordernder Zeigefinger am Mund in Richtung des Fanblocks eine selten blöde Idee gewesen ist. Wer in den letzten acht Partien insgesamt fünf Tore erzielt hat, sollte sich nach einem Last-Minute-Doppelpack demütig freuen, und nicht provozierende Gesten auspacken. Vielleicht sagt ihm das im Verein jemand, sein Trainer zum Beispiel, wahrscheinlich ist es allerdings nicht. Es wird ein ziemlicher Kraftakt nötig sein, die Fans zurück ins Boot zu holen. Einen neuen Sportchef ankündigen wird nicht reichen.

Jürgen Pucher war Gründungsmitglied der Plattform „sturm12.at“ und hat dort über Jahre hinweg mit seiner Kolumne „12 Meter“ die Diskussionen rund um den Grazer Verein und den österreichischen Fußball extrem bereichert. Nun beschäftigt er sich als Betreiber der Podcast-Plattform "blackfm.at" mit den Geschehnissen bei den Schwarz-Weißen. Bei LAOLA1 verfasst er in regelmäßigen Abständen Gastkommentare zum Geschehen im heimischen Kick.



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