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Lettland: Gruppenletzter mit Potenzial

Vereine hui, Nationalteam pfui. Lettland-Legionär Tomas Simkovic gewährt Einblicke:

Lettland: Gruppenletzter mit Potenzial Foto: © getty

Vier Spiele, vier Niederlagen, null Punkte, ein Torverhältnis von 1:13.

Lettland hat einen wahren Horror-Start in die laufende EM-Qualifikation hingelegt. Im ÖFB-Lager besteht Einigkeit, dass Österreich im Spiel gegen den Letzten der Gruppe (20:45 Uhr im LAOLA1-LIVE-Ticker) als Sieger vom Platz gehen muss.

Dennoch wird es interessant zu beobachten sein, wie viel Lettland dem großen Favoriten in Salzburg entgegensetzen kann.

Österreich verfügt derzeit mit Tomas Simkovic über einen Legionär in Lettland. Mit Hilfe des Ex-Austrianers nimmt LAOLA1 die Balten unter die Lupe.

Der 32-Jährige, der im Jänner 2014 von Österreich nach Kasachstan wechselte, steht seit Anfang des Jahres beim FC Rigas FS in der höchsten lettischen Spielklasse unter Vertrag. Der 2005 gegründete Hauptstadtklub rangiert momentan auf dem zweiten Tabellenplatz.

Dass der Klub in der Liga so gut platziert ist, ist mitunter auch der Verdienst von Simkovic.  Der Österreicher ist mit 13 Torbeteiligungen (6 Tore/7 Vorlagen in 21 Spielen) der Topscorer seines Vereines.

Weit entfernt von einstigen Erfolgen

Vor 15 Jahren durfte der lettische Fußball seine wohl größte Sternstunde erleben. Auf die Qualifikation für die EM 2004 folgte ein beherzter Auftritt in der Gruppenphase.

Die erstmalige Teilnahme an einem Großereignis brachte unter anderem ein 0:0 gegen Deutschland. Dieses Ergebnis ist bis heute wohl der größte Erfolg der Balten.

Wenn man sich ansieht, wo die lettische Nationalmannschaft heute steht, dann sieht man, dass sie von solchen Erfolgen wohl weiter entfernt ist als je zuvor.

Derzeit rangieren die Letten auf Platz 134 der Weltrangliste, der schlechte Start in die EM-Qualifikation trübt die Stimmung. Außerdem konnten sie von den letzten 29 Länderspielen nur deren zwei gewinnen.

Simkovic: "Öffentliche Wahrnehmung nicht so positiv"

"Sie haben in letzter Zeit viele Spiele verloren. Man merkt auch, dass momentan das Selbstvertrauen ein wenig fehlt. Auch die öffentliche Wahrnehmung ist momentan nicht so positiv", sagt Simkovic über das aktuelle Standing der Nationalelf in Lettland.

Teamchef Slavisa Stojanovic kündigte nach dem völlig verpatzten Juni-Lehrgang (0:3 gegen Israel, 0:5 gegen Slowenien) jedenfalls an, viele Dinge zu ändern, und bemängelte auch die Einstellung seiner Spieler:

"Wir können uns an Superman, Spiderman, Robocop oder einen anderen Superhelden wenden, aber der Geist des Teams besteht aus den Spielern auf dem Spielfeld."

Wachsender Klubfußball

Konträr erscheint die Entwicklung im Klubfußball.

Auch wenn die lettischen Vereine in Österreich vielleicht etwas unter dem Radar fliegen, lohnt es sich doch, wenn man einen zweiten Blick auf ihre Performance im Europacup wirft.

Denn obwohl es kein Vertreter aus Lettland in eine internationale Gruppenphase geschafft hat, konnten die Klubs gegen nominell stärkere Gegner mit guten Leistungen aufzeigen.

Zum Beispiel schaltete der FC Riga den finnischen und den polnischen Meister in der Europa-League-Qualifikation aus. Auch der Klub von Simkovic ist ziemlich unglücklich an Olimpija Ljubljana gescheitert.

"Wir sind mit einem Tor Unterschied gegen Ljubljana ausgeschieden. Das entscheidende Tor haben wir in der 93. Minute kassiert. Und auch dem FC Riga hat nur ein Tor gegen den FC Kopenhagen gefehlt. Die haben dann in der Schlussphase nochmal mächtig Druck gemacht", berichtet Simkovic, der auch an eine Fortsetzung des Trends glaubt:

"Ich glaube schon, dass sich die Steigerung fortsetzt. Die Klubs arbeiten gut, und auch bei uns sind wirklich gute Leute am Werk, die gerade für so eine kleine Nation sehr gute Arbeit leisten. Wir haben einen sehr guten Trainer, der wirklich alles für den Erfolg tut und den Fußball auch wirklich lebt. Deshalb glaube ich, dass es auch in der nächsten Zeit weiter bergauf gehen wird."

Legionäre auf Schlüsselpositionen

Auch wenn der Klub-Fußball in Lettland wächst, ist man vom österreichischen Standard noch ein Stück weit entfernt.

Das bestätigt auch Simkovic: "Der größte Unterschied zu Österreich liegt wahrscheinlich in der Infrastruktur und dem Medieninteresse. Man erkennt auch an den Stadien, dass die lettische Liga noch nicht so weit ist wie die österreichische. Aber ich denke, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht."

Dass viele Schlüsselpositionen in Lettland von Legionären bekleidet werden, bestätigt der Ex-Austrianer: "Die Weiterentwicklung der Liga hat sicher auch damit zu tun, dass gute Legionäre geholt werden. Das spricht aber auch irgendwie für die Scouting-Abteilungen der Vereine. In diesem Bereich wird sehr gute Arbeit geleistet."

Gute Einzelspieler mit Potenzial

Viele Legionäre in der heimischen Liga sind nicht zwingend förderlich für das Nationalteam – das weiß man auch aus der österreichischen Fußball-Vergangenheit. Dennoch hat auch das lettische Team Akteure zu bieten, die man im Auge haben sollte.

Auf die Frage, auf wen die ÖFB-Kicker besonders aufpassen müssen, nennt Simkovic einige Spieler, die er aus der Liga und vom Verein kennt.

"Ja, da gibt es sicher ein paar. Unser Innenverteidiger Jagodinskis ist ein guter Spieler. Auch unser rechter Außenverteidiger Savalnieks ist ein sehr interessanter Spieler. Auch bei anderen Klubs sieht man immer wieder gute Spieler. Janis Ikaunieks vom FK Liepāja ist sehr stark!“

Deniss Rakels vom FC Riga hebt Simkovic besonders hervor und bezeichnet ihn als "einen der besten lettischen Spieler". Dem ÖFB-Team bleibt er aufgrund einer Verletzung jedoch erspart.

Aus österreichischer Sicht ist dann noch Vitalijs Maksimenko zu erwähnen. Der Innenverteidiger hat zwei Jahre in Österreich beim SV Mattersburg gespielt und steht nun in Slowenien bei Olimpija Ljubljana unter Vertrag. Er stand in der Europa League-Qualifikation gegen den Klub von Simkovic im Hinspiel in der Startformation.

Lettland verkauft sich unter Wert

Simkovic ist der Ansicht, dass sich die lettische Nationalmannschaft momentan etwas unter ihrem Wert schlägt.

"Das Potenzial ist von den individuellen Spielern her nicht so schlecht, wie es von den Ergebnissen her aussieht. Ich glaube, da muss man jetzt eben etwas formen, das auch in der Gemeinsamkeit funktioniert", sagt der Lettland-Legionär, der aber auch hinzugefügt:

"Es liegt jetzt nicht unbedingt in meiner Kompetenz, dass ich beurteile, wie das jemand anderes führen sollte. Aber die Spieler sind meiner Meinung nach wirklich nicht schlecht."

Trotz allen Lobs muss man jedoch feststellen, dass alles andere als ein Sieg Österreichs eine herbe Enttäuschung darstellen würde.

Der RFS-Legionär beschreibt die Ausgangslage treffend: "Alles in allem ist Österreich der haushohe Favorit. Auch von der individuellen Klasse sind sie weit über die Letten zu stellen."

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