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Pro/Contra: Cristiano Ronaldo - Selbstschutz oder Egoismus?

Cristiano Ronaldo wird an den Pranger gestellt! Mit seinem Interview machte er sich keine Freunde. Doch was steckt dahinter? Zwei Redakteure, zwei Meinungen:

Pro/Contra: Cristiano Ronaldo - Selbstschutz oder Egoismus? Foto: © getty

Cristiano Ronaldo steht am Pranger!

Was hat er sich bloß mit seiner öffentlichen Abrechnung im Zuge des Skandal-Interviews mit Piers Morgan gedacht? Nicht nur Manchester United kam schlecht weg, auch der jetzige ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick oder TV-Experten wie Gary Neville.

Mit seinen Aussagen hat sich CR7 mit Sicherheit keine neuen Freunde gemacht und steht heftigst in der Kritik. Wie schon immer in seiner sportlich eindrucksvollen, aber darüber hinaus schwierigen Karriere auf der Suche nach Anerkennung im Schatten der hochstilisierten Rivalität mit Lionel Messi.

Wie immer gibt es nicht nur die eine Wahrheit, auf die sich alle Experten derzeit stürzen und Ronaldo zerfleischen. Wie immer gibt es auch eine andere Sichtweise, nämlich jene des Spielers und was diesen dazu bewogen hat, in der Endphase seiner Karriere derart Dampf abzulassen.

Aus Selbstschutz oder doch Egoismus?

Pro & Contra - zwei Redakteure, zwei Meinungen:


PRO: Cristiano Ronaldo hat sich mehr Respekt verdient

von Alexander Karper

Respekt sollte immer auf Gegenseitigkeit beruhen!

Was seit Sommer 2021 bei Manchester United abläuft, ist ein Armutszeugnis für den Verein, die Entwicklung und den Umgang mit verdienstvollen Spielern.

Das Thema Cristiano Ronaldo polarisiert und es ist freilich nicht die feine englische Art, in einem Interview auf alles und jeden hinzutreten, Kritik zu üben und andere für die eigene Unzufriedenheit verantwortlich zu machen – so viel schon einmal vorneweg.

Trotzdem handelt es sich um eine der zwei prägenden Spielerpersönlichkeiten der vergangenen 15 Jahre, ohne hier jetzt auf Abstufungen im Vergleich mit Lionel Messi eingehen zu wollen. Dieses Duo stand bis zuletzt über allen. Neymar, Kylian Mbappe und Erling Haaland – alles schön und gut. Um an CR7 und "La Pulga" heranzukommen, müssen sie jedoch konstant über so viele Jahre ihre Leistungen abrufen, einen Rekord nach dem anderen brechen und ihrem Star-Potenzial gerecht werden.

Die "Red Devils" wollten sich mit Ronaldos Namen rühmen und das Versagen der Glazer-Familie in den vergangenen Jahren kaschieren, in denen man in der Post-Ferguson-Ära komplett den Anschluss an Manchester City, Liverpool, Chelsea oder aktuell auch Arsenal verloren hat. Inszeniert wurde Ronaldos Verpflichtung als emotionale Rückholaktion des verlorenen Sohnes, der nach seinen Anfängen bei Sporting Lissabon ausgerechnet bei United erstmals auf Top-Niveau sein zweifelsohne riesiges Potenzial zeigen konnte und von Sir Alex Ferguson vom arroganten Jungspund zu einem der besten Fußballer aller Zeiten geformt wurde.

Dabei war der Portugiese so billig zu haben wie nie zuvor, das Gehalt ist wiederum eine andere Sache. United zog diese Karte jedoch bewusst, profitierte werbe- und marketingmäßig auf allen Linien und stellte binnen Minuten Rekorde beim Trikotverkauf auf. Manchester United wusste genau: Wo Ronaldo draufsteht, ist auch Ronaldo drin! Die Engländer wussten, worauf sie sich einließen – sie wussten über die endlosen Vorteile Bescheid, sie kannten den Stürmer noch von früher, wussten, wie zielstrebig der ehrgeizige Nationalspieler agiert und welch großes Ego man damit einkauft.

Aber das ist der entscheidende Punkt! Ronaldo ließ andere Möglichkeiten verstreichen, um seinem Jugendklub etwas zurückzugeben, seine Geschichte abzurunden und den Verein wieder in bessere Zeiten zu führen. Dabei hätte er zu Stadtrivale City wechseln können, wo er sich unter Pep Guardiola ebenfalls fügen hätte müssen - der Star-Coach wäre aber nie und nimmer derart respektlos mit CR7 umgegangen. Plötzlich Überraschung bei United vorzugaukeln, dass man das nicht kommen sah, entbehrt jeglicher Logik. Cristiano Ronaldo wollte sich weiterhin auf höchstem Niveau beweisen, Champions League spielen und auch mit 37 Jahren sein Denkmal vergrößern – doch alles kam anders.

Dass das auf Madeira geborene Ausnahmetalent in der ersten Saison Man United trotz Kritik von allen Seiten mit 24 Toren am Leben hielt und 39 Mal zum Einsatz kam, war zu wenig. Zum einen sollte sich Ronaldo anpassen und ins Team einfügen, damit sich nicht alles auf ihn fokussiert. Zum anderen wurde aber verlangt, dass genau dies passiert, wenn es nicht wie gewünscht läuft.

Die eigentliche Watsch’n folgte aber erst seit der Installierung von Erik ten Hag. Ein zweifelsohne guter Trainer, der allerdings die ersten Monate außerhalb seiner niederländischen Heimat als Chefcoach tätig sein darf, bisher für Nachschub aus der Ajax-Schmiede sorgte, aber bei weitem nicht mit Stars a la Manchester United zu tun hatte. Der ließ Ronaldo großteils links liegen, machte ihn zum "Mr. Europa League", weil er nur dort konstant ran durfte. Und demütigte ihn mit Kurzeinsätzen, gar keiner Einwechslung oder schickte klassische Mittelfeldspieler in den Sturm anstatt CR7 einzusetzen. Es folgte ständiges Lob, wie gut er arbeite, um dann doch wieder nur die zweite Geige zu spielen. Die verweigerte Einwechslung für ein paar Sekunden oder Minuten und der vorzeitige Abgang in die Kabine war seine Antwort darauf – denn mit 37 Jahren ist Ronaldo sicher weiter ein Teamplayer, aber einer, der sich nicht alles gefallen lassen muss und auch mal seinen Standpunkt äußern kann. So wie es andere Starspieler immer wieder getan haben, wo es jedoch nicht so hochstilisiert wurde.

An der Fitness scheitert es mit Sicherheit nicht, denn noch immer schuftet der Portugiese wie in alten Zeiten. Dass er nicht mehr jene Quote wie in den letzten Jahren vorweist, liegt auch daran, dass bei Teams wie Real oder Juve mehr Qualität vorhanden war, um den Offensivakteur auch besser in Szene zu setzen. Es ist also ten Hags Verfehlung, trotz seines pressingorientierten Fußballs und anderen Zugangs keine Lösung gefunden zu haben, Ronaldos Stärken auszuspielen. Denn diese sind zweifelsohne noch immer vorhanden, dafür hat man ihn geholt und sicher nicht, damit das Millionengeschäft auf der Ersatzbank versauert oder seinen Vertrag absitzt. Natürlich wird Ronaldo auch intern seine Meinung kundtun, das darf man von einem so erfahrenen Spieler erwarten. Mit seiner Erfahrung wird er auch mal den Finger in die Wunde legen, das tut weh - keine Frage. Allerdings betonte Ronaldo nicht umsonst in seinem Interview, dass nicht nur Ten Hag sondern auch andere Leute im Klub ihm Steine in den Weg legen. Gut möglich also, dass der Trainer nur den Befehl von oben befolgt, Ronaldo nicht mehr oft spielen zu lassen, um ihn schnellstmöglich wieder von der Gehaltsliste zu bekommen. Das sind aber nur Vermutungen.

Keinesfalls Vermutungen sind es, dass sich Ex-Stars wie Wayne Rooney, Gary Neville, Rio Ferdinand und Co. dazu hinreißen lassen, als Experten alles zu kritisieren, was Beine hat. Und Ronaldo ist dabei ein gefundenes Fressen. Läuft es bei United nicht, ist Ronaldo schuld – eigentlich eine angenehme Situation für den restlichen Kader, der weit unter den Erwartungen spielt, und den Trainer. Der Name Ronaldo bringt Reaktionen, Einschaltquoten – deshalb wird dieses Szenario ausgenützt. Schon früh wurde ein klares Rollenbild gezeichnet. Messi war das gute, brave Jahrhunderttalent - untouchable. Ronaldo der arrogante Schnösel, der mit seinem eisernen Willen, besser zu werden, über Leichen gehen würde. Narzisstisch veranlagt, ein Egoist, auch die Rivalität der beiden herausragenden Akteure der jüngeren Vergangenheit wurde aufgebauscht und sie als Erzfeinde dargestellt.

Und der Spieler selbst? Er schwieg, war eigentlich nie einer, der mit vielen Interviews in die Öffentlichkeit drängte, verschrieb sich voll und ganz seinem Werdegang, getrieben von Erfolg. Was anderen in den Schoß fiel, musste sich Ronaldo hart erarbeiten. Die ewigen Messi-Sticheleien wehrte er mit Toren am Fließband ab. Nicht angeborenes Talent machte er mit Hingabe, Eifer und viel Einsatz wett, auch deshalb baute er nach außen ein Schutzschild auf, das von vielen als Arroganz gedeutet wird. Denn andere wären an diesem Druck früh zerbrochen. Doch Kritik ließ ihn noch härter an sich arbeiten – aber irgendwann ist Schluss. Ronaldo hat nicht mehr viel zu verlieren. Was er abgeliefert hat, werden viele nie erreichen. Sich zum Schulbuben und Bankerlwärmer degradieren und öffentlich bloßstellen zu lassen, muss er nicht auf sich sitzen lassen. Das würde an seiner Ehre kratzen.

Ronaldo weiß, dass die Ehe mit Manchester United in die Brüche gehen wird, möglicherweise ist seine Zukunft bei einem anderen Verein (oder sogar sein Karriereende?) schon fixiert. Deshalb gibt er jetzt allen Besserwissern und Kritikern, welche die Hintergründe und dahintersteckende Arbeit gar nicht kennen können, verbal eine mit. Nicht die feine englische Art, aber menschlich und vor allem aufgrund seiner Vita irgendwie nachvollziehbar. Denn der Spieler Ronaldo musste einiges erdulden und aushalten, abseits der vielen Vorteile auch die Schattenseiten des Star-Trubels erfahren. Wer den Portugiesen in diese Rolle drängt, wird das nicht verstehen und weiter auf ihm herumhacken. Im Endeffekt ist es aber nur eines, was er will und sich auch verdient hat: Respekt, um in naher Zukunft respektvoll in Fußball-Pension gehen zu können!


CONTRA: Cristiano Ronaldo war schon immer ein Egoist

von Matthias Pacher

Ronaldo und seine verdrehte Selbstwahrnehmung.

Kein Spieler der Welt hat sich so zu verhalten und so über seinen Arbeitgeber herzuziehen, auch nicht, wenn man Cristiano Ronaldo heißt und eine der bekanntesten Personen auf diesem Planeten ist. 

Selbst wenn die "Marke CR7" vielleicht annähernd so groß ist wie der gesamte Klub, so ist er doch vertraglich an Manchester United gebunden. Ob man jetzt Ronaldo ist oder ein junges Talent aus der eigenen Jugend, die Beziehung zwischen Spieler und Verein bleibt die gleiche. Und damit einher gehen gewisse Verpflichtungen: Man muss gewissenhaft seine Arbeit erledigen, seinen Verein nach außen repräsentieren und sich als Teamplayer beweisen, so wie es in jedem anderen Job von Angestellten verlangt wird. Ronaldo denkt mit diesem Interview und seinem Verhalten nur an sich und stellt alles andere hintenan. Er legitimiert sein Handeln mit seiner Berühmtheit und sieht sich in einer Sonderposition.

Ronaldo will im Mittelpunkt stehen, so ist er es auch gewohnt. Es geht um ihn und es geht um Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die er zurzeit hauptsächlich abseits des Spielfelds bekommt, weil er nur selten spielt. Ronaldo war schon immer ein Egoist, der sich gerne in Szene setzt. Bankdrücker und Ergänzungsspieler zu sein passt nicht zum Image des oberkörperfrei-jubelnden Modelathleten. Seine Absicht ist offensichtlich: Er will Man United verlassen, so schnell wie möglich. Er sorgt mit purer Absicht für Ärger und Probleme und ignoriert den Schaden, den er bei seinem Verein und seinen Mitspielern anrichtet. Dem Verein, dem er sehr viel zu verdanken hat.

Wie intensiv sich Man United um einen Verkauf im Sommer bemüht hat, wissen wir nicht. Klar ist aber, dass der Markt für Ronaldo im Sommer erschreckend klein war. Aus finanzieller Sicht können sowieso nur die wenigsten Klubs die Anforderungen Ronaldos stemmen. Aber selbst der Trainer seines Jugendklubs Sporting Lissabon, Ruben Amorin, befürchtete Unruhe in seinem Team und ein Ungleichgewicht im Mannschaftsgefüge. Es kam, wie es kam, und Ronaldo musste bleiben. Umso verwunderlicher ist es, dass sich der sonst so von Ehrgeiz und Willenskraft getriebene Superstar dieser Herausforderung nicht mehr stellen wollte.

Im Nachhinein kann man sagen, dass Manchester United mit der Verpflichtung Ronaldos einen Fehler gemacht hat. Man hat gewusst, dass man ein gewisses Risiko eingeht und mit einem damals 36-jährigen Neuzugang keine neue Ära prägen kann. Trotzdem ergab die Rückkehr im vergangenen Sommer Sinn - für beide Seiten: Ronaldo sagt, dass er kurz vor einer Unterschrift beim großen Rivalen Manchester City stand, sein Herz sich aber für Man United entschied. Es war das Traum-Comeback, das sich sowohl sportlich als auch finanziell für jeden Beteiligten ausgezahlt hat.

Mit der Entlassung von Ole Gunnar Solskjaer entschied sich Man United für einen Systemwechsel. Es sollte laufintensiver, auf aggressivem Gegenpressing ausgelegter Fußball gespielt werden. Ronaldo war mit dieser taktischen Ausrichtung nicht vertraut und tat sich offensichtlich schwer. Aber sollte sich ein Verein bei der Trainerwahl an die Vorlieben eines einzelnen Spielers richten?

Ronaldo behauptet, Ralf Rangnick nicht gekannt zu haben. Legitim, wenn man mit dem deutschen Fußball nicht vertraut ist. Aber ihm seine Trainerrolle abzusprechen und als reinen Sportdirektor zu bezeichnen, ist geradezu grotesk. Es wirkt wie eine reine Frustaussage, weil Rangnicks und Ronaldos Vorstellungen extrem voneinander abwichen. Trotzdem spielte CR7 2021/22 eine gute Saison, die wirklichen Probleme begannen erst im Sommer mit dem neuen Trainer Erik ten Hag.

Fakt ist: United spielt in dieser Saison ohne Ronaldo erfolgreicheren Fußball als mit ihm, das belegen die Statistiken. Ronaldo wirkt oft wie ein Fremdkörper, ist selten ins Spiel eingebunden und vergibt Torchancen. Der Fußball ist schnelllebig, wenn die Leistung nicht stimmt, darf dir auch dein großer Name keinen Stammplatz garantieren. Es ist Ten Hags gutes Recht, auf Ronaldo zu verzichten, wenn er im Kader bessere Alternativen sieht.

Ten Hag hat den Umständen entsprechend im Umgang mit Ronaldo einen guten Job gemacht, zumindest nach außen hin betrachtet. Er hielt sich lange bedeckt, ließ Ronaldos erste verweigerte Einwechslung und generelle Lustlosigkeit großteils unkommentiert. Er setzte disziplinarische Maßnahmen, nachdem sich Ronaldo ein zweites Mal widersetzte und frühzeitig in die Kabine abhaute, was er natürlich tun muss, um eine Message an die Mannschaft zu senden. Er stellte Ronaldo sogar als Kapitän in die Startelf, nachdem er sich all diese Fehltritte geleistet hatte. Genau diese Fehltritte hat der Verein nicht zu verantworten, es war immer Ronaldo, der das Ende der bröckelnden Beziehung provozierte.

Natürlich muss der Portugiese viel einstecken und ertragen. Je bekannter man wird, desto mehr Kritiker und "Hater" gibt es auch. Es ist für die meisten Menschen unvorstellbar, welchem Druck man ausgesetzt ist, wenn man durchgehend beobachtet und bewertet wird. Dennoch: Dass sich Kritik zu großen Teilen an ihn richtet, ist nachvollziehbar. Ronaldo ist nun mal der Superstar und Topverdiener des Teams, wenn es nicht läuft, werden logischerweise der Trainer und er zuerst zur Rechenschaft gezogen. Ronaldo hatte immer den Anspruch, der Topstar einer Mannschaft zu sein und mitunter im Alleingang für Erfolge zu sorgen.

Dass bei Manchester United seit Jahren Vieles eher suboptimal abläuft, ist unumstritten. Dazu zählen der fehlende Fortschritt, den Ronaldo bemängelt, sowie fragwürdige Personalentscheidungen und das Verhalten der Glazer-Familie. Jeder Spieler hat das Recht, seine Meinung zu äußern, auch öffentlich. Jeder sollte sich wehren, wenn er oder sie sich ungerecht behandelt fühlt. Das große Problem an dieser Causa ist jedoch, dass sich hier jemand in die Opferrolle drängt, der sich davor selbst mit mehrmaligem Fehlverhalten das Leben schwer gemacht hat. Ronaldos Interview ist völlig unangebracht und egoistisch. Der Zeitpunkt ist schlecht, der Rundumschlag wirkt trotzig und überemotional.

Am Ende hat sich Ronaldo selbst mehr geschadet als allen anderen. Er wird den Verein im Jänner verlassen und die Geschehnisse werden langsam an Relevanz verlieren. Was bleibt, ist das Vermächtnis von Ronaldo, welches durch diese unrühmliche Aktion vor allem in Manchester eine große Delle bekommt.


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