Endstand
2:2
1:2, 1:0
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Sturm Graz: Ein gefühlter Sieg mit dem "elften Mann"

Der nötige Glaube, glückliche Wechsel und der Faktor Publikum: Sturm erobert gegen Atalanta einen Punkt und geht mit Selbstvertrauen eine Herkulesaufgabe an.

Sturm Graz: Ein gefühlter Sieg mit dem Foto: © GEPA

"Es war viel los."

Manchmal reichen vier Wörter, um ein Fußballspiel auf den Punkt zu bringen. Nach dem 2:2 zwischen dem SK Sturm Graz und Atalanta Bergamo am dritten Spieltag der UEFA Europa League konnte man diese Einschätzung von Christian Ilzer jedenfalls bedenkenlos unterschreiben.

"Am Platz war viel los, außerhalb war viel los. Ein großartiger Europacup-Abend", resümiert der Trainer der Steirer, die in Unterzahl noch ein Unentschieden gegen den Gruppen-Favorit erkämpft haben:

"Das Spiel hat sich in eine Phase gebracht, wo uns nur noch wenige etwas zugetraut hätten. Wir selbst haben immer daran geglaubt. Ich habe gespürt, dass die Spieler am Platz daran glauben. Es war eine große Energieleistung. Unter diesen Umständen haben wir uns diesen Punkt, der sich fast wie ein Sieg anfühlt, auch verdient."

So schätzt Ilzer den Hierländer-Ausschluss ein

Mit diesen Umständen meint Ilzer, dass Sturm erstens eine 1:0-Führung aus der Hand gegeben hat, der 2:1-Führungstreffer der Italiener per Elfmeter kurz vor der Pause aus einer VAR-Intervention nach Handspiel von Jon Gorenc Stankovic resultierte und die Grazer drittens in Minute 52 Kapitän Stefan Hierländer mit Gelb-Rot verloren haben.

Letztlich ist es Szymon Wlodarczyk, der nach einem weiteren VAR-Eingriff per Elfmeter den Ausgleich zum 2:2 besorgt und damit für "große Emotionen" gesorgt hat.

"Bei Jon war es unglücklich, weil er hinten keine Augen hat, aber beide Elfmeter-Situationen gehen in Ordnung", meint Ilzer, der den Hierländer-Ausschluss wiefolgt einschätzt:

"Die zweite Gelbe Karte sehe ich als sehr, sehr harte Entscheidung. Das war fast am gegnerischen Corner, er greift nur kurz an die Hüfte des Gegners. Die erste Gelbe Karte hat mich geärgert, die ist unnötig."

In der Pause gepusht - und dann...

Dass diese Szene die Partie massiv beeinflusst hat, steht außer Frage. Man kann die Geschichte so erzählen, dass sich Sturm heroisch einen Punkt erkämpft hat.

Man kann jedoch auch finden, dass eventuell sogar noch mehr möglich gewesen wäre. "Wenn wir mit elf Mann am Platz bleiben, glaube ich schon, dass noch mehr drin ist", findet etwa Jusuf Gazibegovic.

Der Rechtsverteidiger erzählt, wie man sich in der Pause gegenseitig gepusht habe. "Wir haben uns vorgenommen, richtig gut aus der Kabine zu kommen - das sind wir dann eh drei, vier Minuten lang", schmunzelt Gazibegovic, "und dann kriegt 'Hierli' die Rote."

Danach sei die Moral unglaublich stark gewesen, einer habe für den anderen gekämpft - und ein weiterer Faktor ist zum Zug gekommen. Auch das Publikum hat das Match nicht aufgegeben.

Der elfte Mann

"Ich bin jetzt das vierte Jahr hier, und das war heute eine der besten Stimmungen, die ich erlebt habe. Wie das Stadion beim 2:2 gebebt hat, war unglaublich."

Jusuf Gazibegovic

"Ich bin jetzt das vierte Jahr hier, und das war heute eine der besten Stimmungen, die ich erlebt habe. Wie das Stadion beim 2:2 gebebt hat, war unglaublich", staunt Gazibegovic und unterstreicht:

"Wir sind richtig gut eingespielt mit unseren Fans. Der zwölfte Mann ist ein Punkt, der uns weiterbringt."

Korrigierender Nachsatz mit breitem Grinser: "In diesem Fall halt der elfte Mann."

Der 23-Jährige lässt ungern eine Spruch liegen, spricht hier jedoch einen wichtigen Punkt an. Es ist nicht nur die Mannschaft, die in schwierigen Situationen an sich glaubt, sondern auch von außen scheint der notwendige Glaube vorhanden zu sein, weil diese Mannschaft immer wieder beweisen hat, dass sie Rückschläge innerhalb eines Spiels wegstecken kann. Entsprechend verbreitet das Publikum keine Nervosität.

Der Gedanke hinter den Wechseln

"Wir wissen, dass wir als Verein - das heißt Team und Fans - viel erreichen können", betont David Affengruber, der schildert, wie die schwarz-weißen Köpfe in schwierigen Phasen oben bleiben:

"Im Fußball spielt sich viel im Kopf ab. Da musst du stark sein und solche Sachen verkraften. Es bringt ja nichts, wenn wir dann den Kopf in den Sand stecken und sie spielen lassen. Wir hatten mehr oder weniger nichts mehr zu verlieren und haben alles in die Waagschale geworfen."

"Gut eingespielt!" Der Dank an die Fans
Foto: © GEPA

Ilzer hat diesen Wurf von außen gesteuert und dabei auch mit seinen Wechseln auf die jeweilige Spielphase bezogen ein glückliches Händchen bewiesen.

"Unser Hintergedanke war, dass wir zuerst einmal verhindern, dass Atalanta sofort den Deckel drauf haut. Dann, wenn Atalanta sich mit dem Ergebnis sehr sicher fühlt, wollten wir Nadelstiche setzen und die Räume nutzen, die wir dann bekommen", erläutert der 46-Jährige.

Ilzers Botschaft an die Wechselspieler

Es sei dann auch zu spüren gewesen, dass die Gäste nicht mehr so energisch auf das dritte Tor spielen. Gleichzeitig spielte dann besagter Glaube an sich selbst die entscheidende Rolle.

Folgendes hat Ilzer jedem Wechselspieler mitgegeben: "Glaubt an das, was uns keiner mehr zutraut! Wir können es auch in Unterzahl schaffen, hier ein Tor zu machen, zu punkten, vielleicht sogar zu gewinnen. Ihr müsst das am Platz ausstrahlen und auch die anderen Spieler mit diesem Gedanken infizieren!"

"Wir haben zwei schwierige Auswärtsspiele in Bergamo und Lissabon - wollen wir um Platz zwei mitreden, müssen wir dort etwas mitnehmen."

Christian Ilzer

Dass dieser Glaube tatsächlich noch einen Punkt eingebracht hat, ist im Hinblick auf die Mission, international überwintern zu wollen, gar nicht hoch genug einzuordnen.

Da nämlich auch das Parallelspiel zwischen Rakow und Sporting mit einem Remis ausgegangen ist, ist Sturm nun punktegleich mit den Portugiesen und hat gleichzeitig nichts vom Vorsprung auf die Polen eingebüßt.

Eine Herkulesaufgabe

"Was Platz drei betrifft, hat sich die Ausgangslage nicht verändert. Was Platz zwei betrifft, ist die Ausgangssituation ganz klar: Wir haben zwei schwierige Auswärtsspiele in Bergamo und Lissabon - wollen wir um Platz zwei mitreden, müssen wir dort etwas mitnehmen", sagt Ilzer und zeigt sich optimistisch:

"Das ist eine Herkulesaufgabe, der wir uns mit großem Selbstvertrauen stellen werden."

Selbstbewusstsein hat Sturm fraglos getankt. Dass Atalanta große Qualität hat, konnte man sehen. Dennoch ist für Affengruber eine Lehre im Hinblick auf das Auswärtsspiel:

"Dass wir mit ihnen mithalten können. Wenn wir uns zutrauen, zu kicken, können wir auch mit einem Top-Klub aus der Serie A mithalten. Auch auswärts."



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