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Abgezockte Slovan-Stars: Erfahrung ist nicht alles

Geht es nach der internationalen Erfahrung, haben die "alten Hasen" von Slovan Bratislava die Nase vorn. Dies könnte jedoch auch eine Chance für Sturm sein.

Abgezockte Slovan-Stars: Erfahrung ist nicht alles Foto: © GEPA

Viel konträrer können die Philosophien in Sachen Kader-Planung kaum sein als zwischen den beiden Conference-League-Kontrahenten (Do., ab 18:45 Uhr im LIVE-Ticker) SK Sturm Graz und Slovan Bratislava.

Gemeint sind vor allem die Altersstruktur und die Routine.

Erfahrung ist im Fußball definitiv nicht alles - genau dies muss Sturm im Kräftemessen mit dem slowakischen Meister beweisen. Denn geht man rein nach den Erfahrungswerten, bleiben wenig Fragen offen.

Nur ein Beispiel: Auf 79 Länderspiele bringt es der schwarz-weiße Kader gemeinsam. Eine Zahl, die gleich vier Slovan-Kicker jeweils im Alleingang übertreffen.

Insgesamt bringen es alle Kadermitglieder der Slowaken gemeinsam auf stattliche 664 A-Team-Einsätze für ihr jeweiliges Land.

Schwer aus der Ruhe zu bringen

"Einige Spieler - und da gehöre ich auch dazu - verfügen über sehr viel Routine. Das ist schon ein Unterschied zu anderen Mannschaften, vor allem wenn man es mit Österreich vergleicht, wo sehr auf die Jugend gesetzt wird", meinte unlängst Kevin Wimmer im LAOLA1-Interview.

Der ÖFB-Legionär steuert neun Länderspiele für Österreich zur Gesamtzahl bei. Nach Ansicht des im Hinspiel gesperrten Innenverteidigers würde sich die Routine bei Slovan zumeist positiv bemerkbar machen:

"Zum Beispiel bringen wir Führungen meistens über die Runden, weil wir einfach die nötige Cleverness haben. Wenn du mal in Rückstand bist, lässt sich die Mannschaft eher selten bis gar nicht aus der Ruhe bringen. Wir verfolgen einfach unseren Spielplan weiter."

Allzu oft hat Slovan in dieser Saison noch nicht verloren, sonst wäre man nicht wie Sturm in drei Wettbewerben im Rennen. National setzte es in Liga und Pokal in bislang 22 Pflichtspielen bei 18 Siegen nur eine Niederlage. International war man schon 14 Mal im Einsatz (fünf Pleiten). Nach dem Scheitern in CL- und EL-Qualifikation verloren die Hauptstädter in der Gruppenphase der Conference-League zwei Mal, entschieden allerdings auch drei Partien für sich.

Dem 40er näher als dem 30er

Nun erscheint Slovan bei aller Abgezocktheit dennoch kein Gegner zu sein, vor dem sich Sturm zwingend verstecken muss. Auf die Routine des 13-fachen slowakischen Meisters weist man in Graz dennoch gerne hin.

Wobei man durchaus spekulieren kann, dass gerade selbige gleichzeitig eine Chance ist. Sturms intensiver Spielstil war im Europacup mitunter auch schon für Vertreter aus besseren Ligen eine Herausforderung. Die Altersstruktur im Aufgebot der Gäste aus Bratislava lädt geradezu ein, das Tempo hoch zu halten.

Die Internationale Erfahrung der Slovan-Kicker:

Name Alter EC-Spiele/Tore EC für Slovan Länderspiele
Milan Borjan 36 91/0 14/0 80/0 (CAN)
Jaba Kankava 37 86/3 39/0 100/10 (GEO)
Guram Kashia 36 64/5 39/3 110/3 (GEO)
Jaromir Zmrhal 30 61/4 34/2 23/1 (CZE)
Tigran Barseghyan 30 49/7 27/5 58/9 (ARM)
Lukas Pauschek 31 45/1 38/1 6/0 (SVK)
Juraj Kucka 36 43/7 27/4 104/13 (SVK)
Vladimir Weiss 34 40/8 29/7 77/8 (SVK)
Kenan Bajric 29 34/0 31/0 4/0 (SLO)
Kevin Wimmer 31 32/0 10/0 9/0 (AUT)
Kyriakos Savvidis 28 29/0 11/0
Gerson Rodrigues 28 25/2 0/0 56/17 (LUX)
Cesar Blackman 25 22/1 9/1 19/0 (PAN)
Spyros Risvanis 30 20/1 0/0 1/0 (GRE)
David Strelec 22 19/2 19/2 17/2 (SVK)
Marko Tolic 27 19/2 11/2
Filip Lichy 23 15/0 11/0
Sharani Zuberu 24 12/2 10/2
Nino Marcelli 18 7/0 7/0
Richard Krizan 26 3/0 3/0
Martin Trnovsky 23 2/0 2/0
Matus Vojko 23 1/0 1/0
Adam Hrdina 20 0/0 0/0

Zehn Slovan-Kicker wissen bereits, wie sich der 30. Geburtstag anfühlt. Haudegen wie die beiden Georgier Jaba Kankava (37) und Guram Kashia (36) sowie der slowakische Teamspieler Juraj Kucka (36) sind gar dem 40er schon näher als dem 30er. Dies gilt auch für Torhüter Milan Borjan (36).

Star-Spieler und Trainer-Sohn Vladimir Weiss ist auch bereits 34 und dementsprechend verletzungsanfällig. Vergangene Woche hat er jedoch sein Liga-Comeback nach längerer Verletzungspause gleich mit einem Tor zelebriert.

Sturms Stamm mit relevanter Europacup-Erfahrung

Bei Sturm hat mit Kapitän Stefan Hierländer (33) erst ein Akteur den 30. Geburtstag hinter sich, im Dezember dieses Jahres folgt Gregory Wüthrich.

Abseits der routinierten Achse setzen Geschäftsführer Sport Andreas Schicker und Trainer Christian Ilzer mit großer Mehrheit auf Spieler, die weite Teile ihrer Karriere noch vor sich haben.

Gerade jener Kern, der inzwischen schon einige Jahre den schwarz-weißen Stamm bildet, hat inzwischen auch bereits relevante Europacup-Erfahrung gesammelt.

Die internationale Erfahrung der Sturm-Kicker:

Name Alter EC-Spiele/Tore EC für Sturm Länderspiele
Stefan Hierländer 33 46/2 25/1 3/0 (AUT)
Gregory Wüthrich 29 34/0 22/0
Tomi Horvat 24 34/2 15/0 4/0 (SLO)
Otar Kiteishvili 27 28/4 18/3 33/2 (GEO)
William Böving 20 26/8 14/5
David Affengruber 22 24/0 24/0
Jon Gorenc Stankovic 28 24/2 22/2 20/1 (SLO)
Alexander Prass 22 23/1 23/1 3/0 (AUT)
Manprit Sarkaria 27 23/0 20/0 1/0 (AUT)
Jusuf Gazibegovic 23 22/0 22/0 14/0 (BIH)
Szymon Wlodarczyk 21 10/1 8/1
David Schnegg 25 8/0 8/0 1/0 (AUT)
Alexandar Borkovic 24 7/1 4/0
Niklas Geyrhofer 24 6/0 6/0
Javi Serrano 22 6/0 5/0
Dimitri Lavalee 27 5/0 4/0
Seedy Jatta 20 5/0 3/0
Max Johnston 20 3/0 3/0
Leon Grgic 18 1/0 1/0
Samuel Stückler 22 1/0 1/0
Vitezslav Jaros 22 0/0 0/0
Luka Maric 21 0/0 0/0
Mika Biereth 21 0/0 0/0
Amady Camara 18 0/0 0/0

Gemeint sind Spieler wie Jon Gorenc Stankovic, David Affengruber, Alexander Prass, Manprit Sarkaria oder Jusuf Gazibegovic. Akteure wie Wüthrich, Tomi Horvat oder Otar Kiteishvili absolvierten auch bei ihren früheren Arbeitgebern schon eine ansprechende Zahl an internationalen Einsätzen.

Böving? Nicht schlecht für einen 20-Jährigen

Selbiges gilt für Sturms "Mr. Europacup". William Böving hat für den FC Kopenhagen und für die Steirer kombiniert bereits 26 Einsätze (8 Tore) in diversen UEFA-Wettbewerben zu Buche stehen - nicht schlecht für einen noch 20-Jährigen.

Mit den Werten diverser Slovan-Profis kann der Däne jedoch logischerweise noch nicht mithalten. Dies gilt im Vergleich auch für Hierländer, der mit 46 Europacup-Einsätzen Sturms interne Rangliste souverän anführt, bei den Slowaken jedoch nur auf Rang sechs landen würde.

Diese Statistik vermittelt einen Eindruck, erzählt jedoch in Sachen Erfahrung natürlich nicht die ganze Geschichte, schließlich kann man eine gute Karriere hinlegen, ohne ständig englische Runden zu absolvieren.

Zwei Slovan-Beispiele: Kucka hat 253 Serie-A-Spiele für Genua, den AC Milan und Parma absolviert, dazu 26 Premier-League-Spiele für Watford - Europacup-Minuten sammelte er für keinen dieser Top-Ligen-Vertreter.

Die Georgien-Connection

Weiss wiederum, der seine ersten Profi-Gehversuche einst bei Manchester City tätigte, verbrachte sechs seiner vom Alter her besten Karriere-Jahre in Katar. Man darf davon ausgehen, dass es sich finanziell ausgezahlt hat, auf bessere Stats in Fußball-Europa zu verzichten.

Sein Papa Vladimir Weiss Sr. wiederum verbindet Stars beider Teams. Der 59-Jährige war von Anfang 2016 bis Ende 2020 knapp fünf Jahre lang Teamchef von Georgien, wo er nicht nur seine nunmehrigen Vereins-Schützlinge Kashia und Kankava betreute, sondern auch Kiteishvili. Weiss verhalf Sturms Zehner 2017 sogar zum A-Team-Debüt.

Die meisten Länderspiel-Tore im Slovan-Kader hat übrigens ein Neuzugang. Gerson Rodrigues hat bereits 17 Mal für Luxemburg genetzt, darunter erst vergangenen November einen Doppelpack gegen Bosnien und Herzegowina.

Beim Debüt für Slovan fiel die Leihgabe von Dynamo Kiew vergangene Woche mit je einem Tor und einem Assist in 18 Einsatzminuten auf. Abseits des Platzes schreibt der 28-jährige Offensivspieler indes immer wieder Negativschlagzeilen.

Welche Mischung macht's?

Slovan hat jedoch nicht nur routinierte bis sehr routinierte Kräfte zu bieten. Im Angriffs-Zentrum sorgte etwa der 22-jährige David Strelec zumindest in der Liga (acht Tore, sieben Assists) für Gefahr. In der Conference League wartet er noch auf seinen ersten Treffer.

"Man braucht auch junge und hungrige Spieler. Ich finde, wir haben eine sehr gute Mischung", unterstreicht Wimmer.

Sturm auf der anderen Seite mischt eben zahlreiche junge - international mutmaßlich gefragtere - Kräfte mit einer Handvoll an Leadern.

Jungstars vs. Erfahrung: Man darf gespannt sein, welche Philosophie sich am Ende durchsetzen wird.



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