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5 Gründe für Islands Fußballwunder

Nur 330.000 Einwohner, trotzdem im Fußball richtig stark. 5 Gründe für das Wunder:

5 Gründe für Islands Fußballwunder

Gemessen an der Einwohnerzahl gibt es im Fußball wohl kaum ein erfolgreicheres Land.

Rund 330.000 Menschen wohnen auf Island, dazu dauert der Winter neun bis zehn Monate lang.

Nicht gerade die perfekten Bedingungen, um mit dem Fußball-Nationalteam Weltklasse-Niveau zu erreichen.

Trotzdem haben es die Isländer geschafft. „Früher haben wir gejubelt, wenn einer unserer Spieler einen Eckball herausgeholt hat. Jetzt sind wir bei der EURO dabei“, sagt Patrekur Johannesson. Gemeinsam mit Österreichs Handball-Teamchef geht LAOLA1 den Gründen für Islands Fußball-Wunder auf den Grund:

 

VIDEO: Island-Coach Lagerbäck übt Kritik an Ronaldo


 

1) Die Isländer lieben Sport

Johannesson hat Ahnung vom Fußball

In Island gehört der Sport zur nationalen Identität. „Viele Schüler gehen noch vor dem Unterricht um 6:30 ins Training. Das ist kein Problem“, erzählt Johannesson. Handball sei zwar der Volkssport Nummer 1, doch auch Fußball und Basketball sind sehr populär. Viele Kinder betreiben mehrere Sportarten gleichzeitig. Ex-ÖHB-Teamchef Dagur Sigurdsson etwa bestritt sieben Partien für die isländische U17-Fußballnationalmannschaft, ehe er sich doch dazu entschied, ein Weltklasse-Handballer zu werden. Mittlerweile würden sich die meisten Jugendlichen im Alter von 14 oder 15 Jahren für eine Sportart entscheiden. Deswegen herrscht zwischen den Verbänden eine relativ hohe Konkurrenzsituation.

Der Erfolg der Nachwuchsförderung zeigt sich auch in staatlichen Gesundheitsstatistiken. „Komasaufen“ ist bei isländischen Jugendlichen nicht gerade populär. Im Vergleich mit ihren Altersgenossen rauchen und trinken sie europaweit am wenigsten. Johannesson, dessen Bruder als Favorit in die isländischen Präsidentschaftswahlen am Sonntag geht, klärt auf: „Als Vater ist es mir wichtig, dass meine Kinder Sport betreiben. Das hält sie von Drogen und Alkohol fern. Früher, vor etwa 20 Jahren, war das ein echtes Problem in Island.“

 

2) Die Hallen-Offensive

Landschaft: Nicht gerade perfekt für Fußball

Damit die Jugendlichen ihre Sportbegeisterung überhaupt ausleben können, starteten Sportverbände und Regierung Ende der 1990er-Jahre eine Infrastruktur-Offensive. Elf Fußballhallen gibt es mittlerweile auf der Insel, dazu 22 Kunstrasenplätze. Den Verantwortlichen kam dabei die damals lockere Kreditvergabe der isländischen Banken zu Gute.

Bis zur Finanzkrise im Jahr 2008 waren alle Hallen fertiggebaut. Die erste wurde 2000 in Keflavik, der Geburtsstadt von Arnor Traustason, eröffnet. Ohne die Trainingseinheiten in der Indoor-Arena wäre die Karriere des Neo-Rapidlers wohl anders verlaufen, denn aufgrund der klimatischen Bedingungen in Island kann nur wenige Monate auf Naturrasen gespielt werden. „Diese Hallen-Generation spielt nun in Frankreich bei der Europameisterschaft“, erklärt Johannesson.

 

3) Das Trainer-Phänomen

David Moyes? Nein, Island-Coach Hallgrimsson

Nicht nur in die Infrastruktur wurde investiert, auch in die Ausbildung der Nachwuchs-Trainer. Betreuten  früher hauptsächlich Eltern oder andere Verwandte die Jugendspieler, so herrscht in Island mittlerweile die höchste Dichte an ausgebildeten Fußball-Trainern in ganz Europa. Seit dem Jahrtausendwechsel bot der Verband verstärkt Trainerseminare zur A- und B-Lizenz nach UEFA-Kriterien an.

124 Unterrichtsstunden umfasst so ein Kurs. Laut Angaben der „TAZ“ hatten im Jänner dieses Jahres 778 Isländer einen Abschluss inne – bei insgesamt nur rund 22.000 Fußballverbandsmitgliedern eine sehr hohe Anzahl. Dadurch können selbst die Kleinsten von professionell ausgebildeten Coaches trainiert werden.

 

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4) Die Goldene Generation

Sigurdsson ist Teil der U21-Helden

Diese Maßnahmen des Fußballverbandes zur Nachwuchsförderung zeigen nicht erst seit der erfolgreichen EM-Quali, sondern schon seit seinigen Jahren ihre Wirkung. Schon 2011 nahm Island sensationell an der U21-EM teil, damals kickte man in der Qualifikation die Deutschen aus dem Turnier. „Ja, man kann schon von einer goldenen Generation sprechen“, sagt ÖHB-Teamchef Johannesson. Ganze sechs U21-Spieler von damals bilden nun das Gerüst für jene Mannschaft, die nun auf Österreich trifft. Swansea-Star Gylfi Sigurdsson war damals genauso dabei wie Kapitän Aron Gunnarsson und Torjäger Kolbeinn Sigthorsson.

„Sigurdsson ist das Herz der Mannschaft, er ist unser Schlüsselspieler. Gunnarsson dagegen ist ein typischer Isländer, ein richtiger Kämpfer“, beschreibt Islands 241-facher Handball-Nationalspieler die beiden zentralen Figuren des Teams. Sein Lieblingsspieler bleibt trotzdem Altstar Eidur Gudjohnsen, meint Johannesson. „Was er erreicht hat, ist unglaublich. Ich würde ihn trotz seiner 37 Jahre von Beginn an bringen. Er ist ein intelligenter Spieler. Mit seiner Erfahrung und Qualität bringt er Ruhe rein – sowie es Viktor Szilagyi für mich im ÖHB-Team gemacht hat.“

 

5) Der schwedische Marcel Koller

Lagerbäck ist in Island ein Held

Für die Aufstellung der Mannschaft ist aber nicht Handball-Experte Johannesson verantwortlich. Darum kümmern sich die Nationaltrainer Lars Lagerbäck und Heimir Hallgrimsson. Ersterer kam nach einem gescheiterten Intermezzo als Nigerias WM-Coach 2011 nach Island. Davor führte er auch Verhandlungen mit dem ÖFB, ehe sich dieser für Marcel Koller als neuen Teamchef entschied. Lagerbäck entfachte im hohen Norden aber genau jenen Hype, für den sein Schweizer Kollege in Österreich sorgte. Das enge 4-4-2, das der Schwede schon als Nationalcoach seines Heimatlandes praktizieren ließ, passt perfekt zu den isländischen Spielertypen.

„Lagerbäck kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Er hat einen großen Anteil am Erfolg“, weiß Johannesson seinen Trainer-Kollegen zu schätzen. 2014 scheiterte Island erst im Playoff gegen Kroatien an der erfolgreichen WM-Qualifikation, zwei Jahre später klappte es trotz starker Gegner wie den Niederlanden, der Türkei und Tschechien mit der ersten EURO-Teilnahme. Nach dem Turnier in Frankreich wird sich der 67-jährige Taktik-Fuchs zur Ruhe setzen. Ihm folgt Hallgrimsson nach, den Lagerbäck 2013 vom Co-Trainer zum gleichberechtigten Chefcoach beförderte. Der gelernte Zahnarzt kommt aus dem Frauenfußball. In der isländischen Liga trainierte er keine absoluten Spitzenmannschaften, sondern Außenseiter. Für die Arbeit beim Nationalteam sei das kein Nachteil. „Normalerweise haben wir weniger Ballbesitz als der Gegner. Deswegen kommt dieser Job einem Trainer von einem kleineren Verein entgegen“, meint Hallgrimsson gegenüber dem „Guardian“. Unter ihm soll das isländische Fußballwunder in den kommenden Jahren seine Fortsetzung finden.

 

Jakob Faber

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