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Ohne fruchtbaren Boden werden Rapids Maßnahmen versickern

Kommentar: Rapid will beim Thema Homophobie etwas bewegen. Das ist gut. Strukturelle Probleme sind aber schwer zu bekämpfen. Es wird uns alle brauchen.

Ohne fruchtbaren Boden werden Rapids Maßnahmen versickern Foto: © GEPA

Man kann dem SK Rapid nicht vorwerfen, dass er die leidige Homophobie-Causa nicht ernst nimmt.

Binnen einer Woche einen Maßnahmenkatalog aufzustellen, auf dessen Basis das Problem von allen Seiten gleichzeitig angegangen werden soll, zeigt einmal den Willen.

Wie gut er sich eignet, seine Ziele zu erfüllen, wird die Zeit weisen. Strukturellen Problemen ist es inhärent, dass sie tief sitzen und wenig greifbar sind.

Zu wenig, um von einer Maßnahme, die von außen auf einen Verursacher einwirken soll, einen konkreten Effekt garantiert zu bekommen.

Es muss auch irgendwo ankommen

Unterdrückt ist ein Problem irgendwann. Aber es geht um dessen Behebung. Und dazu braucht es Einsicht bei Akteuren, die sich angesprochen fühlen sollen. Die sitzen nicht nur innerhalb der "Organisation SK Rapid", wo der Einfluss direkter wirken kann.

Wie groß die Bereitschaft zur Einsicht ist, darauf hat Rapid keinen Einfluss. Die trägt jeder einzelne für sich selbst. Und schlussendlich geht das Problem weit über den Fußball hinaus.

Dass der Maßnahmenkatalog nicht nur auf Jubelstürme trifft, sondern in sozialen Medien und so manch anderem Gebrüll auch immer noch Unmut über die bloße Sichtbarmachung und Aufarbeitung des Themas transportiert wird, völlig befreit von jedem Problembewusstsein, zeigt: Es wird eine Herausforderung.

In eine Bubble geraten, in der es noch "normal" ist

Ich glaube nicht, dass die "ertappten" Spieler und Betreuer homophob sind. Zumindest eignet sich der dokumentierte Zwischenfall alleine nicht dafür, diese Schlussfolgerung zu ziehen.

Diese intelligenzbefreiten Gesänge sind schon zu lange im Repertoire der Chants. Dass sie früher vielleicht weniger kritisch betrachtet wurden, sorgte für eine Normalisierung, die sich nun schon viel zu lange weitergezogen hat.

Eine Normalisierung, die die Sache in keinster Weise besser macht, sondern den Handlungsbedarf verstärkt. Sie ist auch ein Kern des Problems, das bearbeitet werden muss.

Sie hat aber nebenbei zu einer Bedenkenlosigkeit im Umgang mit den Gesängen geführt, die in einem Moment des Überschwangs auf die Spieler überschwappte. Davon gehe ich aus.

Diese Bedenkenlosigkeit beim Thema Homophobie gibt es außerhalb der Bubble aber nicht mehr. Und die Bubble kann sich der Außenwelt nicht entziehen, wenn sie in diese wirkt.

Die Reaktionen und die Strafen folgten auf den Fuß. Und haben deutlich gemacht, dass all das anno 2024 in der breiten Masse eben nicht mehr sorglos aufgenommen wird.

Protest allein untergräbt die Reue nicht

Dass die ganze Sache nun einen Stein ins Rollen gebracht hat, ist als reinigendes Gewitter zu betrachten. So gesehen hat die Causa etwas Gutes. Auch aus Rapids Sicht, denn jetzt gibt es den Anlass, den zu lang geduldeten Mief in diese Richtung anzusprechen und anzugehen.

Auch, wenn die Strafe dort als sehr hart wahrgenommen wird. Ob das Strafmaß zu gering, angemessen oder überzogen ist - darüber kann sowieso vorzüglich gestritten werden. Einen Präzedenzfall gibt es nicht, und die Existenz eines Strafmaßes ist ja noch nicht die alleinige Legitimation dessen selbst.

Selbst, wenn es Seiten gibt, die den Protest gegen das Urteil als Untergrabung von Rapids neuen Bemühungen in der Thematik betrachten: es ist klar, dass die sportlichen Auswirkungen einer Entgleisung neben dem Platz gering gehalten werden sollen. Heftig sind die Auswirkungen definitiv.

Ich würde daher nicht so weit gehen, diese beiden Aspekte in direkte Verbindung zu setzen. So oder so wird jede Sperre irgendwann abgesessen sein.

Das Problem sitzt noch überall - daher sind alle gefordert

Die Maßnahmen werden bleiben.

Und selbst, wenn ihr Erfolg nicht garantiert werden kann: Dass sie vom Spieler bis zum kleinsten Mitarbeiter intern, vom einzelnen Fan hin zum größten Sponsor extern alle an Bord holen sollen, bietet zumindest eine Grundlage für langfristige Entwicklung in die richtige Richtung.

Wie weit sie wirklich gehen kann, das liegt nicht nur an den Maßnahmen selbst. Sondern am Problembewusstsein und an der Besserungsfähigkeit bei allen.

Und "alle", das beschränkt sich nicht auf den SK Rapid, der nun den nötigen Schubs geliefert hat. Homophobie, das sitzt bei zu vielen noch tief. Welche Farben sie auch tragen - und ob sie überhaupt in ein Fußballstadion gehen. Da gibt es leider viele, viele Beispiele auch außerhalb Hütteldorfs.

Und gleich, ob es sich in einer unbedachten Verwendung von Schimpfwörtern oder tief verwurzelter Abneigung äußert. Es gibt kein akzeptables Spektrum.

Das muss verklickert, jede Normalisierung beendet, jeder Safe Space für abwertende Äußerungen und Ansichten ungemütlich gemacht werden. Dafür sind alle gefordert.

Auch wir Medien, die sich erst in dem Moment zum wirklich großen Aufschrei aufgefordert gefühlt haben, als die Spieler in diesen jahrelang gesungenen Unfug mit einstimmten.

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