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Fehlende Strukturen und das Schielen auf Erfolg

Ex-Sturm-Aufsichtsratschef Friedrich Santner zieht nach vier Jauk-Jahren Bilanz:

Fehlende Strukturen und das Schielen auf Erfolg

Am Anfang war das Wort.

"Es soll ein Paradigmenwechsel in der Führung des Vereins erfolgen", sprach Christian Jauk in die versammelte Mitglieder-Menge am 17. Jänner 2012.

Mit dem frisch gebackenen Präsidenten des SK Sturm sollte von diesem Abend an der "Wind of Change" durch Graz wehen.

Hieß konkret: Der Profi-Betrieb wird in eine eigene Kapitalgesellschaft ausgelagert, der zwei Geschäftsführer vorstehen. Einer für wirtschaftliche, einer für sportliche Belange. Kontrolliert wird diese Kapitalgesellschaft von einem Aufsichtsrat.

Es herrschte Aufbruchsstimmung

Jauk glättete mit seinen Ankündigungen vorangegangene Wogen. Eine Woche davor schmiss Vorgänger Gerald Stockenhuber überraschend hin, wenige Tage später gelangte ein für den Verein peinlicher E-Mail-Verkehr an die Öffentlichkeit, der das gescheiterte Engagement von Heinz Palme als Geschäftsführer erklärt.

Obwohl der damals brisanteste Punkt des Abends - die Abstimmung für ein Verschwinden des Sponsors aus Logo und Name - aus Sicht der Antragsteller knapp verloren ging, herrschte am Ende Aufbruchsstimmung.

Nach überstandenem Zwangsausgleich und sportlichen Höhenflügen durch den Cup-Sieg bzw. Meistertitel sollte der Verein endlich ganzheitlich auf neue, stabile Beine gestellt werden.

Vier Jahre später steht erneut eine Generalversammlung an. Am 18. Jänner sind alle Sturm-Mitglieder in die Raiffeisenlandesbank Raaba bei Graz eingeladen.

Christian Jauk steht vor der Wiederwahl - sollte er antreten. Bis zuletzt wollte er sich diesbezüglich nicht eindeutig äußern. Ein möglicher Alternativ-Kandidat tut sich bislang nicht auf. 

Was hat Jauk in diesen vier Jahren erreicht? Ist der Paradigmenwechsel gelungen?

Man hat zunächst keinen Stein auf dem anderen gelassen, wie die folgende Diashow-Zeitreise durch die letzten vier Jahre Sturm Graz verdeutlich soll. Das vermeintliche Denkmal des Präsidenten erhielt einst den Arbeitstitel "Sturm-Neu". Dabei sieht es bei näherer Betrachtung mittlerweile irgendwie alt aus.

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"Es sind letztendlich zwei Betriebe geworden mit der Wirtschaftsbetriebe GmbH und der Sportbetriebe GmbH. Das ist gelungen", begibt sich Friedrich Santner auf Erfolgsspuren-Suche. "Heute sind wir auf einem Mittelweg, das heißt, es gibt die zwei Kapitalgesellschaften. Von der Hierarchie her sind wir wieder bei der klassischen Vereinssituation mit einem Präsidenten und zwei Geschäftsführern", meint er. 

Vier-Augen-Prinzip als richtige Idee

Auf Einladung des Podcasts "Black fm" spricht der ehemalige Vorsitzende des unter Jauk installierten Aufsichtsrats unter anderem über die für ihn rätselhafte Einführung eines General Managers, die Nachwuchsarbeit ohne langfristigen Plan und zu hohe Ansprüche.

(Das gesamte Gespräch mit Friedrich Santner ist auf www.blackfm.at nachzuhören.)

2013 trat Santner, seines Zeichens Geschäftsführer der Anton Paar AG sowie Aufsichtsrats-Vorsitzender der Styria Medien AG, von seiner Funktion beim SK Sturm zurück. Diese wurde seither nicht nachbesetzt.

Seinen Abgang begründete er damals damit, bei fast allen Entscheidungen einer Mehrheit gegenüber gestanden zu sein, die anderer Meinung war.

Bei den grundsätzlichen Strukturen mit zwei Geschäftsführern war man sich einig. "Das Vier-Augen-Prinzip ist eine richtige Idee. Der eine gibt das Geld aus, der andere muss schauen, wie es herein kommt. Mit Christopher Houben und Paul Gludovatz war man anfangs gut besetzt. Leider ist Gludovatz krank geworden und Houben hat dann mehr Arbeit gehabt, als ihm lieb war. Auch Jauk und ich. In der Nachbesetzung von Gludovatz ist dann etwas passiert, was in der Öffentlichkeit nicht bekannt ist", weist er auf eine folgenschwere Personalentscheidung im September 2012 hin:

Gludovatz-Nachfolger war fix - und sagte ab

"Es waren Kandidaten aus Deutschland und Österreich da. Wir waren uns am Ende mit einem Österreicher handelseinig. Es war praktisch klar, dass er der sportliche Geschäftsführer werden soll. Er hat dann am Tag seiner Bekanntgabe oder kurz davor abgesagt."

Als sich Santner daraufhin nach einem Urlaub wieder seinen Aufgaben widmen will, zaubert der Verein einen Plan B aus der Schublade. Ayhan Tumani übernimmt neben dem Job als Co-Trainer auch jenen des sportlichen Geschäftsführers (ist also ironischerweise gleichzeitig Assistent und Chef des damaligen Trainers Peter Hyballa), Daniela Friedl (damals Tscherk) ist wirtschaftliche Geschäftsführerin und dazu wird Gerhard Goldbrich - davor im Vorstand - zum General Manager.

"Wenn ich den Plan mit den beiden GmbHs ernst nehme, brauche ich keinen General Manager installieren."

Friedrich Santner

Eine unsinnige Entscheidung, meint Santner: "Aus dem Vier-Augen-Prinzip ist ein Sechs-Augen-Prinzip geworden. Das hat die Struktur komplizierter gemacht. Dann hat man sich von Tumani getrennt und Goldbrich und Friedl sind übrig geblieben. Dabei wird noch immer der Begriff General Manager verwendet. Meiner Meinung nach zu Unrecht. Wenn ich den Plan mit den beiden GmbHs ernst nehme, brauche ich keinen General Manager installieren. Das Vier-Augen-Prinzip war damit natürlich weg."

Alles hängt vom Erfolg der Kampfmannschaft ab

Kann man damit sagen, dass die strukturelle Modernisierung des SK Sturm gescheitert ist? "Gescheitert würde ich nicht sagen. Man hat sein Bestes gegeben. Man darf nie übersehen, mit welchem großen Einsatz die handelnden Personen am Werk sind", resümiert Santner.

Letztlich sei auch das Umfeld nicht unwesentlich am vorzeitigen Aus diverser Personen verantwortlich gewesen: "Ich war vielleicht auch ein wenig blauäugig, weil ich das Netzwerk, das um diesen SK Sturm existiert, unterschätzt habe und an diesem Netzwerk sind Hyballa und Tumani - neben eigenen Unzulänglichkeiten - gescheitert."

Ein weiterer Kritikpunkt: Der zu große Einfluss der aktuellen sportlichen Leistungen der Kampfmannschaft auf den gesamten Verein: "Es wäre notwendig, Strukturen zu bauen, die unabhängig davon funktionieren, ob die Kampfmannschaft erfolgreich ist oder nicht. Durch die Turbulenzen in der Anfangszeit ist das Umfeld so unruhig geworden, weil alle auf diesen Erfolg schielen und meiner Meinung nach zu wenig Unterbau da ist."

"Wozu habe ich eine Akademie?"

Santner spricht damit einen Bereich an, der derzeit vielen Sturm-Anhängern, darunter auch den Fangruppen der Nordkurve, sauer aufstößt: Die fehlende Nachwuchs-Förderung:

"Derzeit stehen im Kader von Sturm Graz, wenn man es flapsig sagt, zweieinhalb Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, die man jetzt auch noch als Nachwuchsspieler bezeichnen kann. Andi Gruber, Tobias Schützenauer, Benjamin Rosenberger und Sandi Lovric. Da muss man sich fragen: Wozu habe ich alle Nachwuchsmannschaften und wozu habe ich eine Akademie? Brauche ich die überhaupt?"

"Stangl hat gesagt, er traue sich das nicht zu, er sei zu schwach für Sturm. Er wollte weg."

Friedrich Santner

Was ihm hier fehlt, ist Struktur. Das habe mit Trainerentscheidungen nur bedingt zu tun: "Sowohl Hyballa, als auch Milanic und Foda sind gute Trainer, man kann mit jedem der drei langfristig etwas Tolles aufbauen. Aber wenn ich sage langfristig und aufbauen, dann muss ich konsequent sein."

Der Fall Stefan Stangl

Diese vorherrschende Inkonsequenz führte bereits zu schmerzhaften Abgängen. "Es gibt einige Spieler, um die es mir wirklich leidtut. Stefan Stangl habe ich selbst erlebt. Er ist bei mir im Büro gesessen. Ich habe mich damals um diese Dinge gekümmert, weil Gludovatz nicht mehr da war. Stangl hat gesagt, er traue sich das nicht zu, er sei zu schwach für Sturm. Er wollte weg."

Mittlerweile ist Stangl beim SK Rapid als Linksverteidiger gesetzt. Eine Position, auf der Sturm in den letzten Jahren alles andere als ausreichend aufgestellt war. Umso bitterer ist dieses Beispiel aus Santners Sicht.

Das Streben nach unmittelbarem Erfolg führte dazu, dass am Papier gut klingende Pläne und Vorhaben bei den Schwarz-Weißen zu inkonsequent durchgeführt wurden. Für Santner beginnt alles bei der Selbsteinschätzung.

Die Top vier - ein Irrtum?

"Wir sprechen immer davon, dass wir zu den großen vier Klubs gehören. Ich glaube, dass das ein Irrtum ist. Es wäre vermessen zu sagen, dass Sturm von Haus aus mit Salzburg, Rapid und Austria mitspielen kann. Der Anspruch ist einfach zu hoch gegriffen", sieht er gerade im wirtschaftlichen Bereich große und immer größer werdende Lücken zu den drei Großklubs.

"Mit einer gesunden wirtschaftlichen Basis wird es schwierig. Es wird zunehmend schwieriger, Sponsoren zu finden. Wenn man sich die Bilanzen ansieht, sind wir auf Transfererlöse angewiesen", fällt der Blick in die Zukunft nicht gerade rosig aus.

Wird sich Jauk daher vom Präsidentenamt zurückziehen? "Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht", meint Santner. "Ein Sturm-Präsident muss viel Zeit investieren, muss leidensfähig sein. So groß wird die Menge, die sich da nach vorne drängt, nicht sein."

Andreas Terler

Das gesamte Gespräch mit Friedrich Santner ist auf www.blackfm.at nachzuhören.

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