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Kirchgasser: "Ein bisschen wie Weihnachten!"

Kirchgasser:

Einblicke in den Alltag einer österreichischen Skifahrerin am Beispiel Michaela Kirchgasser.

Freitag, 19. Oktober 2012. Tagwache um 5:45 Uhr, nach einem kurzen Frühstück sitzt die Salzburgerin um 7 Uhr am Lift.

„Es war noch finster, als wir die ersten Runden gefahren sind“, erzählt die 27-Jährige im Gespräch mit LAOLA1.

Nach den Zeit- und Quali-Läufen am Gletscher hoch über Sölden geht es wieder hinunter, schnell Duschen, Packen und im Eiltempo nach Innsbruck, wo schon der Flieger nach Graz wartet.

Der ganz normale Wahnsinn

Kurz durchschnaufen an Bord, denn in der steirischen Landeshauptstadt geht der Stress bei der Präsentation der ÖSV-Wäsche in einem Shopping-Center weiter.

Schminken, Gewand ausfassen, aus Zeitgründen wird die Probe abgesagt, dann Modenschau, Interviews, Autogramm-Stunde.

Kurz nach 21 Uhr lässt sich Michaela Kirchgasser erschöpft in den für sie reservierten Sitzplatz im Flugzeug fallen, um Mitternacht liegt sie im Bett.

Ein bisschen wie Weihnachten

Am Samstag läutet um 6 Uhr der Wecker. Morgenstund‘ hat Training in den Beinen. Auch weil der Terminkalender wieder voll ist.

Um 12 Uhr müssen Kirchgasser und Kollegen in Innsbruck zur Einkleidung antreten, bedeutet: von Ausrüster zu Ausrüster, von Stand zu Stand pilgern und dort anziehen, probieren, ausziehen.

„Es ist ein bisschen wie Weihnachten, da hat man auch positiven und negativen Stress“, lacht die Gewinnerin von bislang drei Weltcup-Rennen und verrät, wie ihr letzter Sonntag vor dem eigentlich am Wochenende geplanten Saisonstart aussieht.

„Noch einmal so richtig ausschlafen, viel Zeit auf der Couch verbringen und bewusst nichts tun", wollte sich die Filzmooserin eine letzte Auszeit nehmen.

Kein Start in Sölden

Die wird nun länger dauern: Denn Kirchgasser wird in Sölden nicht am Start stehen.

Bei einem Trainingssturz am Hintertuxer Gletscher zieht sich "Kirchi" eine Kapsel-Prellung im linken Knie, das sie im Mai 2010 operativ behandeln lassen musste.

"Sölden macht nur dann einen Sinn, wenn man auch 100 Prozent geben kann - und das geht nur, wenn man zu 100 Prozent fit ist. Das ist zur Zeit leider nicht möglich."

"Sind im Skifahren eine Weltmacht"

Also müssen die Teamkollegen einspringen und die sommerliche Olympia-Pleite von London oder andere Sport-Pannen, wie das peinliche 0:0 des ÖFB-Teams in Astana, vergessen machen.

„Im Skifahren sind wir eine Weltmacht, wie die Amerikaner im Schwimmen. Es macht schon stolz, Teil dieser Weltmacht zu sein.“

Weltmacht Österreich? Ist Skifahren wirklich ein Weltsport, oder ist es nicht viel eher so, wie Kritiker meinen, dass eben ein paar Alpenländer um Weltcup-Punkte fahren?

„Ja, wir sind ein Weltsport“, sagt die Salzburgerin bestimmt, denn es gebe ja auch Weltmeisterschaften und dort seien sehr viele Länder, darunter auch exotische und mit Schnee weniger gesegnete, vertreten.

„Leider gibt es immer und überall Leute, die versuchen, ein Haar in der Suppe zu finden. Skifahren ist vielleicht nicht die Nummer 1 unter den Weltsportarten, aber es ist eine Weltsportart und wir können stolz sein, dass wir da ganz vorne stehen.“

Kein ständiges Auf und Ab

Michaela Kirchgasser weiß, dass die Fans von den Skifahrern gerade in schweren Zeiten Siege erwarten.

„Die Menschen wollen sich freuen und vielleicht die eine oder andere Sorge vergessen. Beim Fußball ist es ein ständiges Auf und Ab, wir spielen 90 Minuten gut, aber am Ende gewinnt Deutschland.“

Anders als die Fußballer werden die Skifahrer nur in Ausnahmefällen mit Spott und Hohn übergossen.

"Kriegt noch mehr Bedeutung"

Auch der Wiedererkennungswert ist, hat Kirchgasser schon in jungen Jahren bemerkt, ist ein ganz anderer.

„Beim Skifahren musst du in Österreich nicht Weltmeisterin werden oder Kugeln gewinnen, damit dich die Leute auf der Straße erkennen.“

Und die Begegnungen mit Ski-Fans verliefen bislang immer positiv.

„Ich habe das Gefühl, dass sich die Leute für mich freuen, wenn es gut läuft. Sicher sind Siege in erster Linie mein Erfolg, aber wenn es den Leuten taugt und sie sagen ‚Wir haben gewonnen!‘, dann kriegt es gleich noch mehr Bedeutung.“

 

Stephan Schwabl