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Christoph Sumann: "Es war zum Plärren"

Christoph Sumann:

Die Dramaturgie ist perfekt.

Mit einem Paukenschlag starten, zahlreiche Highlights zwischendurch einbauen und am Ende folgt das große Finale.

Als hätte Steven Spielberg oder Martin Scorsese Regie geführt, halten die Olympischen Spiele in Sotschi für Österreichs Biathleten mit der Staffel das absolute Highlight zum Schluss parat.

Nach Dominik Landertingers Silbermedaille zum Auftakt gab es zahlreiche Spitzenplätze für die heimischen Loipenjäger, zum Ende der Spiele wollen sie sich noch einmal mit einer Medaille belohnen.

Für den ältesten IOC-Teilnehmer, Christoph Sumann, ist es zugleich der krönende Abschluss auf der ganz großen Bühne.

Der inzwischen 38-jährige Steirer tritt mit Saisonende ab und plant als zweifacher Medaillengewinner von Vancouver (Silber in Verfolgung und Staffel) einen letzten großen Coup.

"Das ist mir völlig wurscht"

Wehmut schwingt beim Routinier allerdings keine mit.

„Das ist mir völlig wurscht und tut nichts zur Sache. Es wird immer irgendwo ein letztes Rennen sein, aber das steht für mich nicht zur Debatte“, stellt er im Gespräch mit LAOLA1 klar.

In puncto Motivation muss man sich um den eloquenten Routinier ebenfalls keine Sorgen machen. „Wer hier motiviert werden muss, ist fehl am Platz. Der Druck ist aber sicher größer, weil man nicht nur für sich selbst verantwortlich ist, sondern für das ganze Team. Ich freue mich darauf, denn es ist eine große Ehre und ich bin stolz, noch einmal dabei sein zu dürfen.“

Alle Höhen und Tiefen

Für Sumann sind es die vierten Spiele, er hat so gut wie sämtliche Höhen und Tiefen des Spitzensports erlebt. „In Salt Lake City waren wir absolute Medaillenkandidaten“, erinnert er sich zurück. Doch ausgerechnet am Staffel-Tag spielte das Wetter verrückt und die ÖSV-Athleten hatten miserable Ski. „Es war zum Plärren, denn wir hatten nur fünf Nachlader und wurden trotzdem nur Sechste. Ich hatte das Gefühl, Kaugummi auf den Skiern zu haben.“

Vier Jahre später verkamen die Bewerbe aus österreichischer Sicht zum Desaster. Der Dopingskandal sorgte für Aufsehen und hinterließ einen fahlen Beigeschmack. „Dort habe ich den Zielsprint um den vorletzten Platz verloren. Ich erinnere mich ungern zurück. Unter diesen Voraussetzungen war aber ganz einfach nicht mehr möglich.“

Die Versöhnung mit den Spielen erfolgte in Vancouver. Erst Silber im Verfolger, dann auch noch in der Staffel. Dabei hatte er im Teamwettbewerb am Schießstand ordentlich zu kämpfen und sicherte Rang zwei erst im Zielsprint. Unvergessen sein selbstkritischer Spruch über die „angeschossene Milchkuh“. „Der ist legendär“, lacht er.

Ab ins Tal

Für den 38-Jährigen ist die Staffel „DAS Highlight, einfach das wichtigste Rennen.“ Die Gründe dafür seien simpel. Neben der Tatsache, dass seine Medaillenchance dort am größten ist, „taugt sie mir, weil es um die ganze Mannschaft geht. Es ist ein zusätzlicher Ansporn, noch weitere zehn Prozent aus dem Körper rauszuholen.“

Das könnte sich allerdings als extrem schwierig erweisen, denn Sumann war zuletzt bereits am Limit. Aufgrund der Höhenlage wechselte er die Unterkunft und verließ das „Endurance Village“, um ins Tal umzuziehen. Dort teilte er mit Eiskunstläufer Viktor Pfeifer („Der war nie da“) das Zimmer und genoss es, sich mit den Eishockey-Stars austauschen zu können.

Inkognito bei Russland-Finnland

„Ich hatte viel mit ihnen zu tun, was mir echt getaugt hat“, so der erklärte NHL-Fan. Dadurch kam er sogar in den Genuss, das Spiel Russland gegen Finnland (1:3) live mitverfolgen zu können.

Inkognito, wie er LAOLA1 verrät. „Robert Lukas hat mich mitgenommen. Er hat mir die Akkreditierung besorgt, sonst wäre ich nicht reingekommen. Wir haben ein bisschen geschummelt, ich war als Spieler dabei.“

Bei der großen Party-Nacht der ÖEHV-Cracks fehlte der Steirer allerdings. „Nein, nein“, distanziert er sich von den Exzessen. „Ich habe zu ÖOC-Präsident Stoss schon gesagt, dass ich zwar viel mit ihnen zusammen war, aber Gott sei Dank nur tagsüber.“

Portion Wut

Die Staffel nimmt er übrigens mit einer Portion Wut im Bauch in Angriff, hat er doch im Massenstart gehörig daneben gegriffen.

„Ja, danach war ich sauer. Es hat mich angezipft, dass in den Tagen davor immer wieder verschoben wurde. Irgendwie habe ich mich dann nicht mehr so wohl gefühlt, dazu war ein Sauwetter.“

Das Rennen wurde mehrfach verschoben, letzten Endes landete Sumann auf dem 27. Platz und war damit Letzter aller Klassifizierten. „Ich habe einen taktischen Fehler gemacht“, erklärt er, hatte er sich doch für ein Nebelkorn entschieden, um im Fall der Fälle die Scheiben besser sehen zu können.

Die Sicht war dann allerdings perfekt und das Korn ein echter Fehlgriff. „Das muss ich auf meine Kappe nehmen. Ich bin dann halt alleine herumgegurkt und die Motivation war auch nicht mehr die beste.“

Aufgeben kein Thema

Ans Aufgeben dachte er allerdings keine Sekunde. „Das gibt es nicht, bei Olympia sowieso nicht“, so die unmissverständliche Ansage. Er bereite sich schließlich nicht vier Jahre vor, um dann bei einem schlechten Rennen die Flinte ins Korn zu werfen.

Sumann holt aus, um davon zu erzählen „noch nie ein Rennen aufgegeben“ zu haben, um sich Sekunden später zu korrigieren. „Oh … doch, da habe ich jetzt gelogen. In Oberhof 2004 bin ich ganz hinten in die Verfolgung gestartet. Mit vier Fehlern liegend habe ich dann begonnen und völlig entnervt aufgegeben. Das war es dann aber auch.“

Happy End?

Genau diese Fehler will er am Samstagabend tunlichst vermeiden, um der ÖSV-Staffel, die wie vor vier Jahren und auch beim Sieg in Ruhpolding aus ihm, Daniel Mesotitsch, Simon Eder und Dominik Landertinger besteht, als Startläufer die bestmögliche Ausgangsposition zu verschaffen.

Sumann traut sich und seinen Kollegen alles zu. „Man hat das ganze Jahr über gesehen, dass wir immer in Schlagdistanz waren. Es kann alles passieren, ich hoffe, dass hier alles zum Guten passiert.“

Es wäre das erhoffte „Happy End“ eines wahren Biathlon-Thrillers.


Aus Sotschi berichtet Christoph Nister