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So stehen die NHL-Chancen von Thomas Raffl

So stehen die NHL-Chancen von Thomas Raffl

Ab Donnerstag tut sich für Thomas Raffl eine neue Welt auf.

Der 29-jährige Villacher präsentiert sich im Trainingscamp der Winnipeg Jets und kämpft um seine Chance auf einen NHL-Vertrag.

LAOLA1 blickt hinter die Kulissen dieses nicht immer schlüssigen Deals und schätzt die Chancen des Salzburg-Stürmers auf eine Verpflichtung durch die Kanadier ein.

  • Wie kam es zu dieser Einladung?

Raffls Agenten Jerry Buckley und Patrick Pilloni versuchten ihren Klienten schon vor dem 15. Juni in der NHL unterzubringen. Neben weiteren Teams hatten auch die Winnipeg Jets loses Interesse, erkundigten sich etwa bei mir über Raffl als Person abseits des Eises, zu einem Deal kam es aber doch nicht. Nach Monaten flammte das Interesse wieder auf, die Jets ließen sich dazu erweichen, Raffl ins Camp einzuladen.

  • Wieso war der 15. Juni so ein besonderes Datum?

Dieser ist der letzte Tag, wo Spieler, die bei europäischen Teams unter Vertrag stehen und nicht bereits der NHL angehören, in Nordamerika unterkommen können. Basis dafür ist das Abkommen zwischen den einzelnen IIHF-Verbänden bzw. –Ligen und der NHL. Im Jahre 2013 abgeschlossen, beendete es damals einen jahrelangen vertragslosen Zustand. Der vorherige Vertrag, der von einigen Verbänden zu Fall gebracht wurde (sie wollten mit den NHL-Teams direkt verhandeln und waren mit den ausgehandelten Transferbeträgen nicht zufrieden), war einer zwischen der NHL und der IIHF. Jetzt putzt sich der internationale Verband ab, stellt sich auf den Standpunkt, dass die Verbände bei Unklarheiten selbst mit der NHL Kontakt aufnehmen müssen. Diese Erfahrung machten Salzburg-Manager Stefan Wagner und ÖEHV-Generalsekretär Christian Hartl im Falle Raffl.

  • Wenn es diese Deadline gibt, wieso durfte Raffl gehen?

Ganz einfach: Nur aufgrund des Entgegenkommens von Salzburg, denn koscher war die Sache nicht. Das Transferabkommen soll ja zwei Sachen klarstellen. Die (nicht verhandelbare) Transfersumme: Die wäre im Falle Raffl (einziger ÖEHV-Spieler, der heuer in die NHL wechseln würde) 240.000 US-Dollar, die von der NHL (nicht Winnipeg) an den ÖEHV (gäbe es an Salzburg weiter) ausbezahlt würden.

Eine gewisse Planungssicherheit: Die NHL könnte theoretisch das ganze Salzburg-Team verpflichten, egal ob sie Verträge haben oder nicht. Aber eben nur bis zum 15. Juni, damit das Team bis zum Saisonstart entsprechend reagieren kann. Eine Organisation wie Skelleftea in Schweden verliert etwa jede Saison mehrere Spieler an die NHL, weiß aber immerhin mit 16. Juni, wer bleibt und wer geht.

Nach dem 15. Juni sollte nichts mehr gehen, außer der Spieler ist ohne Vertrag, dann kann er bis zum NHL-Start überall unterschreiben. Im Hause Red Bull hat man aber schon Ende Juli eine Ausnahme gemacht, als man Goalie Niklas Treutle trotz Vertrags nach Arizona ziehen ließ. Dazu musste München den Vertrag mit Treutle erst auflösen, ihn quasi zum „Free Agent“ machen, ehe er einen NHL-Kontrakt unterschreiben konnte. Das war ganz alleine die Entscheidung von Red Bull (München) - hätten sie auf den Vertrag beharrt, hätte er bleiben müssen. Aber immerhin haben sie Sicherheit, dass Geld fließt, und wenn sich Treutle beim ersten Training verletzt, ist es das Problem von Phoenix.

  • Aber man kann doch einem Spieler wie Raffl die Chance nicht verbauen, oder?

Wollte auch niemand, dazu ist das Verhältnis zwischen Thomas Raffl (und seinen Agenten) und Salzburg (vor allem in der Person von Manager Stefan Wagner) zu gut, gemeinsam umschiffte man die auftretenden Probleme, Raffl war auch abseits des Eises immer ein Profi. Einige Fragen wurden so gelöst, einige sind immer noch offen:  Wie lange bleibt er eigentlich drüben? Bis nach den ersten beiden Exhibition Games oder länger? Das kann keiner voraussagen, sein Tryout-Vertrag sichert den Jets die exklusiven Rechte bis zum Saisonstart.

  • Fließt die Ablösesumme, wenn Raffl einen Vertrag unterschreibt?

Nach NHL-Auskunft: Ja!

  • Was passiert, wenn er sich drüben verletzt?

Die Jets würden ihn mit einem mitleidsvollen Blick auf die Schulter klopfen und ihn mit einem T-Shirt und Cap verabschieden, ihr Problem wäre das aber nicht. Stefan Wagner und Patrick Pilloni haben zwar eine Versicherung ausgehandelt, aber trotzdem würde Salzburg mit einem verletzten Topstar dastehen. Raffl wiederum bekäme lediglich etwas mehr als 100 Dollar pro Tag als Taggeld…

  • Muss er, wenn es zu keinem Vertrag kommt, nach Salzburg zurück oder kann er auch zu einem anderen Team gehen?

Salzburgs Vertrag mit Raffl ist weiter aufrecht, er hat nur eine schriftliche Freigabe für das Camp erhalten.

  • Was passiert eigentlich mit den Juli- und August-Gehältern für Raffl? Muss Salzburg auch noch dafür zahlen, dass sie einen Spieler an die NHL verlieren? Zahlen sie ihn im September und Oktober ganz oder nur aliquot?

Das wäre dann Verhandlungssache zwischen den Red Bulls und Raffls Management...

  • Welche Auswirkungen könnte der Deal allgemein haben?

Man sieht, eine Reihe von teilweise ungelösten Problemen in einer nicht einfachen und eigentlich einmaligen Causa, die einen gefährlichen Präzedenzfall für die IIHF-Verbände geschaffen hat.

Denn die NHL und ihre Scouts könnten in Zukunft einfach sagen: „Guter Spieler, gefällt uns, aber sicher sind wir uns auch nicht, wie es ihm in Nordamerika gehen wird. Laden wir ihn einfach zum Camp ein.“ Der Agent würde dann dem europäischen Team das Messer an die Brust setzen („Einmalige Chance, die könnte ihr ihm nicht verwehren!“) und der Verein kann nur verlieren: Geht der Spieler, müssen sie während der Saison Ersatz beschaffen, muss er bleiben, ist er vielleicht vergrätzt.

Nochmals: Genau solche Szenarien soll das Transferabkommen vermeiden, spätestens bei der nächsten IIHF-NHL-Zusammenkunft sollte daher der Fall Raffl nochmals diskutiert werden.

  • Wie stehen Thomas Raffls Chancen auf einen Vertrag?

Schwierig zu sagen, aber einiges spricht dafür: Raffl ist nicht nur wie immer in Tipptopp-Verfassung, sondern durch die CHL-Spiele auch in Game Shape. Aussage eines EBEL-Coaches: „Wenn der sich dort sein Hemd erstmals auszieht, geben sie ihm sofort einen Vertrag.“

GM Kevin Cheveldayoff liebt große, körperlich starke Spieler.

Die Jets haben einige offene Stürmerpositionen. Der vielseitige Michael Frolik kam ihnen in der Free Agency abhanden, Eric O’Dell und T. J. Galiardi fanden auch neue Teams. Jiri Tlusty, Lee Stampniak und Jim Slater bot man (bis jetzt) keinen neuen Vertrag an. Neuzugänge sind bis jetzt nur Matt Fraser (Edmonton Oilers) und Heimkehrer Alex Burmistrov (verbrachte zwei Jahre in der KHL).

Gesetzt sind: Die Center Bryan Little, Mark Scheifele und Adam Lowry. Am Flügel: Kapitän Andrew Ladd, Blake Wheeler, Mathieu Perreault, Drew Stafford, Burmistrov (kann auch centern) und der limitierte, aber beliebte Chris Thorburn. Um die restlichen Plätze kämpfen Fraser, Fighter Anthony Peluso, Matt Halischuk und der seit Jahren stagnierende Patrice Cormier, die alle über NHL-Erfahrung verfügen.

Thomas Raffl startet ins Trainingscamp des NHL-Teams der Winnipeg Jets

Chance via Farmeteam?

Cheveldayoff ließ bewusst einige Spots offen, schließlich verfügen die Jets über einen der besten Talentepools der Liga. Andrew Copp ist der Topkandidat für  den vierten Centerplatz, der Däne Nikolai Ehlers könnte mit seinem Speed und Scorerfähigkeiten den Sprung zum NHL-Star schaffen.

Ebenfalls eine Offensivwaffe: Der kleinwüchsige Nic Petan. Mit sehr guten Chancen auf einen Platz in der dritten Linie: Der Finne Joel Armia, letzte Saison aus Buffalo gekommen. Eine Außenseiterchance könnte der aufsässige Brendan Lemieux haben.

Sollten Spieler wie Ehlers, Petan oder Lemieux noch Zeit brauchen, könnte Raffls Stunde schlagen, der Free-Agent-Markt gibt aber auch immens viele Alternativen her. Raffl ist neben Goalie David Leggio übrigens der einzige Tryout im Jets-Camp.

Vor allem Assistant GM Craig Heisinger legt auch großen Wert auf ein starkes und erfahrenes Farmteam. Noch dazu spielen die Manitoba Moose heuer erstmals in der Heimhalle der Jets, dem MTS Centre, und die Halle muss gut gefüllt werden.

  • Was spricht gegen Raffl?

Die Jets hätten Raffl schon nach der WM unter Vertrag nehmen können, Pro Scout Mark Dobson sah Österreich dreimal spielen. Derzeit rangiert Raffl noch unter „ferner liefen“, groß wurde der Villacher intern nicht diskutiert, auch gegenüber den Medien wurde sein Name nie erwähnt.

Die eigenen Talente haben sicher Vorrang und kennen die Gegebenheiten schon. Raffl, im Gegensatz zu seinem bei Philadelphia spielenden Bruder Michael eher ein ruhiger Charakter, muss sich einerseits einfügen, andererseits aber auch aggressiv präsentierten.

Eisläuferisch hat er sich seit seiner Zeit in Schweden stark verbessert, aber kann er den NHL-Speed gehen? Raffl ist in der EBEL natürlich ein Scorer. Könnte er sich auf eine Rolle in der vierten Linie mit limitierter Eiszeit, Defensivaufgaben und aggressiverem Körperspiel umstellen?

Am Dienstag gegen Thomas Vanek

Raffls Vertrag wäre übrigens im Gegensatz zum ersten seines Bruders frei verhandelbar. Aufgrund seines Alters (über 28) sind Gehaltssumme, Vertragslänge und weitere Modalitäten (Ein- oder Zwei-Weg) keinerlei Einschränkungen unterworfen. Ein Ein-Weg-Vertrag würde er aber mit größter Wahrscheinlichkeit nicht werden. Unter Salary-Cap-Problemen leiden die Jets nicht, Raffl wäre aber mit einem wahrscheinlichen Gehalt unter einer Million eine billige Ergänzung.

Auf dem Eis kann sich Raffl erstmals am Freitag präsentierten, vier Tage lang stehen On- und Off-Ice-Trainingseinheiten an. Das erste Exhibition Game steigt am kommenden Dienstag gegen Thomas Vaneks Minnesota Wild in Winnipeg.

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