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"Lord Stanley", eine Legende

Nervenkitzel, Trauer, Begeisterung – der Stanley Cup weckt ganz besondere Emotionen.

Er ist die Krönung jeder Laufbahn. Er garantiert dir Ruhm und Glanz für Lebzeiten.

Über Jahrzehnte entwickelte sich „The Holy Grail“ zum Symbol sportlicher Überlegenheit.

Der rund 90 Zentimeter hohe sowie 15,5 Kilogramm schwere Pokal ist die bedeutendste aller Eishockey-Trophäen.

Kurzum: „Lord Stanley“ ist eine Legende. Und die glorreiche Historie wird mit der 119. Ausgabe um ein weiteres Kapitel reicher.

Härteste Angelegenheit unseres Lebens“

Nach 42 Jahren des Wartens greifen die Los Angeles Kings erstmals nach der Krone. Verantwortliche, Betreuer und allen voran die Spieler würden sich damit unsterblich machen.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wir sind unfassbar glücklich, stehen im Stanley Cup Finale. Davon hat jeder Spieler in seiner Kindheit schon geträumt", rang Defender Drew Doughty nach dem ersten Titel-Gewinn der Western Conference seit der Ära Wayne Gretzky (1993) um Worte.

Zum Widersacher könnten die New Jersey Devils werden. Beide Teams verbindet ein Traum: Einmal den Stanley Cup in Händen zu halten und den Namen darauf zu verewigen. Doch was macht die Faszination aus?

Engländer stiftet 50 Dollar Trophäe

Alles begann im Jahre 1888. Frederick Arthur Stanley wurde als Generalgouverneur vom britischen Parlament in die Kolonie Kanada versetzt. Dort entdeckten seine Söhne Algernon sowie Arthur ihre Passion für den Kufensport. Bald packte auch den „Gründervater“ das Eishockey-Fieber.

„Ich habe des Öfteren darüber nachgedacht, dass es wohl eine gute Sache wäre, wenn es jedes Jahr einen Pokal für das beste Team gäbe. Momentan gibt es kein Symbol des Erfolgs. Es ist wichtig mit Regeln zu spielen, dann würde ich etwas stiften.“ Die Idee des Stanley Cups war geboren.

Umgerechnet 50 Dollar kostete die Wander-Trophäe, welche bis 1910 an die besten Amateur-Teams Kanadas verliehen wurde.

Zigarren-Form mit originalem Cup

Mit dem allseits bekannten Modell von Heute hat das Original, welches in der Hockey Hall of Fame zu bewundern ist, allerdings nur wenig Ähnlichkeit. Einzig der Cup blieb übrig, die Zigarren-Form erhielt der Pokal nach Jahrzehnten der Adaptionen.

Übrigens: Wie es das Schicksal so wollte, wurde Lord Stanley nie Augenzeuge einer Titel-Vergabe. Das Ableben seines Bruders zwang ihn zur vorzeitigen Heimreise nach England. Wenige Monate darauf ging die Montreal Amateur Athletic Association als erster Champion in die Geschichtsbücher ein.

Fortan stieg das Interesse unaufhörlich, Eishockey entwickelte sich zur Publikums-Attraktion. Rund 5.000 Fans sahen beispielsweise die Titelverteidigung Montreals 1894 gegen die Ottawa Capitals.

Legendäre Anreise dauerte 23 Tage

Zum Prestige des Bewerbs trugen besonders legendäre Geschichten rund um den Sport bei. Hier seien die Dawson City Nuggets erwähnt. Sie mussten die wohl schwierigste Anreise zu einem NHL-Gastspiel meistern.

Gretzky jubelte vier Mal mit Stanley Cup
Mit Hundeschlitten, Schiff und Zug bestritten sie den 4.400-Meilen-Trip zu den Ottawa Silver Seven. Nach 23 Tagen waren die erschöpften Spieler am Ziel, nur einen Tag vor dem Auftakt in die Finalserie. Der sentimentale Favorit war letztlich chancenlos, im zweiten Duell kassierte man eine 3:22-Pleite.

Dabei zeichnete sich Frank McGee für 14 Tore verantwortlich, und das mit nur einem funktionierenden Auge. Die dreijährige Regentschaft der Hauptstadt-Franchise lieferte zudem die erste einer Vielzahl an Anekdoten um den Stanley Cup.

Ein Ottawa-Crack kickte während der Feierlichkeiten die Trophäe auf den Rideau Canal, zum Glück der Beteiligten war die Wasserstraße zugefroren.

Lord Stanley“ im Strip Club

In den folgenden Jahren wurde das Original derart in Mitleidenschaft gezogen, dass die siegreiche Franchise seit 1970 eine Replik erhält.

Diese befindet sich dann hundert Tage in deren Besitz, dabei musste sie bereits einige Schandtaten über sich ergehen lassen. Ein Auszug gefällig?

Center-Legende Mark Messier entführte die „Silber-Zigarre“ nach dem Triumph mit den Edmonton Oilers 1987 in einen Strip Club. Phil Bourque beschädigte 1991 den Pokal, als er im Rahmen einer Party bei Penguins-Kollege Mario Lemieux damit in den Pool sprang.

Für Sylvain Lefebvre hatte die Zeit mit „Lord Stanley“ einen religiösen Aspekt. Der Avalanche-Defender ließ 1996 seinen Nachwuchs darin taufen.

Um die Welt gingen die Bilder Eddie Olczyks.

Cup auf der Pferde-Rennbahn

„Jeder Spieler hatte ihn einen Tag. Ich nahm den Cup mit auf die Meadowlands Rennstrecke. Dort gab es eine Charity-Veranstaltung. Das Bild, wo ich „Go for Gin“ (Anm.: Pferd) mit ihm bekannt machte, erregte große Aufmerksamkeit.“ Der US-Amerikaner stand danach für seinen fehlenden Respekt gegenüber der prestigeträchtigen Trophäe in der Kritik.

„In der Vergangenheit wurde er in den Pool geworfen und Clark Gillies' (Anm.: NY Islanders) Hund hat daraus gefressen. 'Go for Gin' hat nur seinen Kopf hinein gesteckt und wir haben 8.000 Dollar für den guten Zweck gesammelt, das ist doch großartig“, konnte der damalige Crack der New York Rangers die Aufregung nicht nachvollziehen.

Dann bist du ein Winner, ein Leben lang“

Für Olczyk machen solche Präsentationen und Anekdoten die Faszination aus: „Dadurch fühlen sich die Fans dem Team noch näher.“ Hinter „Lord Stanley“ stecken wahre Geschichten, der Stellenwert ist dank der Nähe zum „kleinen Mann“ unermesslich.

„Du wirst in Nordamerika die ganze Zeit darauf gepolt, dass der Cup das Wichtigste auf der ganzen Welt ist. Wenn du ihn einmal gewonnen hast, bist du ein Winner und zwar ein Leben lang“, spricht Uwe Krupp aus eigener Erfahrung.

Als bislang einziger Deutscher gelang dem nunmehr 45-Jährigen mit den Colorado Avalanche 1996 der große Wurf. Dabei setzte sich der Defender selbst ein Denkmal.

Nervenkitzel meines Lebens“

Krupp machte mit seinem Game-Winner in der dritten Overtime gegen die Florida Panthers den Sweep perfekt. Dieses Gefühl erlebte auch die Legende himself, Wayne Gretzky.

„The Great One“ setzte sich 1988 quasi selbst die NHL-Krone auf. Er steuerte im vierten Finale gegen die Bruins das Clinching-Goal bei, der vierte Triumph mit den Edmonton Oilers sollte der letzte seiner einmaligen Laufbahn bleiben.

„Dieser Moment lässt sich nicht in Worte fassen. Du wächst mit Eishockey auf und hast vom ersten Tag an lediglich ein Ziel: den Stanley Cup. Berührst du ihn endlich, fällt der ganze Druck plötzlich ab. Ihn zu gewinnen, war der größte Nervenkitzel meines Lebens“, betont der Ausnahmekönner.

Frauen auf dem Stanley Cup verewigt

„Das ist etwas Spezielles, auch weil die Namen aller Team-Mitglieder darauf verewigt werden. Du kannst ohne ein funktionierendes Team nicht gewinnen“, weiß die Nummer 99.

Interessantes Detail: Auf der Trophäe befinden sich nicht nur Männer-Namen. Acht Frauen wurden dank der Arbeit im Hintergrund als Anteilhaber und Präsidentinnen eingraviert.

Gretzky war übrigens auch dabei, als der Pokal zum letzten Mal in das Mutterland des Eishockeys Kanada geholt wurde. Im Trikot der Los Angeles Kings musste er sich Montreal geschlagen geben.

Vancouver kann Durststrecke beenden

Die Canadiens hatten in der Saison 1992/1993 nach fünf Spielen das bessere Ende. Für den Rekord-Champion war es der 24. Titel der Franchise-Historie. Seither warteten die Ahornblätter allerdings vergeblich auf einen Triumph.

Die Canucks (1994), Calgary Flames (2004), Edmonton Oilers (2006) und Ottawa Senators (2007) scheiterten im Endspiel. Auch heuer währt die Durststrecke an. Für die kanadischen Vertreter war in Runde eins der Postseason Endstation.

Während die Kings ab Mittwoch-Nacht um die Premiere kämpfen, wäre es für Konkurrent New Jersey schon der vierte Titel. Devils-Crack David Clarkson unterstreicht das eingangs erwähnte Statement Doughtys: "Du träumst davon in der NHL zu spielen und im Finale zu stehen. Nun ist es Realität - ein ganz besonderes Gefühl."

Klar ist jedenfalls, der Stanley Cup wird um einige Namen reicher. Und die Zukunft dieser Legende ebenso glorreich, wie die Vergangenheit.

Christoph Köckeis