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"Habe gleich gesehen, dass Lisa Potenzial hat"

Tour-Debüt mit 22 Jahren? Bei solchen Daten rümpfen selbsternannte Experten gerne mal die Nase.

Schließlich verkündete eine Martina Hingis (Porträt) in diesem Alter bereits ihren ersten Rücktritt.

Doch auch sogenannte Spätstarter haben im Tennis-Zirkus eine lange Tradition. In deren Fußstapfen will auch Lisa-Maria Moser treten.

Die 22-jährige Grazerin rutschte aufgrund der krankheitsbedingten Absage von Melanie Klaffner mit einer Wild Card in allerletzter Sekunde in den Hauptbewerb des Gastein Ladies und sorgte dort mit ihrem Erstrunden-Sieg über die Qualifikantin Elena Bogdan für eine erfolgreiche Tour-Premiere.

Am Mittwoch kämpft sie in Bad Gastein gegen die topgesetzte Deutsche Mona Barthel (nicht vor 15 Uhr) um die nächste Sensation.

Wetter: „Sie hat viel Potenzial“

„Ihr Trainingsalter ist noch relativ jung. Sie hat noch viel Potenzial“, erklärt Coach Karl-Heinz Wetter die Vorteile des späten Karrierestarts.

Diesen hat die Steirerin übrigens ihren Eltern zu „verdanken“: „Ich habe von der Jugend an Tennis gespielt, aber nie international. Insgesamt bin ich vielleicht bei zehn ITF-Turnieren angetreten. Meine Eltern haben immer Wert auf die Schule gelegt.“

Daher konnte Moser erst nach dem erfolgreichen Matura-Abschluss an einem Oberstufen-Gymnasium für Spitzensportler ihre Profi-Karriere beginnen. „Das war vielleicht ein Fehler, da man bei dieser Schule erst mit 19 maturieren konnte. Dadurch habe ich ein zusätzliches Jahr verloren.“

Fauth fragte Wetter

Danach trainierte Moser lange Zeit mit der ehemaligen ÖTV-Fedcupperin Evelyn Fauth. „Ich habe beim Verband mit 15 bei Evi angefangen. Dazwischen war ich einmal bis 18 in Wien beim Bruder von Karl-Heinz (Anm.: Bernd Wetter), ehe ich wieder zu ihr nach Graz zurückgekehrt bin.

Den Wechsel zu Wetter leitete Fauth selbst ein. „Sie ist Anfang März auf den Karl-Heinz zugegangen, ob er Zeit hat und mit mir trainieren würde. Seitdem bin ich wieder in Wien“, erzählt Moser, wie sie ihren Weg zum ehemaligen Coach von Jürgen Melzer und Ernests Gulbis fand.

Dieser war von seinem Schützling sofort überzeugt: „Ich habe gleich gesehen, dass sie Potenzial hat. Sie ist zielstrebig und arbeitet sehr konzentriert.“

Future-Titel in Ägypten

Moser: „Seitdem haben wir viel an der Fitness gearbeitet und vor allem an meinem Spielplan. Damit ich weiß, was ich auf dem Platz zu tun habe. Und das zahlt sich anscheinend aus.“

Der Erfolg gibt dem Duo recht: Schließlich verliefen schon die Wochen vor Gastein durchaus erfolgreich. Bei den beiden Futuren-Turnieren in Sharm-El-Sheik holte sie ihren ersten internationalen Titel und stand eine Woche später im Endspiel.

„Die letzten Wochen haben mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben, auch wenn es ein anderes Niveau ist. Jeder Sieg ist wichtig.“

Diskussionen über Zielsetzung

Wetter: „Mittlerweile weiß sie, was sie auf dem Platz zu tun hat. Sie hat sich gut entwickelt. Nach dem Titel gleich noch einmal ins Finale – das war eigentlich noch wertvoller, weil viele Spieler da schnell einmal nachlassen. Das zeugt von einer gewissen Reife.“

Nicht ganz einig waren sich die beiden anfangs über die gemeinsame Zielsetzung: „Sie hat mir gesagt, dass sie heuer keine Punkte verlieren und das Ranking halten will (Anm.: Damals stand Moser um Position 1000). Da habe ich gesagt, dass ich darüber nicht reden muss. Dann hat sie sich einen Future-Titel zum Ziel gesetzt.“

Dieser ist mittlerweile unter Dach und Fach, der Trainer verlangt freilich naturgemäß nach mehr. „Am Jahresende muss der Vierer vornestehen.“ Durch den Achtelfinal-Einzug in Bad Gastein wird sich Moser nächste Woche von Platz 725 ungefähr auf einen Rang zwischen 560 und 580 schieben.

Spätestens 2015 will Wetter mit seinem Schützling bei Grand-Slam-Turnieren in der Qualifikation an den Start gehen. Dafür benötigt man in der Regel ein Ranking um 250.

„Top 100 sind realistisches Ziel“

Wohin die Reise für Moser gehen kann? „Natürlich träumt jeder davon, die Nummer eins zu werden. Die Top 100 sind aber – denke ich – ein realistisches Ziel“, bleibt die Steirerin, deren Karriere von den Eltern finanziert wird, auf dem Boden.

Auch nach dem Sieg über Bogdan will Moser nicht abheben. „Vom Ranking her war es doch nur eine Qualifikantin, das war also noch nicht die Weltspitze.“

Für Wetter ist auf alle Fälle einiges drin: „Sie hat die Anlagen, temporeich zu spielen und sowohl auf Vorhand- als auch auf Rückhandseite zu punkten."

"Lisa hat den riesigen Vorteil, dass sie nicht nur gerade und ‚volles G’schäft‘ spielt, sondern auch richtig spielen und den Platz aufmachen kann. Dadurch hat man mehr Optionen, muss aber natürlich auch mehr nachdenken.“

Womit wir zum Abschluss also doch noch eine Parallele zu Martina Hingis gefunden haben.

Christian Frühwald