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"Kann auch 2016 noch in Roland Garros spielen"

Nach dem Aus von Dominic Thiem ist Jürgen Melzer im Einzel Österreichs letzter Vertreter bei den French Open 2015.

Ausgerechnet jener Spieler, bei dem es in dieser Saison zuvor so gar nicht nach Wunsch lief. Gleich drei Mal verlor der 34-jährige Deutsch-Wagramer in diesem Jahr gegen Spieler, die im Ranking um Position 400 lagen.

„Das war wirklich bescheiden. Das will ich gar nicht schönreden“, spricht Melzer im LAOLA1-Interview Klartext.

Bei uns erklärt er, wie er wieder in die Erfolgsspur fand, was er sich heute (ab circa 13 Uhr im LAOLA1-Ticker) gegen den Russen Andrey Kuznetsov ausrechnet und das „Schöne am Älterwerden“.

LAOLA1: Wenn man die letzten Wochen hernimmt, war so eine starke Leistung wie gegen Adrian Mannarino nicht zu erwarten. Wie erklärst du dir den perfekten Zeitpunkt für den Formaufschwung?

Jürgen Melzer: Ich habe vor Istanbul schon im Training begonnen, wieder ganz gut zu spielen. Damals konnte ich es aber noch nicht ins Match rüberbringen. In Genf habe ich schon ganz gut gespielt, wenn auch viele Fehler gemacht. Diesen Trend habe ich jetzt in Paris fortgesetzt. Der erste Satz gegen Mannarino war vielleicht noch ein bisschen verkrampft, dann ist es aber immer besser geworden. Das gibt mir natürlich Auftrieb für die Zukunft und mehr Selbstvertrauen.

LAOLA1: War es zusätzlich motivierend gegen einen Franzosen zu spielen?

Melzer: Für die Stimmung war es sicher gut. In erster Linie mag ich aber diesen Court 1 extrem. Das ist einer meiner Lieblingsplätze auf der ganzen Welt. Auf dem habe ich unter anderem David Ferrer 2010 in der dritten Runde geschlagen. Dort spiele ich einfach sehr, sehr gerne.

LAOLA1: Du hast in dieser Saison schon ein paar Siege gefeiert, dann aber auch gegen weit hinten klassierte Spieler, die um Position 400 liegen, verloren. Womit erklärst du dir diese fehlende Konstanz?

Melzer: Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich kaum gute Partien in dieser Saison hatte. Meist war es mehr Krampf als sonst irgendwas. Die erste gute habe ich wirklich in Genf gespielt. Davor war es sehr bescheiden. Das will ich gar nicht schönreden.

LAOLA1: Es ist also eher ein linearer Aufwärtstrend.

Melzer: So würde ich es eher beschreiben. Ich habe Woche für Woche kleine Fortschritte erzielt, ehe es in Genf endlich „Klick“ gemacht hat.

LAOLA1: Nach Niederlagen gegen Top-400-Spieler geht wohl auch etwas der Spaß verloren.

Melzer: Es war einfach eine neue Erfahrung. Teilweise habe ich mir selbst wahrscheinlich auch zu viel Druck auferlegt bzw. bin mit der Situation schlecht umgegangen. Zudem kann auch ein Spieler mit Nummer 350 ganz gut spielen und da reicht dann eine schlechte Leistung nicht aus. Das ist eigentlich das Fazit aus der ganzen Geschichte.

LAOLA1: Medial steht Dominic Thiem seit einigen Monaten sicherlich mehr im Rampenlicht als du. War das eine Umgewöhnung für dich oder bist du froh, dass du mehr Ruhe genießen kannst?

Melzer: Das ist schon seit einem Jahr so und für mich absolut in Ordnung. Derjenige, der besser spielt, hat mehr Aufmerksamkeit und das hat er sich verdient. Von meiner Seite aus gibt es da kein Konkurrenz-Denken.

LAOLA1: Spürst du deshalb vielleicht auch weniger öffentlichen Druck, weil du nicht mehr als größte Hoffnung in jedes Grand-Slam-Turnier gehst?

Melzer: Nein, das ist ziemlich egal. Wenn ich nichts zusammenbringe, dann fange ich mir immer noch meine Watschen ein. Daran hat sich nichts verändert. Mit dem kann ich mittlerweile sehr gut umgehen. Das ist das Schöne am Älterwerden.

LAOLA1: Wie bist du mit deinem Doppel-Partner Robert Lindstedt zufrieden? In Paris steht ihr zumindest mal in Runde zwei.

Melzer: Der Auftaktsieg war etwas verkrampft. Für die zweite Runde müssen wir uns sicher steigern. In den letzten Wochen lief es bei uns noch nicht so berauschend. Wir müssen noch besser zusammenfinden. Es haut noch nicht so hin, wie wir uns das wünschen würden. Das Gute ist, dass wir noch im Turnier dabei sind und uns noch steigern können.

Das Gespräch führte Christian Frühwald

LAOLA1: In der zweiten Runde triffst du auf Andrej Kuznetsov. Wie sind deine Erwartungen für diese Partie?

Melzer: Er ist sicherlich ein schlagbarer Gegner, der aber auch sehr gefährlich ist, weil er sehr schnell spielen kann. Er kann sehr viel Druck machen und nimmt das Heft meist selbst in die Hand, um über Sieg und Niederlage zu entscheiden. Deshalb wird es für mich wichtig sein, so wenig Fehler wie möglich zu machen, dabei aber trotzdem aggressiv zu bleiben und seinen Rhythmus zu brechen.

LAOLA1: Ganz aus dem Hinterkopf verbannen wirst du es wahrscheinlich auch nicht können, dass danach wohl Rafael Nadal warten würde. Das wäre wohl noch etwas ganz Besonderes, das Erinnerungen an 2010 (Halbfinal-Niederlage gegen Nadal) wecken würde, oder?

Melzer: Natürlich wäre es cool, noch einmal auf dem Center Court gegen ihn zu spielen. Meine Konzentration darf aber nicht auf ihn gehen. Zuerst muss ich mal schauen, dass ich am Donnerstag eine ähnliche Leistung wie in der ersten Runde abrufen kann. Dann werde ich mich eventuell mit Herrn Nadal beschäftigen.

LAOLA1: Ganz ausschließen kann man es wohl nicht, dass du heuer  zum letzten Mal als aktiver Spieler in Paris sein wirst. Versuchst du diesen Auftritt dementsprechend besonders zu genießen?

Melzer: Wenn du anfängst, zu genießen, spielst du wahrscheinlich keinen Ball mehr rein. Ich denke nicht dauernd darüber nach, dass ich hier nicht mehr spielen werde. Ich habe es sicher in mir drin, dass ich auch im nächsten Jahr noch in Roland Garros spielen kann. Festlegen will ich mich aber auch nicht. Ich will einfach schauen, wie es bis zum Jahresende läuft.