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Leitgeb: "Alles was ich bin, verdanke ich dem Tennis"

Leitgeb:

Am Rande des Davis-Cup-Duells Spanien gegen Österreich in Oropesa del Mar stellte sich der frischgebackene ÖTV-Präsident Ronnie Leitgeb einem Interview zur Verfügung.

Frage: Was erwarten Sie vom Team beim Davis Cup in Spanien?

Leitgeb: "Eine ordentliche Leistung. Ich war gegen Spanien als Trainer von Thomas Muster und als Kapitän dabei. Beide Male waren wir auf Augenhöhe, jetzt sind sie uns um einiges voraus. Ich will, dass die Burschen um jeden Punkt kämpfen und idealerweise in den Sonntag kommen. Im Sport sollte man sich nie den Vorwurf machen müssen, nicht alles gegeben zu haben."

Frage: Österreich ist 2013 weiter in der Weltgruppe. Entspricht das unserer tatsächlichen Stärke?

Leitgeb: "Wir sind von den Weltnationen im Tennis die kleinste. Es ist ein Wunder, dass wir uns in den letzten 30 Jahren fast immer in der Weltgruppe halten konnten. Zwei oder drei Topspieler zur gleichen Zeit zu haben ist eher als Zufall zu betrachten. So gesehen haben wir keine Zukunftssorgen, den einen Topspieler werden wir immer haben."

Frage: Aber hat Österreichs Tennis nicht ein Nachwuchsproblem?

Leitgeb: "Im Jugendbereich wird es immer dünner. Das ist bestürzend. Früher hatten wir Jugend-Europameister, Orange-Bowl-Sieger und Spieler bei Jugend-Grand-Slams. Das Problem ist vielschichtig und auch eines der Trainerausbildung. In Österreich gibt's höchstens zehn Leute, die wissen, was es braucht, um auf der Tour zu bestehen. Da fange ich bei Muster an und höre bei (Günter) Bresnik auf. Mein Job ist es, diese Diskussion in Gang zu bringen und zu moderieren."

Frage: Warum tun Sie sich das mit dem ehrenamtlichen Präsidenten-Job überhaupt an?

Leitgeb: "Ich empfinde das als meinen Lehrauftrag. Ich bin seit 30 Jahren im Hochleistungstennis unterwegs und habe das Gefühl, ich möchte das nachhaltig in Österreich der nächsten Generation weitergeben. Ich will helfen, dass ein System dahintersteckt und nicht nur Einzelaktivitäten."

Frage: Dabei waren Sie und Muster ein Paradebeispiel für eine kämpferische Einzelinitiative. Warum nun diese Sichtweise?

Leitgeb (lacht): "Es ist die Altersmilde. Nein. Alles was ich bin und habe, habe ich letztlich dem Tennis zu verdanken. Mich hat schon vor zehn Jahren angezipft, wenn jemand gesagt hat, wie super das damals mit dem Muster war. Von dieser Raunzerstrategie halte ich nichts. Man kann Unzufriedenheit nur ablegen, indem man selbst aktiv wird. Dass wir damals so polarisiert haben, war ein extrem harter Weg. Viele haben versucht, Muster/Leitgeb zu kopieren. Wenigen ist es gelungen. Aber für den Nachwuchs ist das kein nachhaltiges System."

Frage: Sie sind Präsident, managen mit Melzer und Paszek aber auch die Topspieler. Ist das nicht unvereinbar?

Leitgeb: "Der ÖTV hat das mit den Davis-Cup-Verträgen ein für alle Mal geregelt, es gibt keine Diskussionen mehr. Das Thema Omnipotenz kann man auch von der anderen Seite sehen, nämlich als Riesenverantwortung. Für mich entsteht jedenfalls kein persönlicher Vorteil, im Gegenteil."

Frage: Wie könnte die Spielerausbildung künftig aussehen?

Leitgeb: "Dreistufig. Bis 18 Förderung der Spieler in heimischen Leistungszentren. Dann sollten wir sie aber auch weiterbetreuen. Denn es ist immer schwieriger geworden, in die Top 100 oder vom Challenger- auf ATP-Niveau zu kommen. Da wäre es dann auch rechtens, einen Kostenbeitrag zu verlangen. Drittens sollen auch Spieler in privaten oder Landesverbands-Leistungsmodellen, die mit dem ÖTV in gutem Standing sind, gefördert werden. Woran man den ÖTV erkennen soll, sind die beiden Nationalmannschaften. Ob die Spieler dann aus Hohenems, St. Kanzian oder Wien kommen, macht für das Nationalteam keinen Unterschied."

Frage: Ihre Sichtweise zum Sport in Österreich im allgemeinen?

Leitgeb: "Wenn sich der Sport in Österreich weiterentwickeln will, braucht er am Ende Menschen, die aus der Materie kommen, die einen professionellen Zugang haben. Der Erfinder davon ist Peter Schröcksnadel. Er war der erste Vollprofi aus der Branche, der gezeigt hat, wie man einen Verband entwickeln kann. Er hat es geschafft, dass der Skiverband hohes Ansehen in der Öffentlichkeithat. Man hat den Eindruck, der Skiverband ist das Wichtigste, das es in Österreich gibt."

Frage: ÖOC, NADA, Doping usw. haben zuletzt für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Besorgt Sie das?

Leitgeb: "So unsägliche Dopinggeschichten sind eine österreichische Amateurposse. Wenn ich saubere Sportler will, muss ich saubere Verfahren und zu hundert Prozent integere Richter haben. Zum Thema Doping habe ich null Toleranz. Die Ausrede, dass es womöglich auch die anderen tun, gilt nicht."

Frage: Und Sportwetten? Sind die nicht mindestens so gefährlich wie Doping?

Leitgeb: "Das Buchmacher-Risiko muss im Mittelpunkt stehen und die Wetteinsätze gehören minimiert. Wetten nur zu moderieren, halte ich für ganz unerträglich. Das Ganze ist ziemlich entglitten."

Frage: Jetzt wurde mit Daniel Köllerer ein Österreicher wegen angeblicher Verfehlungen in diesem Bereich lebenslang gesperrt. Der will nun aber Meisterschaft spielen. Geht das?

Leitgeb: "Was auch immer vorgefallen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es muss etwas vorgefallen sein. Ich weiß ja aus dem Fall Dawydenko genau, wie so ein Verfahren abläuft. Wir können in der Sache selbst nichts unternehmen, sind aber auch kein Verhinderungsverband. Wenn wir ein entsprechendes Schreiben von der ITF oder dem CAS erhalten, dass er ÖM spielen oder die Trainerausbildung machen darf, werden wir ihm nichts in den Weg legen."

Frage: Blicken Sie bitte voraus. Wann waren sie erfolgreich?

Leitgeb: "Wir haben als ÖTV derzeit 70.000 Lizenzkartenspieler. Wenn wir in drei Jahren 100.000 haben, wäre das ein Erfolg. Die Südstadt sollte wieder ein anerkanntes nationales Leistungszentrum werden und trotzdem gut mit den Zentren der Landesverbände kooperieren. Erfolge im Davis oder Fed Cup sind nachgelagert. Es ist nicht meine Aufgabe, wieder den Trainingsanzug anzuziehen und Sportler zu produzieren. Sondern ein System zu schaffen, damit die Talente die bestmögliche Ausbildungsmöglichkeit haben.