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Vom Fallen und Weiterlaufen

Vom Fallen und Weiterlaufen

Am 17. 7. 2012 läuft Beate Schrott ihre persönlichen Bestleistung über 100 m Hürden: 12,82 Sekunden, das bedeutet eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 28 km/h.

Am 24. Mai 2015 ist die Österreicherin im niederländischen Hengelo nicht auf Bestleistungs-Kurs, aber wohl immer noch mit dem Tempo eines Autos im zweiten Gang unterwegs. Sie bleibt an der ersten Hürde hängen, verliert das Gleichgewicht und prallt Kopf voran in das zweite Hindernis.

Fallen

„Es war der schlimmste Sturz, den ich je gehabt habe“, sagt sie selbst. Ein solcher Sturz kostet Selbstvertrauen: „Ich bin danach zwar gelaufen, aber die Zeit war nicht gut. Drei Tage später habe ich in Salzburg gemerkt, dass ich Respekt vor der Hürde habe – ich hatte Angst, nochmal zu stürzen.“ Und so kommt es auch fast. Abermals erwischt Schrotts Nachzugsbein eine Hürde, diesmal kann die 27-Jährige einen Sturz jedoch vermeiden. „Es war nicht so schlimm, aber der Lauf war natürlich verpatzt.“

Trotzdem kann Schrott der Thematik etwas Positives abgewinnen: „Vor drei Jahren hätte ich nach so einem Sturz nicht weiterlaufen können. Das spricht für eine mentale Stärke, in diese Richtung habe ich mich extrem weiterentwickelt.“

Jetzt ist die Aufgabe eine simple, aber schwierige: „Es gilt, im Training Sicherheit zurückzugewinnen, sodass ich im Wettkampf nicht mehr über den Sturz nachdenken muss. Ich muss wissen, dass ich laufen kann, ohne dass etwas passiert.“ Das bedeutet laufen, laufen, laufen.

2012 erlebte die Niederösterreicherin ihre bisher beste Saison mit dem achten Platz bei den Olympischen Spielen sowie einem vierten Rang bei der Hallen-EM, bei der Sportlerwahl wurde sie zur Newcomerin des Jahres gekrönt. Danach folgten zwei von Verletzungen geprägte Jahre: Mehrfach zwickte der Oberschenkel, nie kam Schrott so richtig ins Laufen. Auch 2015 fiel mit der Hallen-EM in Prag das erste Großereignis wegen einer Viruserkrankung flach.

 

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Posted by Beate Schrott (official) on Sonntag, 31. Mai 2015

Weiterlaufen

Wie motiviert sich eine Athletin, die immer wieder zurückgeworfen wird?

„Die Leichtathletik ist meine ganze Leidenschaft. Alles, was damit zu tun hat, macht mir so einen Spaß – deshalb fällt es mir nicht schwer, mich zu motivieren. Diese Löcher, in die man beispielsweise wegen Verletzungen immer wieder kommt, sind schon schwer, aber da muss man durch. Ich bekomme von meiner Familie hundertprozentigen Rückhalt, das macht es auch leichter“, antwortet Schrott mit einer Liebeserklärung an den Sport.

So freut sie sich auch auf ihren Auftritt bei den umstrittenen Europaspielen in Baku. „Es ist ein super Wettkampf. Erstens ist es ein Riesen-Spektakel, zweitens ist es eine Superchance, weil die Abläufe den Olympischen Spielen sicher nahe kommen. Man darf das Drumherum bei Olympischen Spielen nicht unterschätzen. Die Transportwege sind größer, die Stellplatzzeiten sind länger.“

Trainieren

Schrott spricht ein Detail an, das Zusehern oft nicht bewusst ist: „Bei kleinen Wettkämpfen läuft man direkt nach dem Aufwärmen. Bei den großen Wettkämpfen wie Olympia hat man teilweise 50 Minuten zwischen Aufwärmen und Lauf. Diese Zeit muss man überbrücken, man muss sich warmhalten und konzentriert bleiben. Nach meiner Erfahrung kann man damit leichter umgehen, je öfter man das durchgemacht hat.“ So hätten ihr sämtliche Nachwuchs-Großereignisse bei ihrem Erfolg in London 2012 geholfen. „Dass man nun in Baku die Chance bekommt, das durchzuproben, ist super und das sollte man auf jeden Fall nutzen.“

Auch abseits des Übungsfaktors liebt die Hürdenläuferin Großereignisse: „Im Endeffekt leben wir Sportler für so etwas - zu großen Ereignissen zu fahren, mit anderen Sportlern in Kontakt zu kommen und neue Leute kennenzulernen. Darauf freue ich mich.“

Dennoch geht es schlussendlich um den Sport: „Man fährt hundertprozentig hin, um schnell zu laufen.“ Für Leichtathleten gibt es in Baku keine Einzelbewerbe, es wird einzig die vierte von vier Ligen der Team-EM ausgetragen. Österreich kämpft um den Wiederaufstieg in Gruppe drei.

Verändern

Um sportlich wieder zu reüssieren, hat Schrott sogar Trainer und Wohnort gewechselt. Sie zog in die Niederlande, dort praktiziert Rana Reider sein Handwerk. Schon seit 2010 arbeitete Schrott immer wieder mit dem US-Amerikaner, wurde meiste Zeit jedoch von Philipp Unfried betreut. „Das Kraft- und Fitnesstraining ist gravierend anders. Wenn man ein System elf Jahre gewöhnt ist und es dann umstellt, muss man seinem Körper Zeit geben. Ich habe das Gefühl, dass das gerade passiert“, beschreibt die studierte Medizinerin die Umstellung.

Und sprüht trotz ihrer derzeitigen Probleme vor Optimismus: „Ich war noch nie so stark, so schnell, so fit – es spiegelt sich nur noch nicht in der Wettkampfleistung wieder. Aber ich habe das Gefühl, dass es gut wird.“

Und wann passiert das?

Schrott lacht. „Am besten schon morgen! Ich habe aber in den letzten zwei Jahren gelernt, dass man den Körper nicht planen kann.“

 

Martin Schauhuber