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Das bittere Ende

Das bittere Ende

Abgekämpft stapfte er zur Bank, ließ sich auf den Stuhl sinken und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

Möglicherweise waren bei Viktor Szilagyi auch ein paar Tränen dabei gewesen.

Der Kapitän hatte in seiner langen Team-Karriere schon so einige Niederlagen hinnehmen müssen, doch das 27:29 im WM-Achtelfinale gegen Katar ist wie ein Schlag in die Magengrube.

Noch wisse er nicht, ob es vielleicht gar sein letztes Match im ÖHB-Trikot war. „Jetzt ist nicht der Moment, darüber zu sprechen“, meinte der 36-Jährige. „Ich werde das in Ruhe mit meiner Familie und dem Teamchef besprechen, aber im Augenblick fühle ich mich nur total leer.“

Doppelt bitter machte es der fahle Beigeschmack der Partie.

Spieler kehren lieber vor der eigenen Tür

In einem Sport wie Handball, in dem Entscheidungen wie Foul oder kein Foul oft im Ermessensspielraum liegen, sind die Schiedsrichter ein populäres Gesprächsthema. Gerne wird darüber geraunzt, gerne mit mancher Entscheidung gehadert.

Nach Österreich gegen Katar war es aber mehr als bloßes Raunzen, mehr als Hadern. Das Gefühl, hier gerade klar benachteiligt oder gar betrogen worden zu sein, mischte sich in den Frust über das Ausscheiden. Gegen ein Land, welches für ein erfolgreiches WM-Abschneiden schon für das Anwerben von Spielern tief in die Tasche gegriffen hatte.

Den Verdacht aussprechen wollte jedoch niemand so recht.

„Es war ein merkwürdiges Spiel“, wollte es Tormann Nikola Marinovic dabei belassen. Max Wagesreiter wollte aus der Emotion heraus lieber nichts dazu sagen und den Grund für die Niederlage lieber am Auslassen der eigenen Gelegenheiten suchen, von denen insbesondere Raul Santos (zwei Tore bei acht Versuchen) etliche vergab.

Zurückgepfiffen

Etwas konkreter bezüglich der Pfiffe der kroatischen Schiedsrichter wurde da schon Szilagyi selbst. „Man hat natürlich immer schon ein Gefühl während der Partie, aber ich habe noch nie ein Team gesehen, das in einer Halbzeit so viele Offensiv-Fouls macht wie wir“, wählte er eine möglichst selbstkritische Formulierung.

Österreich kam nach einer guten ersten Halbzeit (14:13) gebremst von den Pfiffen offensiv nur noch schwer zum Zug. „Wenn jeder zweite Angriff von dir abgepfiffen wird, dann verlierst du mit der Zeit einfach den Mut. Dann traust du dich nicht mehr, in die Eins-gegen-Eins-Situationen zu gehen, weil du sowieso zurückgepfiffen wirst“, schilderte Szilagyi.

Trotz der wieder zahlreichen Zwei-Minuten-Strafen (AUT-QAT 7:4) lieferte Österreich bis zur 56. Minute (24:24) eine offene Partie, verlor in den letzten Minuten aber die Übersicht. „Gefühlt bist du ein, zwei Tore besser, dann siehst du aber auf die Anzeige, wo du hinten bist“, sah der Kapitän sein Team als die spielerisch bessere Mannschaft.

„Vielleicht haben wir es den Schiedsrichtern mit unseren Griffen gegen ihren Kreisläufer auch schwer gemacht“, übte sich auch Thomas Bauer in Selbstkritik. Der seit Samstag 29-Jährige war in seinem 100. Länderspiel mit acht bzw. 40 Prozent gehaltenen Bällen bester Torhüter der Partie.

Isländisches Augenzwinkern

Teamchef Patrekur Johannesson, der während der Partie Gelb wegen zu heftiger Kritik gesehen hatte, war nach dem Match sichtlich bemüht, ruhig zu bleiben. Etwas, das ihm diesmal recht gut gelungen sei. Zumindest laut seiner Selbsteinschätzung. „In dieser Hinsicht war es eines meiner besten Spiele“, so der Isländer, der als Reaktion auf die Fehlpfiffe eine Portion Süffisanz an den Tag legte. „Katar hat die besten Chancen, Weltmeister zu werden. Sie sind jetzt der Favorit auf den Titel“, tönte der 42-Jährige.

Auf die Frage eines Journalisten, ob er die vielen Offensiv-Fouls seiner Mannschaft in der zweiten Halbzeit bemerkt habe, meinte er nur: „Ja, die habe ich bemerkt.“ Frei nach dem Motto, dass es wohl vielsagender sei, nicht viel zu sagen.

Riesenchance verpasst

Wie sehr seine Zweifel an der Richtigkeit mancher Pfiffe berechtigt sind, möchte Johannesson im nächtlichen Video-Studium verifizieren. Szilagyi prophezeite indes, dass das Film-Material seinen eigenen Standpunkt nur bestätigen werde. „Obwohl ich gar nicht weiß, ob ich mir das Video von diesem Match überhaupt jemals anschaue.“

Zu tief saß im ersten Moment der Stachel der Enttäuschung. „Das war heute eine Riesenchance, die wir leider nicht nutzen konnten“, spielte er auf das verpasste erste WM-Viertelfinale der ÖHB-Männer an.

„Auch wenn wir heute nicht unser Optimum abrufen konnten, hat jeder Spieler, der von der Bank reingekommen ist, für Impulse gesorgt. Das macht mich zusätzlich traurig.“

Aus Doha berichtet Reinhold Pühringer