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"Wien nennt sich Sportstadt, es muss was passieren"

Die selbst ernannte Sportstadt Wien ist gefordert.

Nachdem die Vienna Vikings, wie berichtet, auf der Hohen Warte nicht mehr erwünscht sind, ist der Rekord-Meister und –Eurobowl-Sieger auf Herbergssuche. Die Situation gestaltet sich schwierig.

Und Präsident Karl Wurm macht im Interview mit LAOLA1 keinen Hehl daraus, dass die erfolgreiche Football-Truppe aus Simmering nicht mehr betteln gehen wird, um irgendwo in Wien zu spielen.

„Ich will mich nirgends mehr wo hinstellen müssen und sagen: Bitte! Bitte! Bitte! Ich will aufrecht in eine Sitzung gehen“, verschafft sich der Vikings-Boss Luft. Mehr davon im folgenden Gespräch.

LAOLA1: Wurden Sie von der Vienna-Entscheidung überrascht oder wissen Sie es schon länger?

Karl Wurm: Die Vikings wissen das schon seit zirka drei Wochen, da hat das Gespräch mit der Vienna stattgefunden. Wir haben aber darüber Stillschweigen vereinbart, damit wir ohne große Aufregung mit der Stadt Wien Alternativen erarbeiten können. Durch eine Indiskretion  eines Vienna-Funktionärs wurde das bereits am Montag bei der „Gala der Wiener Sportstars“ im Rathaus publik. Darüber sind wir freilich nicht sehr glücklich, denn jetzt ist alles öffentlich.

LAOLA1: Abseits dieser Indiskretion. Können Sie der Vienna irgendetwas vorwerfen?

Wurm: Nein. Der Zeitpunkt seitens der Vienna ist vollkommen korrekt. Das war praktisch nach unserem Saisonende. Da kann und will ich auch gar keinen Vorwurf machen. Es wurde uns gesagt, es gäbe einen Vorstandsbeschluss, dass die Vienna die Mietvereinbarung nicht mehr fortführt. Ohne böses Wort, in aller Freundschaft. Daraufhin habe ich natürlich sofort Kontakt mit der Stadt Wien aufgenommen und wir haben vereinbart, das Problem in aller Ruhe anzugehen und lösen zu müssen. Nur durch die Indiskretion ist uns das jetzt alles aus der Hand genommen worden. Und der Vorwurf geht dorthin, dass sich die Vikings als dritt- oder viertwichtigster Verein Wiens nicht mehr in der Rolle als Bittsteller sehen. Wir sind nicht mehr der Verein, der in ganz Wien herumlaufen und ganz höflich nachfragen muss, ob wir ausnahmsweise irgendwo spielen dürfen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Wir sind ein hochdekorierter Verein, der national und auch international erfolgreich ist. Bei uns gibt es keine Skandale und wir haben keine Schulden. Dieser Verein ist in Wien, hat ein tolles Trainings-Zentrum, das er auch selbst bezahlen muss, aber der Verein hat keine Spielstätte in Wien. Und das ist auf lange Sicht gesehen ein untragbarer Zustand.

LAOLA1: Haben Sie deswegen auch gedroht, nach St. Pölten auszuweichen?

Wurm: Nein, also von „drohen“ ist bitte überhaupt keine Rede. Aber ich bin Präsident der Vikings und ich muss mich darum kümmern, meinem Verein die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Es gibt einen Plan A, nämlich in Wien ein adäquates Stadion zu finden. Wir wissen aber, dass es ein solches nicht gibt. Im Happel-Stadion spielt dieses Jahr Rapid und nächstes Jahr die Austria, Rapid ist im Allianz Stadion, die Austria bekommt ein adaptiertes Stadion, die Generali Arena steht uns also auch nicht zur Verfügung, dann gibt es den Sportklub-Platz. Über den Zustand dieses Stadions brauchen wir nicht reden, der ist indiskutabel. Und die Hohe Warte. Danach fällt mir hier nichts mehr ein. So gibt es die Wahl: Zuzusperren oder ich sage der Gemeinde Wien, erstellen wir gemeinsam einen Plan, um auf der „Raveline“ (Trainingszentrum mit Tribüne für 800 Zuschauer, Anm.) Platz für noch 1.200 Zuschauer zu schaffen. Dann hätten wir eine Kapazität für 2.000 Menschen – ohne Dach. Dann könnten wir dort ein paar Jahre spielen und die Stadt baut einstweilen ein kleines Stadion, das nicht nur für Football, sondern auch für Rugby, Feldhockey und vieles mehr genützt werden könnte. So etwas gibt es in Wien ja nicht. Das wäre Plan A. Aber ich bin nicht bereit, als Bittsteller zur Vienna zu gehen. Die haben gekündigt, das nehmen wir zur Kenntnis.

LAOLA1: Was ist der Plan B?

Wurm: In ein schönes, großes Stadion rund um Wien zu gehen und als Vienna (!) Vikings in Niederösterreich zu spielen, was einer Bankrotterklärung gleich kommen würde. Da spiele ich dann aber lieber in St. Pölten, weil ich dort auch schon die Ehre hatte, die EM 2014 durchzuführen. Dort kenne ich alles. Man könnte mir auch sagen, gehen Sie in die Südstadt oder nach Wr. Neustadt. Nur warum soll ich wo hingehen, wo ich mich nicht auskenne? Da gehe ich lieber dorthin, wo ich weiß, dass alles pipifein ist. Und die NV-Arena in St. Pölten ist eine pipifeine Arena.

LAOLA1: Welche Signale hat Ihnen die Stadt Wien schon gesendet?

Wurm: Ich weiß, die Stadt Wien hat in Zeiten wie diesen auch ganz andere Sorgen, die viel drängender als jene der Vikings sind. Das ist uns vollkommen bewusst. Aber ich habe mit dem Umfeld von Sportstadtrat Christian Oxonitsch gesprochen und das, was ich immer wieder sage, ist: Wir suchen kein Stadion, wir suchen eine Heimat, wo wir spielen können! Wir suchen kein Stadion mehr, wo auf sanften Druck der Stadt Wien der Stadionbetreiber sagt: Na, dann lassen wir die Vikings eben acht Mal im Jahr hier spielen und Schwamm drüber. Wir suchen eine Heimat, wo wir mit unseren Sponsoren arbeiten  und unsere Zuschaueranzahl vergrößern können. Das ist der große Paradigmenwechsel bei uns. Wir tragen unser tolles Zentrum gänzlich alleine, wo wir 600 Athleten im Nachwuchsbereich betreuen. Ich bin der Gute, ich bin nicht der Böse. Ich will mich nirgends mehr wo hinstellen müssen und sagen: Bitte! Bitte! Bitte! Ich will aufrecht in eine Sitzung gehen und jemand sagt: Herr Präsident, wir verstehen Sie, die Vikings sind nach Rapid, Austria und den Capitals der viertwichtigste Verein in Wien und für den müssen wir jetzt etwas machen.

LAOLA1: Kurzum: Sie sehen die Stadt Wien als gefordert.

Wurm: Ja, es geht auch nicht anders. Wir sind Wiener, wir leben alle in Wien und wir wissen, dass ohne der Stadt Wien in Wien nichts passiert. Und wenn sich Wien Sportstadt nennt, dann muss man was machen. Es gibt Möglichkeiten wie oben aufgezählt. Es sei noch erwähnt: Wir hatten 27.000 Zuschauer beim EM-Finale 2014 im Happel-Stadion. Der Polizei-Hauptmann hat mir nachher ein Schreiben zukommen lassen, in dem er wissen ließ, dass er so etwas noch nie erlebt habe: Er hatte eine Null-Meldung, keine Vorfälle. In 20 Jahren Vikings auf der Hohen Warte hat es nie etwas gegeben. Es ist einfach nach über 30 Jahren vorbei, zu sagen, Football ist eine Nebensportart, die ein paar Verrückte spielen. Wir, die Vikings, stellen zwei Drittel des österreichischen Junioren-Nationalteams, das drei Mal in Folge Europameister wurde, gegen Nationen wie Deutschland oder Frankreich. Gleiches gilt für das Herren-Nationalteam, das aktuell Vizeeuropameister ist.

LAOLA1: Apropos: Was ist mit dem Hype seit der Heim-EM passiert?

Wurm: Als AFBÖ-Vizepräsident darf ich Ihnen sagen, es ist das eingetreten, was nach jeder WM und EM in Österreich passiert. Dort, wo die Finalspiele waren, gingen die Zuschauerzahlen zurück, überall anders sind sie gestiegen. Wir haben AFBÖ-Informationen zufolge deutliche Zuschauerzuwächse, nur nicht in Wien. Es haben sich seit der EM fünf neue Vereine gegründet, haben über 60 österreichweit. Die EM war nachhaltig ein Erfolg, nur nicht in Wien, wo viele Leute nach dem Finale gesagt haben, 27.000 Zuschauer waren ein Wahnsinn, aber jetzt ist es dann eben wieder einmal genug. Wir gehen in der AFL in die richtige Richtung, dazu nächste Woche mehr. Aber es wird eine Erweiterung geben.


Das Interview führt Bernhard Kastler