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Entscheidung oder Entscheidungsspiel?

Entscheidung oder Entscheidungsspiel?

Nach fünf Spielen in den NBA-Finals haben die San Antonio Spurs eine Hand am Pokal.

Mit einer 3:2-Führung reisen die Texaner zu den zwei verbleibenden Spielen der "best of seven"-Serie nach Miami.

Die bisherigen Aufeinandertreffen hätten abwechslungsreicher und unberechenbarer kaum verlaufen können. Immer wieder tauchen neue entscheidende Faktoren aus dem Nichts auf, immer wieder verändert eine kleine Umstellung der Coaches die ganze Dynamik des Spiels.

Was erwartet uns in der Nacht auf Mittwoch in Spiel sechs? Schlagen die Heat wie bei den drei bisherigen Niederlagen zurück und schenken der Basketball-Welt ein mitreißendes Spiel sieben oder setzen sich Tim Duncan und Gregg Popovich (hier das Porträt des Ex-Agenten) zum fünften Mal die Krone auf?

Vor dem Spiel in der Nacht auf Mittwoch nimmt LAOLA1 sechs Brennpunkte unter die Lupe:

DANNY GREEN, DREIER-KANONE

Kein Spieler überrascht in den Finals mehr als Danny Green. Der Shooting Guard der Spurs wirft wie von einem anderen Stern (hier sein Porträt), in der ganzen Serie traf er bislang 25 von 38 Dreier-Versuchen – eine unfassbar gute Quote. Ohne Bedrängnis verwandelte er gar 18 von 24 Dreipunktern, seine 25 Volltreffer verbesserten bereits den Finals-Rekord von Ray Allen (22) – und das ein oder zwei Spiele vor dem Ende. Der erfolgreiche Wurf-Hagel ist ein Resultat der einzigartigen Spurs-Offense, die auf schneller Ballbewegung beruht und den Heat meist einen Schritt voraus ist.

Green hat die von Popovich geforderten Laufwege und schnellen Cuts abseits des Balles perfekt verinnerlicht und ist meist schon bereit zu werfen, bevor sein Bewacher auch nur in der Nähe ist. Das Problem an derartigen statistischen Wurf-Anomalien ist ihre Kurzlebigkeit. Dauerhaft über 50% von außen zu werfen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, geschweige denn 65%, wie es der 25-Jährige derzeit tut. Kann Green sein Niveau noch ein oder zwei Spiele halten, wäre das ein wichtiger Mosaikstein auf dem Weg zum Titel.

TONY PARKERS OBERSCHENKEL

"Der Muskel im hinteren Oberschenkel könnte jederzeit reißen." Das war Tony Parkers nüchterne Analyse vor Spiel fünf. Wenngleich er in diesem agil wie eh und je auftrat, schwebt sein angeschlagenes rechtes Bein wie ein Damoklesschwert über den Spurs. Gary Neal vertrat den Franzosen nach seiner Verletzung in Spiel drei zwar würdig – ob San Antonio noch ein Spiel ohne seinen obersten Feldherren gewinnen bzw. "heimspielen" kann, darf man dennoch bezweifeln.

SPOELSTRAS UMSTELLUNGEN

Einige Einzelspieler der Heat funktionieren derzeit einfach nicht. Allen voran Udonis Haslem, der in Spiel fünf in nur neun Einsatzminuten die unfassbare Plus-Minus-Wertung von -20 fabrizierte. Die zwei weiteren Sorgenkinder heißen Mario Chalmers und Norris Cole. Die Point Guards waren für Tony Parker zu oft nur bessere Drehtüren, im letzten Spiel stand deshalb 15 Minuten lang kein einziger gelernter Spielmacher im Heat-Leibchen auf dem Parkett.

Auf Head Coach Erík Spoelstra warten einige wichtige Entscheidungen, gravierende Umstellungen liegen im Bereich des Möglichen. So könnte der in den letzten Spielen völlig irrelevante Chris Andersen ein Comeback auf Kosten von Haslem feiern oder LeBron länger die Ballhandling-Verantwortung übernehmen, während Chalmers und Cole auf der Bank schmoren müssen.

DIE ULTIMATIVE WILDCARD

LeBron James kann immer explodieren. Der beste Spieler der Welt konnte diesem Ruf in den Finals bisher nicht immer gerecht werden, trotzdem (oder gerade deshalb) wartet man in Miami auf eine historische Performance wie vergangenes Jahr in Spiel sechs gegen die Boston Celtics. Gregg Popovich macht es dem Forward mit verschiedensten defensiven Schemata enorm schwer und verhindert mit aller Kraft, dass der MVP in seinen Rhythmus kommt.

In Spiel fünf gelang das mit einer ungewöhnlichen Maßnahme: Boris Diaw bekam James über weite Strecken zugeteilt und montierte den Superstar zur Überraschung aller praktisch ab. Gegen den Franzosen traf James nur einen von acht Würfen, gegen alle anderen Verteidiger sieben von 14; insgesamt sammelte er nur vier seiner 25 Punkte gegen Diaw. Gut möglich, dass in Spiel sechs wieder ein anderer Gegenspieler wartet. Unabhängig davon kann der letztjährige Finals-MVP die Serie entscheiden – in beide Richtungen.

Martin Schauhuber

DAS DUELL DER WIEDERAUFERSTANDENEN

Die Finals-Geschichten von Dwyane Wade und Manu Ginobili sind sehr ähnlich. Beide Shooting Guards enttäuschten zu Beginn kapital, beide stiegen auf wie ein Phönix aus der Asche. Während Wade seine Rückkehr zu den Lebenden in Spiel vier zelebrierte und die Partie im letzten Viertel im Alleingang entschied, war Ginobili in Spiel fünf der Superstar.

Der Kanon war nach beiden Leistungsexplosionen der selbe: Wenn Wade/Ginobili so stark spielt, sind die Heat/Spurs kaum zu schlagen. Da Wade meist mehr Minuten als sein argentinisches Pendant spielt, ist seine Performance schlussendlich wohl etwas wichtiger – die stellenweise nachlässige Defense des zweifachen Champions hat einen wesentlichen Anteil an Danny Greens offenen Dreiern.

DAS GESETZ DER SERIE

Zum letzten Mal verloren die Heat am 8. bzw. 10. Januar zwei Spiele in Folge. Seither setzten sie nach jeder Niederlage im darauffolgenden Spiel ein Statement und gewannen mit einem zweistelligen Vorsprung. Auch die Spurs haben eine Statistik, die klar für sie spricht. Die Franchise gewann seit 2003 14 ihrer 16 potenziell Serien entscheidenden Playoff-Spiele. Der Rest der NBA in dieser Zeit? 61 von 136.