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"Diese Jungs sind egoistische Bastarde"

Dem einen rauchte der Hintern, der andere rauchte vor Wut. Dabei könnte alles so schön sein im Hause Mercedes.

Ein souveräner Doppelsieg beim Großen Preis von China vor den beiden Ferrari-Boliden hat die alte Rangordnung wieder hergestellt.

Dreimal Trainings-Schnellster, Pole-Position, Sieg, schnellste Rennrunde - Weltmeister Lewis Hamilton fuhr einmal mehr wie von einem anderen Stern. "Mein Team hat einen fantastischen Job gemacht, wir haben an diesem Wochenende alle Sessions dominiert. Heute ist mir alles gelungen, ich konnte alles kontrollieren", so der Brite, der seinen 35. Karriere-Erfolg feierte und zugleich als einziger Pilot viermal in Shanghai gewinnen konnte.

Während Hamilton also "happy" war und sich höchstens über seinen heißen Hintern (es gab ein Problem mit der Sitzschale, die zu heiß wurde) beklagen konnte, verlieh Teamkollege Nico Rosberg seiner Frustration und Unzufriedenheit Ausdruck.

"Nicht glücklich"

"Wenn Lewis weiter so langsam fährt, stecke ich in seinem Windschatten fest und ruiniere meine Reifen", funkte der 29-Jährige bereits während des Rennens, woraufhin der Weltmeister prompt folgende Aufforderung bekam: "Lewis, gib ein bisschen mehr Gas".

Auch nach dem Grand Prix konnte sich Rosberg nicht beruhigen, im Gegenteil: "Es war unnötig, so nah mit Sebastian beieinander zu fahren. Das hat mich am Schluss Zeit gekostet, weil die Reifen am Ende waren. Darüber bin ich nicht glücklich."

Es brodelt bei den Silberpfeilen, Rosberg will sich nicht mit der Rolle des ewigen Zweiten abfinden, der nächste "Krieg der Sterne" scheint sich anzubahnen.

"Egoistische Bastarde"

Mercedes-Teamchef Toto Wolff gab dem Deutschen zwar teilweise recht, versuchte aber auch, die Wogen zu glätten: "Lewis hat die Pace kontrolliert und wollte mit dem Reifen möglichst weit kommen. Das hatte die Konsequenz, dass Nico in Vettel reingedrückt wurde. Das war unerfreulich für ihn und rennentscheidend. Ich glaube nicht, dass das bösartig war", so der Österreicher.

Landsmann Niki Lauda, seines Zeichens Aufsichtsrats-Chef der Silberpfeile, war anderer Meinung: "Ich erkenne nichts, was heute falsch gelaufen wäre. Natürlich fährt Lewis so, dass es für ihn passt. Er ist - wie jeder Siegfahrer - ganz auf sich selbst bezogen. Diese Jungs sind egoistische Bastarde, nur so wird man Weltmeister. Nico ist genauso, wenn es hart auf hart geht. Heute hat er alles versucht, um an Lewis heranzukommen, das hat nicht geklappt. Lewis war einfach der bessere Mann", konstatierte die Formel-1-Legende, hat aber auch Verständnis für Rosberg.

"Klar ist er unmittelbar nach dem Rennen sauer. Aber nach einer Weile wird er einsehen, dass Lewis an der Spitze sein eigenes Rennen fährt. Die Reaktion von Rosberg ist als Zweitplatzierter nachvollziehbar. Als ich ständig von Prost geschlagen wurde, war ich auch nicht begeistert", erinnerte sich Lauda an seine eigene Karriere.

Not my business

Der Weltmeister selbst hatte für Rosbergs Gejammere wenig Verständnis. "Es ist nicht meine Aufgabe, mich um das Rennen von Nico zu kümmern", erklärte er. "Meine Aufgabe besteht darin, mein Auto zu beherrschen und es so schnell wie möglich nach Hause zu bringen. Das habe ich auch getan."

"Es ist interessant von dir zu hören, dass du nur an dich selbst gedacht hast, was die Pace vorne betrifft", konterte Rosberg.

"Im ersten Stint langsamer zu fahren als notwendig, bedeutete, dass Sebastian näher an mich heran kam und er die Möglichkeit hatte, mich durch einen frühen Stopp unter Druck zu setzen."

Wahrnehmungs-Unterschiede

"Ich bin mit dem Messer zwischen den Zähnen gefahren. Ich habe alles versucht, um ranzukommen, aber es hat sich nicht gelohnt, weil meine Reifen krepiert sind", ärgerte sich Rosberg weiter.

Hamilton machte sich hingegen über den Wiesbadener in einem Fernseh-Interview lustig. Ihn selbst schien das Rennen nicht besonders gefordert zu haben. "Ich bin mit zwei Fingern am Lenkrad gefahren", grinste er.

Zukunftsaussichten

Lauda hat keine Angst, dass dieser Streit langfristige Auswirkungen auf die Stimmung im Team haben könnte.

"Nico ist ein Typ, der sich von solchen Erlebnissen sehr schnell erholt. Zum Gück haben wir nur wenige Tage, bis wir alle in Bahrain sind, dann hört das ganze Gerede von selbst auf", glaubt der 66-Jährige.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Rennen zwischen Rosberg und Hamilton etwas verändert. Es ist immer das gleiche, im Guten wie im weniger Guten. Sie bekämpfen sich mit Zähnen und Klauen. Und keiner sollte den Fehler machen und Rosberg unterschätzen."

Bereits in einer Woche bekommt Rosberg, der in der WM schon 17 Zähler Rückstand auf Hamilton aufweist, die Chance auf eine Revanche. Vielleicht gelingt es ihm, den Ärger aus China in eine starke Leistung auf der Strecke umzuwandeln.

 

Henriette Werner