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Bekanntes Konzept auf ungewohntem Terrain

Bekanntes Konzept auf ungewohntem Terrain

Amis lieben Dramatik. Amis lieben Überraschungen. Amis lieben Showdowns.

Und wenn am Sonntag (20:00 Uhr MEZ) der Titel des NASCAR Sprint Cup 2014 im „Ford EcoBoost 400“ von Homestead, dem letzten Saisonrennen, unter vier punktgleichen Fahrern vergeben wird, werden sie wieder einen zu sehen bekommen. Das ist kein Zufall.

Die beliebteste Motorsportserie in Übersee hat sich dieses Jahr auf Neuland gewagt und ein Playoff-System eingeführt. Neben der besseren Vermarktung – so können die Vorteile eines Einzelevents mitgenommen werden – soll diese Regelung  mehr Durchblick im traditionell nicht gerade simplen Meisterschaftssystem besorgen.

Während in der Formel 1 das große Kopfschütteln über die doppelten Punkte von Abu Dhabi herrscht, wagt man sich andernorts also an viel extremere Konzepte, die zwar ein großes Finale, aber ebenso gemischte Gefühle garantieren.

Entwicklung einer Idee

Der „Chase for the Cup“, wie die finale Phase der NASCAR-Saison genannt wird, ist an und für sich nicht neu. Er wurde bereits 2004 eingeführt und zwischenzeitlich adaptiert.

Grundsätzlich beschränkte sich der bisherige „Cut“ jedoch auf die letzten zehn Rennen, in denen nur mehr die bis dahin zwölf besten Fahrer den Titel unter sich ausmachen konnten – mögliche Leistungsexplosion eines Hinterbänklers hin oder her. Zusätzlich wurden die Punkte der Anwärter fast gleichgestellt.

In der neuen Version haben zu Beginn 16 Kandidaten die Chance, sich zum Champion zu krönen. Doch dieses Feld verkleinert sich kontinuierlich: Nach jeweils drei Rennen müssen sich die letzten Vier von ihren Titelträumen verabschieden, bis sich im großen Finale die Verbleibenden in einem einzigen Rennen den Besten unter sich ausmachen.

Dass nun nach jeder der drei „Vorrunden“ ein Punkte-Reset stattfindet, versteht sich im Sinne der Spannung von selbst. Nur ein Rennsieg garantiert einen Platz in der nächsten Phase.

Überraschungsfinale im ersten Jahr

Setzt man die insgesamt 36 Saisonrennen in Relation, bleibt so recht wenig Spielraum für Fehler oder Streichergebnisse. Im Motorsport kann die Technik schnell übel mitspielen. Und Massenunfälle stehen am NASCAR-Tagesprogramm.

So kann man mit durchgehend guten Leistungen am Ende doch mit leeren Händen dastehen. Oder sich, ohne zuvor große Duftmarken gesetzt zu haben, zum ganz großen Coup „mogeln“.

Schon die erste Auflage hat die Chance, für eine kuriose Premiere zu sorgen. Denn mit Chevrolet-Pilot Ryan Newman steht ein Mann im „Final-Four“, der keinen Lauf mit einem Besuch der Victory Lane abschloss. Er wäre der erste Champion in der Geschichte, der sich ohne Saisonsieg krönen würde.

Pikant, denn der ursprüngliche „Chase“ war eine Reaktion auf die ungeliebte konstante Fahrweise, bei der im Kampf um den vordersten Platz auf letztes Risiko verzichtet wurde.

Eines hat Newman mit seinen Kontrahenten Kevin Harvick (Chevrolet), Joey Logano (Ford) und Denny Hamlin (Toyota) gemeinsam: Es wäre der erste ganz große Sprint-Cup-Erfolg ihrer Karriere. Die Topstars der Szene schauen diesmal durch die Finger.

Natürlich handelt es sich bei den genannten Vieren um keine Blindgänger. Doch mit Ausnahme von Logano, der seine bislang stärkste Saison in der höchsten NASCAR-Klasse auf den Asphalt legt, ist die Zusammensetzung des Finales überraschend.

Möge der Beste gewinnen?

Trotzdem oder gerade deswegen: Die Marketingidee scheint aufzugehen. Die NASCAR erlebt gerade einen Zuschauer-Boom, auf hohe Einschaltquoten folgte prompt ein ausverkauftes Haus in Homestead. Und das, obwohl Umfragen unter den Fans eigentlich eine negative Meinung vermuten lassen.

Die Fahrer selbst versuchen, dem Format etwas abzugewinnen, selbst wenn sie viel Druck ausgesetzt sind.

„Ich mag es. Es ist aufregend; ich habe schon lange nicht mehr so viel Interesse an unserem Sport erlebt. Zwar sind es nicht nur positive Aspekte, die das verursachen, aber diese machen es sehr schwer und zu einer Herausforderung“, so Veteran Jeff Gordon, der die Finalrunde um einen einzigen Punkt verpasste.

Rennen/Runde Strecke Harvick Logano Hamlin Newman
Challenger Round
myafibstory.com 400 Chicagoland 5. 4. 6. 15.
Sylvania 300 New Hampshire 3. 1. 37. 18.
AAA 400 Dover 13. 4. 12. 8.
Contender Round
Hollywood Casino 400 Kansas 12. 1. 7. 6.
Bank of America 500 Charlotte 1. 4. 9. 7.
Geico 500 Talladega 9. 11. 18. 5.
Eliminator Round
GHRS 500 Martinsville 33. 2. 8. 3.
AAA Texas 500 Texas 2. 12. 10. 15.
QLRFH 500 Phoenix 1. 6. 5. 11.
Sprint Cup Championship
EcoBoost 400 Homestead

„Du willst immer, dass am Ende die besten Teams stehen. Das ist eben nicht immer der Fall“, spricht er jedoch auch die Kehrseite an. Denn Playoff-Systeme bergen nun einmal die Gefahr des unerwarteten „Sudden Deaths“, der im Motorsport ganz besonders bitter auftreten kann. „Es dreht sich alles um Entertainment“, wie Gordon betont – selbst, wenn das für die sportliche Seite Gefahren birgt.

Spannung um jeden Preis

Will man nun einen verdienten Sieger oder ein großes Spektakel sehen: Der neue „Chase“ muss sich den Vorwurf der Künstlichkeit gefallen lassen.

„Egal, in welchem Format wir gegeneinander fahren: Wenn ich jemanden vor mir habe, macht es keinen Unterschied, ob ich für eine Milliarde Dollar oder zehn Titel auf einmal fahre. Wenn ich ihn nicht erwische, erwische ich ihn nicht“, wie es Carl Edwards, ebenfalls knapp im „Halbfinale“ gescheitert, ausdrückt.

Schließlich hätte es der Motorsport nicht unbedingt notwendig, händeringend nach neuen Spannungsfaktoren zu suchen, auf welchem Wege man diese auch finden mag. Was in NFL, NBA und Co. funktioniert und dabei alle Aspekte vereinen kann, muss in diesem Gefilde eben nicht zwangsläufig funktionieren.

Im Rittern um den letzten Funken „Thrill“ lässt sich, die NASCAR im Augenwinkel, die Doppelpunkte-Regelung der Formel 1 jedenfalls belächeln.


Johannes Bauer