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"In Österreich hast du gegen jeden eine Chance"

Thorsten Fink, Lars Söndergaard, Adi Hütter, Niko Kovac, Michael Streiter, Franz Aigner.

Unter diesen sechs Trainern arbeitete Gerald Baumgartner bei den Red Bull Juniors, ehe der heute 48-Jährige selbst im April 2011 das Ruder übernahm. Sein Wirken war aber nicht von langer Dauer.

Red Bull beorderte den Salzburger zu Jahresbeginn 2012 nach Pasching, um den Regionalligisten vor dem Abstieg in die Oberösterreich-Liga zu bewahren und in weiterer Folge den Aufstieg in die Erste Liga zu schaffen. Ersteres gelang, Letzteres hat der Linzer Vorstadt-Klub nicht mehr in der Hand.

Doch wird diese Saison dennoch auf jeden Fall in Erinnerung bleiben: Schließlich hat Baumgartner als erster Trainer einen Drittligisten in ein ÖFB-Cup-Finale geführt. Nach Siegen auswärts (!) gegen Rapid (1:0) und „Stallkollegen“ RBS (2:1) soll nun gegen die Austria der historische Mega-Coup gelingen.  

Vorab sprach LAOLA1 mit dem ehemaligen Bundesliga-Spieler, der selbst zwei Jahre bei der Austria auflief, über den Weg ins Finale, seinen Zugang zum Trainerjob und die offene Zukunft.

LAOLA1: Unmittelbar nach dem Triumph in Salzburg war Ihrem Gesicht nicht wirklich zu entnehmen, dass Sie gerade eine Sensation geschafft hatten. War das das in den Tagen danach anders?

Gerald Baumgartner: Als Underdog hast du nur die Angst, hoch zu verlieren. Wir haben das aber sehr toll gemeistert. Im Fußball gibt es immer wieder Überraschungen, in dieser Cup-Saison durften wir gleich zwei Mal Teil solcher sein. Erst bei Rapid, dann in Salzburg. Dort ging mein Jubel nach innen, weil ich sehr lange in Salzburg gearbeitet habe. Aus Respekt gegenüber meinem früheren Arbeitgeber habe ich nicht überschwänglich gejubelt. Es war auch nicht Genugtuung da. Denn ich hatte die Chance, die Akademie mit aufzubauen und habe auch ausländische Trainer miterlebt. Da kann man sich immer etwas abschauen und lernen. Ich habe mich sehr gut weiterentwickeln können und deswegen bin ich auch dankbar, dass ich so lange dort habe arbeiten dürfen.

LAOLA1: Sie treffen nun im Finale auf die Austria, für die Sie in den Achtzigern gespielt haben.

Baumgartner: Richtig, zwei Jahre. In der zweiten Saison hatte ich aber einen Kreuzbandriss. Das ist aber alles schon sehr lange her. Das Witzige ist ja, dass wir auf dem Weg ins Cup-Finale Austria Salzburg, Austria Lustenau und Austria Klagenfurt aus dem Bewerb geworfen haben und nun wieder eine Austria als Gegner haben. Gegen drei hat es geklappt, vielleicht auch gegen die vierte. (lacht)

LAOLA1: Wie viel Spaß macht es Ihnen, ein Konzept gegen die beste heimische Mannschaft dieser Saison zu erstellen – und das für ein Spiel, in dem Sie nichts zu verlieren haben?

Baumgartner: Das ist schon eine geile Sache. Denn in der Meisterschaft hast du den Druck. Rutscht du einmal aus, bist du Zweiter. Wir sind ja noch Tabellenführer und haben das auch im Frühjahr ganz gut gemacht. Einzig nach dem Sieg bei Rapid haben wir drei Tage später verloren (0:1 in Vöcklamarkt, Anm.), wo die Spieler nicht so frisch und fokussiert waren, wie man das als Trainer gerne hätte. Ansonsten bin ich mit der Entwicklung sehr zufrieden, auch hinsichtlich des ganzen Vereins. Wir sind im Winter 2012 gekommen, da hatten wir neun Punkte auf dem Konto und mussten bis zur letzten Runde zittern. So gesehen passt der Weg und wir können auch stolz drauf sein. Dass wir jetzt im Cup-Finale stehen, das konnte natürlich keiner erahnen.

LAOLA1: Wie sieht Pasching bzw. sehen Sie die Austria?

Baumgartner: Sie hat ein klares Spielsystem, ist technisch sehr stark, spielt einen dynamischen Fußball. Peter (Stöger, Anm.) hat das sehr gut reingebracht. Sie spielt ein wenig unösterreichisch, ähnlich wie Red Bull Salzburg. Es gilt, die Stärken der Austria zu entschärfen und das fängt an der Basis an. Die Duelle 1-gegen-1 für sich zu entscheiden, eng am Mann zu stehen, die Räume eng zu machen und dann schnell zu kontern. Dazu kommt Mittelfeldpressing. Das ist nicht nur ein modernes Wort, man sollte es auch machen. Das geht aber nur, wenn du fit im Kopf bist. Wenn du vorausahnst, was als nächstes kommt. Sonst ist der Gegner am Ende einen Schritt voraus.

LAOLA1: Inwieweit ist Ihr Team fit im Kopf, nachdem der Aufstieg wohl verpasst wird?

Baumgartner: Der LASK spielt erst am Freitag und wir können nicht vorausschauen, was da passieren wird. Wir freuen uns jetzt einmal auf das Spiel. Für mein Trainerteam und mich gilt, die Mannschaft auf das alleine zu fokussieren und alles andere auszublenden. Sonst hast du keine Chance. Ich habe das einmal mit Marcel Hirscher erklärt: Der denkt auch nicht beim ersten Tor, wie es dann im Ziel ist. So ist es im Fußball. Du kannst nicht ein Cup-Finale spielen und dir denken, hoffentlich verliert der LASK morgen. Wir freuen uns auf das Spiel, wir haben keinen Druck, es wird eine supergeile Sache.

LAOLA1: Apropos: Red Bull kommt für 80-90 Prozent des Budgets auf. Wie viel Druck verspüren Sie?

Baumgartner: Wenn du Trainer einer Mannschaft bist, die von Red Bull gesponsert wird, dann hast du immer Druck. Auch wenn du bei den Juniors arbeitest. Wenn du reihenweise Spiele gewonnen hast, dann ist immer noch jemand gekommen, der sagt: Es wurde nicht so gespielt, wie man könnte. Druck ist da, das weiß ich, darauf habe ich mich auch eingelassen. Wenn ich meine Arbeit gut mache, dann werde ich aber auch als Trainer in den nächsten Jahren arbeiten.

LAOLA1: Wie sieht es mit Ihrer Zukunft aus?

Baumgartner: Es hat schon vor Wochen Gespräche gegeben. Aber es ist ja auch kaum etwas zu planen. Ähnlich wie vergangene Saison, weil man nicht weiß, in welcher Liga man ist. Das ist auch jetzt noch so.

LAOLA1: Wer zum ersten Mal in der Geschichte einen Drittligisten ins Cup-Finale geführt hat, der wird wohl auch Begehrlichkeiten wecken.

Baumgartner: Mein langfristiger Plan ist, dass ich Bundesliga-Trainer werden will. Da denke ich, da bin ich auf einem ganz guten Weg. Es gab auch das eine oder andere lose Gespräch, aber noch nichts Konkretes, so dass ich mich in eine Richtung hin entscheide. Ich weiß aber schon, was ich vorhabe und was nicht. In Pasching steckt viel Leidenschaft dahinter, wir haben viel aufgebaut. Da kann man sehr gut arbeiten, das ist nicht überall so. Und Geld spielt nicht Fußball, sondern Menschen. Und die stehen auch dahinter. Wir haben uns rundherum ein gutes Team ausgesucht und sind weiterhin am Weg uns ständig zu verbessern.

LAOLA1: Wie würden Sie sich als Trainer beschreiben?

Baumgartner: Ich will meiner Mannschaft auf alle Fälle einen modernen Spielstil zuführen und arbeite selbst mit einem Konzept und den modernsten Erkenntnissen. Das habe ich mir die letzten sieben, acht Jahre angeeignet, auch weil es im Red-Bull-Betätigungsfeld möglich ist. Das war ein sehr guter Lernprozess für mich. Am Feld will ich nach vorne spielen, offensiv ausgerichtet sein, nach vorne verteidigen und dann kommt es auch immer drauf an, gegen wen du spielst. Du kannst nur so gut spielen, wie es der Gegner zulässt. Ein altes Sprichwort, aber es zählt. Auf und abseits des Platzes fordere ich sehr viel Disziplin ein, und achte wie sich Spieler verhalten, wie sie sich ernähren. Das ist im Gesamtkonzept drin. Ebenso sich untypisch österreichisch zu verhalten und ganz darauf fokussiert zu sein, Spiele zu gewinnen. Egal ob gegen einen großen oder kleinen Gegner. Wir spielen ja jetzt auch nicht gegen Barcelona oder Real. Wir spielen gegen einen starken österreichischen Gegner, aber du hast hierzulande in einem Spiel gegen jeden eine Chance. Das ist die Art der Mentalität, die ich meiner Mannschaft auch mitgeben möchte.

LAOLA1: Warum ist der Fokus auf den Sieg untypisch österreichisch?

Baumgartner: Wir sind in Österreich sehr schnell zufrieden. Kaum hast du einmal einige Erfolge gehabt, sind schon die meisten satt. Ich versuche immer alles zu kriegen, was ich mitnehmen kann. Und wenn ich im Cup spiele, dann habe ich auch die Verpflichtung, alles zu geben. Ebenso, wie wenn ich in der Liga gegen einen kleineren Gegner spiele. Da muss man auch 100 Prozent geben. Wenn man mit Trainern aus dem Ausland darüber spricht, da bekommt man einfach eine andere Einstellung, eine andere Mentalität mit. In Österreich können wir da sicher noch etwas lernen, wobei es einige auch schon ganz gut machen. Als Spieler solltest du einfach versuchen, alles einzustreifen.

 

Das Gespräch führte Bernhard Kastler