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Derbi Madrileno - Feuerlöscher oder Brandverstärker?

Derbi Madrileno - Feuerlöscher oder Brandverstärker?

Dritte Runde in La Liga und Real Madrid steht bereits mächtig unter Druck.

Das neuformierte "Weiße Ballett" ist noch kein eingespieltes Ensemble, muss gegen Titel- und Lokalrivale Atletico (Samstag ab 19:40 Uhr LIVE bei LAOLA1.tv) aber gewinnen, ansonsten droht Ungemach.

Vor Saisonbeginn schien alles eitel Wonne zu sein beim amtierenden Champions-League-Sieger. Die neuen, teuren Stars, die nach Madrid transferiert wurden, ließen Vergleiche mit den "Galacticos" der Nuller-Jahre wieder aufleben, alle diskutierten darüber, wie man die Vielzahl an Weltklassespielern im Team unterbringen könnte. Luxusproblem war einer der meistverwendeten Termini.

Doch der Luxus, den sich Real gönnt, ist längst nicht das einzige Problem, dass bei den "Königlichen" für Unruhe sorgt. Vor dem ersten großen Spitzenspiel der neuen La-Liga-Saison tun sich mehrere Brandherde auf.

Die aktuelle Form

Schon vor dem Liga-Start trafen Real und Atletico in Supercopa-Hin- und Rückspiel zweimal aufeinander, keines davon konnten die Weißen für sich entscheiden. Zum Auftakt in der Primera Division setzte man sich zuhause gegen Aufsteiger Cordoba relativ mühevoll 2:0 durch, ehe im königlichen Duell bei Real Sociedad 75 Katastrophen-Minuten folgten.

Nach schneller 2:0-Führung brachen die Hauptstädter völlig auseinander und liefen chaotisch noch in eine 2:4-Niederlage (Iker Casillas: "Wir haben schrecklich gespielt."), die offenbarte, wie anfällig man defensiv zuweilen ist. Gegen Atletico muss Ancelotti zudem wohl seine Verteidigung umbauen, da Dani Carvajal verletzt vom spanischen Nationalteam zurückkehrte und vermutlich nicht auflaufen kann.

Wichtiger könnte aber die Abwesenheit eines Mannes sein, der mit Sicherheit nicht mehr für Real auflaufen wird: Xabi Alonso. Der Altmeister sorgte in den letzten Jahren für die defensive Stabilität im Mittelfeld. Neuzugang Toni Kroos weiß bislang zwar mit starken Leistungen zu überzeugen, interpretiert seine Rolle aber deutlich offensiver. Mit Sami Khedira fehlt ein Spieler, der Abhilfe schaffen könnte, noch rund acht Wochen verletzt. Asier Illarramendi, im Vorjahr für teures Geld als Alonso-Backup und -Nachfolger verpflichtet, fristet ein Dasein als Ergänzungsspieler.

Ancelotti muss sich etwas einfallen lassen, wie er die Balance wiederherstellt, nachdem man Xabi Alonso ziehen ließ. Womit wir bereits beim nächsten heiß diskutierten Punkt wären…

Die Transferpolitik

Vorwürfe wurden schnell laut, nicht nur wegen des Abgangs von Xabi Alonso, sondern auch wegen des Verkaufs von Angel di Maria. Der Argentinier spielte eine überragende letzte Saison und schloss bei der WM in Brasilien nahtlos an diese Leistung an. Die Verwunderung war daher groß, als man darauf verzichtete, den 26-Jährigen zu halten.

Di Maria wollte mehr verdienen, die Real-Bosse investierten aber lieber in neue Stars, die gerade in aller Munde waren. Dass man damit auch gegen Stimmen aus der Mannschaft handelte, zeigt, wie die Prioritäten in der obersten Etage verteilt sind. Ancelotti wollte Di Maria halten, die Führungsspieler Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo wurden bei Präsident Florentino Perez vorstellig und sprachen sich für einen Verbleib ihres Kollegen aus – vergeblich.

CR7 heizte die Diskussionen dann auch noch mächtig an. "Ich hätte es nicht so gemacht", kommentierte der Superstar die Transferpolitik seines Klubs. "Aber wenn der Präsident meint, es ist das Beste für das Team, neue Spieler zu kaufen und andere gehen zu lassen, dann müssen wir diese Entscheidung respektieren und unterstützen." Wenngleich der Portugiese später via Twitter zurückruderte und mitteilte, er sei missverstanden worden, "zu 100 % einig mit dem Präsidenten", wie Ronaldo schrieb, dürfte er dann doch nicht gewesen sein.

Wer so wenig auf Teamchemie und die Meinung seiner Top-Mitarbeiter hält, spielt mit dem Feuer. Sollte sich der Erfolg nicht einstellen, wird die Kritik am Verkauf von Leistungsträgern nicht leiser werden.

Cristiano Ronaldo

Apropos CR7. Dass der aktuell erneut angeschlagene Weltfußballer Madrid in naher Zukunft verlassen könnte, war eigentlich kein Thema. Bis die Tormaschine selbst es zu einem machte. "Ich habe es wirklich geliebt, bei Manchester United zu spielen", schwärmte Ronaldo unlängst in einem Interview mit der "Daily Mail" über seinen Ex-Klub.

"Ich liebe Manchester – das weiß jeder, ich habe es viele Male gesagt. Manchester hat einen Platz in meinem Herzen, ich habe viele gute Freunde dort, das Publikum ist fantastisch und ich wünsche mir, eines Tages zurückzukommen", bekräftigte er seine Verbundenheit mit den "Red Devils".

Worte, die vor dem Hintergrund der Unzufriedenheit mit einigen Vorgängen in Madrid auf einen bereits ins Auge gefassten Abschied deuten könnten, auch wenn der Portugiese sagt: "Ich bin glücklich in Madrid und habe noch vier Jahre vor mir. Aber irgendwann in der Zukunft, du weißt ja nie, denn dort haben sie mich unglaublich behandelt."

Die Spekulationen nährt er damit jedenfalls. Eine entscheidende Rolle soll auch Jorge Mendes spielen. Der Agent vertritt nicht nur Ronaldo, sondern u.a. auch Di Maria und Radamel Falcao. Wie einige Zeitungen berichten, soll Mendes mit der Behandlung des Argentiniers nicht glücklich gewesen sein und hätte Zweiteren viel lieber bei Real als bei ManUnited untergebracht.

Andere Gerüchte besagen, Perez hätte Falcao nur deshalb nicht geholt, weil er nach den kostspieligen Verpflichtungen von James Rodriguez und Toni Kroos Angst vor einer Strafe wegen Financial-Fairplay-Verstößen hatte. Dafür habe er aber bereits einen Deal ausgehandelt, Falcao im nächsten Sommer im Gegenzug für Ronaldo nach Spanien zu holen.

"AS" will sogar erfahren haben, dass sich Real auch schon mit einem Ronaldo-Abgang beschäftigt und als Ersatz Chelseas Eden Hazard auserkoren hat.

Die T-Frage

Zwischen den Pfosten trifft Vergangenheit auf Zukunft. "San Iker" Casillas ist Kapitän, fünfmaliger Welttorhüter, Fan-Liebling – schlicht eine Legende. Doch schon die letzte Liga-Saison verbrachte der Keeper auf der Bank, bei der WM patzte er gehörig und auch in den ersten Partien dieser Spielzeit leistete er sich einige Unsicherheiten. Seine beste Zeit scheint hinter Casillas zu liegen und mit Keylor Navas hat Real einen Konkurrenten verpflichtete, der über kurz oder lang die Nummer eins werden wird. Keine einfache Situation für alle Beteiligten.

 

Rund läuft es derzeit also nicht bei Real Madrid. Aber mit einem Sieg gegen Meister Atletico im Derbi Madrileno (Samstag ab 19:40 Uhr LIVE bei LAOLA1.tv) könnte das "Weiße Ballett" wieder für Ruhe sorgen.

Eine Niederlage hingegen würde zusätzlich Öl ins Feuer gießen.

 

Christoph Kristandl