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Wie ticken die Moneyball-Klubs?

Wie ticken die Moneyball-Klubs?

„Zahlen lügen nicht“ oder lieber „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“?

Der FC Midtjylland und der FC Brentford glauben an Ersteres und sorgten damit im letzten Halbjahr für internationale Schlagzeilen (KOMMENTAR). Doch das Prinzip wird mitunter auch skeptisch gesehen.

Unumstrittener Mastermind hinter dem neuartigen Konzept ist Matthew Benham. Früher Hedgefonds-Manager, versuchte er bald sein Glück mit Fußballwetten und das überaus erfolgreich.

Mittels mathematisch-statistischer Analysen deckte er Ineffizienz und Fehler bei den Buchmacherpreisen auf. In diese "Lücken" platzierte er seine Wetten und ist heute Multi-Millionär, seine Firma „Smartodds“ versorgt ihn mit den nötigen Statistiken.

Genau dieses Prinzip der mathematisch-statistischen Analyse - es basiert auf der Geschichte der Oakland Athletics, in deren Verfilmung "Moneyball" Brad Pitt den Teammanager des Baseballteams spielt - wendet er bei seinen Klubs FC Brentford und FC Midtjylland an. In dieser Konsequenz im Fußballgeschäft einzigartig. Und wiederum erfolgreich.

Auf dem Transfermarkt, wo der Computer und dessen Datenbank bestimmen, welche Spieler für Transfers in Frage kommen.

Auf dem Platz, wo sich der dänische Meister in der abgelaufenen Saison zum Standardkönig Europas mauserte.

Doch was ist dran an diesem Hype? Wie werden die Statistiken eingesetzt? Warum trennten sich beide Klubs trotz Erfolges von den Trainern? Inwiefern waren die Statistiken wirklich ausschlaggebend für den Erfolg?

LAOLA1 blickt aus drei verschiedenen Perspektiven auf das Benham-Modell.

Spielerberater Markus Klimesch ermöglichte seinem Schützling Konstantin Kerschbaumer den Transfer von der Admira zum englischen Zweitligist FC Brentford. Im Zuge des Deals sprach er mit Matthew Benham.

Jens Kragh Iversen ist Sport-Chefredakteur der dänischen Zeitung „Nordschleswiger“ und erklärt, warum der aufstrebende Klub in der Heimat alles andere als gut ankommt.

Martin Pusic, Stürmer und Torschützenkönig beim FC Midtjylland, nimmt den Hype als unmittelbar Betroffener wahr und erklärt den Statistik-Stellenwert aus Spieler-Sicht.

Markus Klimesch

Wer ist eigentlich Matthew Benham? Um dies näher zu erläutern, sprach LAOLA1 mit Markus Klimesch. Der Spielerberater sorgte in diesem Sommer für eine der größten Transferüberraschungen, indem er Schützling Konstantin Kerschbaumer von der Admira nach England transferierte, zu Benham-Klub Brentford.

Im Zuge des Deals bekam Klimesch die Gelegenheit mit dem Klubeigner zu sprechen: „Ich habe mit ihm zu Abend gegessen. Es war hochinteressant, ein bisschen philosophisch. Er hat mich mit seinem extrem umfangreichen Wissen sehr beeindruckt. Auch über einen kleineren Markt wie Österreich war er gut informiert.“

Research-Firma als Basis

Herzstück ist seine Sportwettenfirma „Smartodds“, mit welcher der Multi-Millionär sein Vermögen gemacht hat und die ihn mit Daten füttert. „Ein riesiges Research-Team, das alle statistischen Daten findet, die es nur gibt. Neben Statistiken, die bereits seit Jahren im Fußball Einzug halten, wie Laufbilanz oder Passquoten, logischerweise Tore und Assists, ist er wahrscheinlich noch einen Schritt weitergegangen und ermittelt Daten, die andere eben nicht für so wichtig erachten.“

Die umfassende Datenbank gilt als Basis aller Transferaktivitäten beider Benham-Klubs, Brentford und FC Midtjylland. Diese spuckt die jeweils geeigneten Spieler aus, wie zum Beispiel Konstantin Kerschbaumer.

Ex-Admiraner Konstantin Kerschbaumer kickt nun in England

„Ich glaube, aufgrund seiner Laufbereitschaft ist er prädestiniert als box-to-box-Player. Es ist sicherlich beeindruckend, welche Zonen er damit abdeckt. Das war ein wesentlicher Faktor. Sie haben auch eine eigene „danger zone“ entwickelt, wo sie der Meinung sind, aus dieser Zone heraus entstehen die meisten torgefährlichen Situationen und Tore. Da hatte Konstantin scheinbar sehr gute Werte.“

77 Prozent aller Premier-League-Tore fallen in dieser „danger zone“, die vom Fünfer bis zur Strafraumgrenze reicht. Spieler, die dort vermehrt auftauchen bzw. gefährliche Situationen herbeiführen, sammeln Pluspunkte. Klimesch: „Ich könnte mir vorstellen, dass das noch mehr in die Tiefe geht, also was macht er dort in der 'danger zone', spielt er dort auch entscheidende Pässe, hat er dort eine besonders hohe Passsicherheit?“

Namen und Liga sind egal

Der Vorteil dieser mathematisch-statistischen Analysen liegt auf der Hand. Die alle relevanten Fußballmärkte weltweit abdeckende Datenbank entdeckt Spieler, die beim „durchschnittlichen“ Clubmanager vermehrt unter dem Radar fliegen. Klimesch stimmt zu: „Sie haben das Prinzip, Spieler möglichst günstig einzukaufen und dann weiterzuentwickeln. Da hat Konstantin alles erfüllt und ist ein bisschen eine unentdeckte Perle.“

Um diese Spieler aus aller Herren Länder zu finden, hilft ein internationales Vereinsranking, das ligen- und länderübergreifend Mannschaften bewertet. „Da kann rauskommen, dass Kaiserslautern auf demselben Level ist wie Liverpool.“

Dabei treten manch überraschende Zusammenhänge in Erscheinung: „Viele Leute glauben, dass zwischen einer ersten und zweiten Liga ein großer Unterschied herrscht, z.B. Premier League und Championship. Benham sagt, da muss man unterscheiden. Platz eins bis sechs ist Weltklasse-Niveau. Zwischen dem Siebenten in der PL und dem Dritten in der Championship ist aus der rein statistischen Betrachtungsweise kaum mehr Unterschied.“

Damit spielt der Fakt, dass Kerschbaumer bei Fast-Absteiger Admira spielte, eine untergeordnete Rolle: „Ich glaube nicht, dass viele Teams beim vorletzten Klub in der österreichischen Bundesliga großartig scouten, aber Matthew hat da einen anderen Zugang. Ihn interessiert nicht, ob die jetzt Vorletzter oder Vierter in Österreich sind.“

Als abschreckendes Beispiel nannte Benham die Queens Park Rangers: „Die haben ca. 80 Millionen Euro Fernsehgeld bekommen, nur nach Namen eingekauft und sind sang- und klanglos abgestiegen. Viele Vereine lassen sich von unterschiedlichsten Faktoren blenden und schauen nicht auf die eigentlichen Fähigkeiten eines Spielers.“

Verständnis für Trainerentlassung

Aber auch in den eigenen Reihen müsse geschlossen hinter der neuartigen Sichtweise gestanden werden. Dies wurde im Februar der gesamten sportlichen Führung beim FC Brentford zum Verhängnis. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch im Aufstiegsrennen in die Premier League, gab der Aufsteiger die Trennung von Manager Mark Warburton, dessen Co David Weir sowie Sportdirektor Frank McParland zu Saisonende bekannt.

Der Finne Tim Sparv wurde in Fürth entdeckt

Bestes Beispiel sei Tim Sparv. Der defensive Mittelfeldspieler wechselte vor einem Jahr nach Dänemark. Im wahrsten Sinne des Wortes „gefunden“ wurde er beim deutschen Zweitligisten Greuther Fürth. „Auf ihn wären sie nie im Leben selbst aufmerksam geworden. Was sollen wir mit einem Finnen in Dänemark? Aber die Statistiken sagten: 'Oh, guckt euch den an, das ist der Typ, den ihr braucht.' In der Meistersaison ist er als wichtiger Spieler für die Balance ein Riesenerfolg gewesen.“

Standardkönige und Skepsis

Eine der wichtigsten Waffen des dänischen Meisters seien Standardsituationen gewesen. In der Saison davor nicht gerade dafür gefürchtet, entwickelte sich der FC Midtjylland 2014/2015 zum nach Standards torgefährlichsten Team in Europa - nur hinter Atletico Madrid war noch besser. „Ich glaube, sie machen das nicht so sehr anders wie andere Vereine, legen aber einen großen Fokus darauf. Sie hatten zum Beispiel ein paar Freistoß-Kombinationen, wo sie eine Drei-Mann-Mauer neben die eigentliche gestellt haben, um dem Torwart die Sicht zu verstellen. Da hat es ein paar Tore gegeben. Sie haben einfach auch die richtigen, großgewachsenen Spieler dafür.“

Ganz überzeugt scheint Iversen noch nicht vom vermeintlich revolutionären Konzept zu sein. Diese Meinung teilt er mit der dänischen Öffentlichkeit: „Ich würde sagen, es überwiegt noch immer die Skepsis.“

Trainer-Zwist und Ausblick in Zukunft

Dies könnte mit den Geschehnissen im Klub am Saisonende zusammenhängen. Völlig überraschend warf Erfolgstrainer Glen Riddersholm das Handtuch. War nicht einmal der Coach vom Konzept überzeugt?

„Er ist ja nicht entlassen worden, sondern zurückgetreten. Er sagte nur, er habe täglich Kompromisse eingehen müssen und das wollte er nicht mehr. Er wollte nicht mehr in dieselben Richtungen wie der Verein gehen. Es ist viel spekuliert worden, so richtig rausgekommen ist es noch nicht. Die Talente kommen auch nicht mehr so zum Zuge, wenn Benham neue Spieler finanziert.“

In jedem Fall hat der FC Midtjylland mit dem ersten Meistertitel seine erste große Duftmarke in Dänemark hinterlassen. Ob der Klub mit dem neuartigen Konzept auf Dauer auf der Erfolgsspur schwimmt, darüber zeigt sich Iversen geteilter Meinung: „Das kommt drauf an, wie man Erfolg definiert. Sie werden in den nächsten Jahren zur dänischen Spitze gehören. Sie stehen aber immer noch hinter dem FC Kopenhagen, auch finanziell. Ich glaube, der FC Kopenhagen wird in den nächsten fünf Jahren mehr Meistertitel holen als der FC Midtjylland.“

Martin Pusic

Nach den Einblicken von außen stellt sich die Frage, wie die Philosophie der Benham-Klubs in der Praxis funktioniert und von den eigenen Spielern wahrgenommen wird. Martin Pusic ist einer davon.

Klimesch zeigt Verständnis: „Zum einen: Wer das Geld hat, kann anschaffen. Zum anderen hatte Benham eine fixe Idee zur Umsetzung. Das wird schwierig, wenn es Leute im Klub gibt, die mit der Philosophie nichts anfangen können. Wenn man langfristig denkt, ist es eine Frage der Konsequenz, Leute an Bord zu holen, die das Konzept voll mittragen.“

Der Schritt stieß im Mutterland des Fußballs jedenfalls auf heftige Kritik, was möglicherweise an den dort etablierten Strukturen lag: „Benham arbeitet gegen diese britische Modell, wo der Trainer als Manager gleichzeitig Spieler holt. Matthew sagt: 'Unser Research wirft Spieler aus, die verpflichten wir. Der Trainer setzt dann alles auf dem Platz um.'“

Revolutioniert Benham-Modell den Fußball?

Wenig überraschend outet sich Klimesch als Fan dieser systematisch-mathematischen Herangehensweise: „Ich betreue Kerschbaumer bereits einige Jahre. Immer, wenn ich versucht habe, ihn international anzubieten, hat er damit gekämpft, dass er 'nur' in Österreich spielt. Man muss das so verstehen, dass viele Teams vielleicht gar nicht den Mut hätten, einen Spieler zu verpflichten, den niemand kennt.“

Der Transfercoup beeinflusse ebenso seine zukünftige Beratertätigkeit: „Ich fühle mich jetzt bestätigt. Viele Leute zeigten Anerkennung für diesen überraschenden Transfer. Ich versuche das in meine Arbeit zu integrieren und wenn ich mit anderen Klubs spreche, dieses Beispiel aufzuzeigen: 'Hey, schaut mal auf den einen oder anderen Spieler, der nicht prominent ums Eck kommt.'“

Nichtsdestoweniger relativiert Klimesch: „Ich glaube nicht, dass Benham komplett Neues erfunden hat, er geht in seinem Research nur noch mehr in die Tiefe und hat dadurch den einen oder anderen Wettbewerbsvorteil.“

Ob das Modell in Zukunft Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten: „Jetzt haben wir zwei erfolgreiche Projekte, einen Meistertitel in Dänemark und einen Fast-Aufstieg eines Aufsteigers. Wenn nächstes Jahr beide Teams ihre Ziele verfehlen, reden wir darüber, dass alles Mist ist. Das Geschäft ist kurzlebig. Ich glaube, man muss dem Projekt Zeit geben.“

Jens Kragh Iversen

Das Märchen vom krisengebeutelten Klub zum Meistertitel in Rekordzeit. Ein im Fußball möglicherweise revolutionärer Ansatz, der auf statistischen und mathematischen Ansätzen eines ehemaligen Zockers beruht. Als Krönung noch erfolgreich. Kein Wunder, dass der Klub im letzten Halbjahr aus den (positiven) Schlagzeilen nicht mehr rauskam. Aber wie wird der Siegeszug des FC Midtjylland eigentlich in der Heimat wahrgenommen?

Jens Kragh Iversen verfolgt den Klub in seiner Rolle als Sport-Chefredakteur der deutschsprachigen dänischen Zeitung „Nordschleswiger“ regelmäßig. Im Gespräch mit LAOLA1 lässt er mit einer in dieser Form wohl unerwarteten Aussage aufhorchen: „Der FC Midtjylland ist in Dänemark ein ziemlich unpopulärer Klub.“

Wie der Phoenix aus der Asche

Die Rolle des aufmuckenden Underdogs kommt nicht überall gleichermaßen gut an. Um diese zu verstehen muss in die Vergangenheit geblickt werden: „Der Verein wurde 1999 gegründet, er ging aus der Fusion zwischen Herning und Ikast FS hervor. Sie waren von Anfang an ein bisschen frech, großmäulig und unbescheiden. Man hat sich gleich hohe Ziele gesteckt, wollte innerhalb von fünf Jahren nach dem Aufstieg gleich Meister werden.“

Diese mehr als selbstbewusste Marschrichtung sorgte bei den alteingesessenen Kopenhagener Branchenführern für Unmut. Umso mehr, als Midtjylland auf dem Transfermarkt die Muskeln spielen ließ: „2008 verpflichtete der Klub Jonas Borring für 20 Millionen Kronen, rund drei Millionen Euro. Für einen Transfer innerhalb Dänemarks eine unerhörte Summe. Das machten sie einfach als Machtdemonstration, nach dem Motto: Hier kommen wir!“

Nach den Vize-Meistertiteln 2007 und 2008 folgte jedoch der finanzielle Niedergang. Im Sommer 2014 stand der Klub vor dem Ruin: „Geschichten machten die Runde, dass sie bei Auswärtsfahrten nicht mehr genug Geld hatten, um anständig zu essen. Da haben sie Kebabs geholt.“

Ankersen als Wegbereiter

In dieser tristen Lage trat Rasmus Ankersen auf den Plan. Der 30-Jährige musste seine aktive Fußballerkarriere aufgrund einer Knieverletzung frühzeitig beenden und verdiente sein Geld als Jugendcoach im Verein sowie erfolgreicher Buchautor („Gold Mine Effect“).

„Es herrschte Unruhe im Klub. Und zu diesem Zeitpunkt kam  Ankersen, der in Herning aufgewachsen ist. Er ist ein bisschen ein Neudenker, der andere Wege wählt als konservative Vereinsfunktionäre. Das ist seine wichtigste Rolle. Er hat für den Klub Türen geöffnet, auch zu Matthew Benham.“ Der Start einer fruchtbaren Zusammenarbeit.

Beide Geschäftsleute schwammen auf derselben Wellenlänge. Benham investierte rund acht Millionen Euro in den Klub und installierte Ankersen als Vorstandschef. Fortan arbeitete der Klub strikt auf Basis statistischer Auswertungen.

Ein Jahr später gewann der FC Midtjylland den ersten Meistertitel der Klubgeschichte.

Teil des Puzzles

Inwiefern die Statistiken den Erfolg herbeigeführt haben, darüber ist sich Iversen unsicher: „Natürlich spielt das eine große Rolle, aber ich glaube, das ist ein Teil des großen Puzzles.“

Die dänische Öffentlichkeit sei noch gespalten: „Am Anfang wurden sie ein bisschen belächelt, die schauen ja nur auf Statistiken. Jetzt gibt es natürlich auch Anerkennung.“

Pusic spielt seit Februar 2015 bei Midtjylland

Der 27-Jährige kürte sich mit dem FC Midtjylland nicht nur zum dänischen Meister, sondern mit 17 Treffern zum Torschützenkönig. Im Gespräch mit LAOLA1 gibt der Wiener einen Einblick ins Alltagsgeschäft des Vereins.

Stats-Zettel bei Verplichtung

Nach seiner überragenden Hinrunde inklusive neun Toren für Esbjerg wurde in der Wintertransferperiode 2014/15 der bereits damals überlegene Tabellenführer auf Pusic aufmerksam.

Der Stürmer erinnert sich: „Ich hatte vom Interesse gehört. Sie wollten mich unbedingt haben. Sie hatten ein paar A4-Zettel mit vielen Sterndln dabei, voller Statistiken. Diese zeigten auf, wie wichtig ich für Esbjerg war, wenn ich spielen oder nicht spielen würde.“

Dass Statistiken für seine Verpflichtung mitverantwortlich waren, stimme damit zwar, aber deren genaue Aussagekraft traut sich Pusic nicht zu beurteilen, weil „diese mich damals nicht interessierten. Ich wollte einfach zur richtigen Mannschaft, mit der ich Titel gewinnen und den nächsten Schritt machen kann.“

Der Plan ging auf, Pusic steuerte acht Treffer zur Meisterschaft bei.

Statistiken mehr für Trainer als Spieler

Aber inwiefern bestimmen nun die Statistiken den Spieleralltag? Pusic schränkt ein.

„Wir bekommen einzelne Statistiken, wie viele Pässe im Spiel angekommen sind, die Torschussverteilung usw., aber das sind 'normale' Statistiken. Wir Spieler können uns diese anschauen und sehen, was wir gut bzw. schlecht gemacht haben. Ansonsten bekommen wir Spieler nicht viel mit von den Statistiken, weil diese hauptsächlich für das Trainerteam und höhere Personen im Verein sind, die Spieler holen.“

Der Trainer ist es auch, der aufgrund der Stats beurteilt wird. Die Tabelle ist dabei nebensächlich, vielmehr spiegeln sogenannte „key performance indicators“ den Erfolg wider. Einer davon ist die Anzahl und Qualität an Torchancen in einem Spiel. Das Team mit dem besseren Chancenmix gilt als besseres – ergebnisunabhängig. Der Faktor Zufall soll somit aus dem Spiel genommen werden.

Instinkt statt Stats

Der Kader kommt mit den Analysen also nur bedingt in Berührung. Über Fachbegriffe wie „danger zones“ und Konsorten lächelt der Stürmer: „Ich habe davon gehört, aber dass im Zentrum von Strafraum prozentuell die meisten Tore fallen, weiß eh jeder und ist ja eigentlich logisch.“

„Ich fokussiere mich auf mein Spiel, du kannst dir während dem Spiel ja auch nicht schnell überlegen, ob ich jetzt von der Position ein Tor schieße oder nicht“, verlässt sich der Goalgetter auf seine Instinkte.

Alarmstufe Rot bei Standards

In der Meistersaison bestach der FC Midtjylland mit brandgefährlichen Standardsituationen.

Spielerberater Klimesch: „Benham erzählte mir, dass sie einen extrem hohen Stellenwert auf Standards legen. Dafür haben sie einen eigenen Trainer aus Italien engagiert, der intensiv mit den Jungs trainiert.“ Es handelt sich dabei um Gianni Vio, der sich in Italien vor allem mit seiner Arbeit bei Catania und der Fiorentina den Ruf des "Standard-Gurus" erworben hat.

Der 27-jährige Pusic bestätigt nur indirekt: „Vielleicht setzen wir ein wenig mehr Fokus darauf und haben ein paar Tricks. Aber im Grunde machen wir das wie bei anderen Vereinen, zweimal in der Woche zehn Minuten.“

Das Erfolgsgeheimnis liege vielmehr darauf, dass die Verantwortlichen „die richtigen torgefährlichen Leute holen“. Weiters verweist Pusic auf den psychologischen Aspekt: „Wenn man durch die Stats weiß, dass man durch Standards viele Tore schießen kann, glaubt man viel mehr daran, die anderen Teams nehmen das lockerer.“

Trainertrennung als part of the game

Doch trotz des Erfolges trat Meistercoach Riddersholm am Ende der Saison zurück.

Pusic bedauert: „Natürlich ist es schade, weil er mit der Mannschaft Erfolg hatte und mich damals holte. Aber ich muss mich auf das Sportliche konzentrieren und nicht auf die Probleme zwischen Trainer und Verein. Das ist eben so im Profigeschäft.“ Der Wiener verweist auf ein österreichisches Pendant: „Bei Red Bull Salzburg geschah dasselbe mit Adi Hütter, er hat Cup und Meisterschaft gewonnen und auf einmal war er weg.“

Erfolg lockt Scouts an

Mit dem früheren dänischen U21-Coach Jess Thorup ist der Nachfolger gefunden, der den Klub in die rosige Zukunft führen soll: „Midtjylland ist ein junger Verein, der normalerweise die Jungen ausbildet. In der Jugend sind sie neben Kopenhagen am stärksten. Aber jetzt haben sie auch begonnen, Spieler aus dem Ausland zu verpflichten und wollen in Europa mitspielen. Ich glaube, durch diese Statistiken wird hier viel professioneller gearbeitet als in vielen anderen Vereinen.“

Und das Benham-Modell bringt ebenso Vorteile für die einzelnen Spieler. Einerseits ein Extra-Schub Vertrauen bei der Verpflichtung: „Du weißt, dass sie durch ihre Statistiken von deiner Qualität absolut überzeugt sind.“ Zudem hat die öffentliche Aufmerksamkeit für den „Moneyball“-Klub einen angenehmen Nebeneffekt: „Überall im Fußball wird mit Statistiken gearbeitet, was Midtjylland praktiziert, ist eben spezieller, jeder spricht mich darauf an. Und wenn jeder über den Verein spricht, bist du auch als Spieler interessant.“

Egal, wie man zum mathematisch-analytischen Ansatz von Matthew Benham steht. Klar ist: Das Modell ist derzeit eines der spannendsten Projekte im Weltfußball, dem auch in Zukunft viel Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Die Zeit wird zeigen, ob zurecht oder nicht.

 

Andreas Gstaltmeyr