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Der Vorabend der Römischen Revolution

Der Vorabend der Römischen Revolution

Vergangenen Sommer wurde in Rom eine Revolution ausgerufen.

Thomas DiBenedetto war gekommen, um die Associazione Sportiva einem grundlegenden Wandel zu unterziehen. Alles neu, alles besser.

Der in Boston geborene Geschäftsmann hatte die Roma soeben mit Hilfe eines Konsortiums übernommen und sich auf den Präsidentenstuhl gesetzt. Als seine rechte Hand für sportliche Belange engagierte er Walter Sabatini, kurz darauf wurde Franco Baldini Geschäftsführer.

Nur ein Sturm im Wasserglas

Den Männern war klar: Ihre Revolution benötigt ein Gesicht. Sie fanden es in Luis Enrique Martinez Garcia. Mit 41 Jahren ein junger Mann mit gewinnendem Lächeln.

Einer, der vom italienischen Fußball noch „nicht verseucht“ war, wie es Baldini ausdrückte. Einer, der für die neue Trainer-Generation stand. Einer, der offensiven Fußball versprach. Einer, der sein Handwerk bei jenem Verein, dessen Fußball in den letzten Jahren die meiste Bewunderung hervorrief, gelernt hat – dem FC Barcelona.

Ein Jahr ist vergangen, Luis Enrique ist nicht mehr da. Er konnte die großen Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, nicht erfüllen. Gerade einmal 16 Siege, siebenter Platz, kein internationaler Fußball in der kommenden Saison. Das war keine Revolution, das war ein Sturm im Wasserglas.

Was die Roma braucht

Im Sommer hat die Römische Revolution ein neues Gesicht bekommen. Es ist verlebt, trägt tiefe Furchen. Es ist das Gesicht von Zdenek Zeman.

Dieser Mann hat kein gewinnendes Lächeln. Sein Ausdruck ist meist todernst. Ein Kettenraucher. Einer, der die besten Jahre hinter sich zu haben scheint.

Pablo Osvaldo scherzt mit dem neuen Coach

„Wenn man in einer Saison 90 Tore erzielt, sollte man sich keine Sorgen darüber machen, wieviele man kassiert. Fußball besteht aus Angriff und Verteidigung, aber es ist besser zu kreieren, als zu zerstören“, sagte Zeman bei seinem Amtsantritt.

Die Eliminierung des Querpasses

Das wollte auch Luis Enrique. Doch die Herangehensweise des Spaniers unterschied sich grundlegend von jener des neuen Trainers. „Das war die Barcelona-Schule, wo sie sehr auf Ballbesitz fokussiert sind. Ich bin das nicht, ich habe diese Geduld nicht“, nennt Zeman den großen Unterschied.

Er sieht Fußball anders: „Ich versuche, unnütze Dinge zu eliminieren. Ein Querpass ist zwecklos.“ Seine Roma wird spielen, wie alle Teams, die er bisher trainiert hat. Blitzschnell nach vorne, ohne Rücksicht auf Verluste.

Ein beinhartes Regime

Und doch könnte er genau derjenige sein, den die Roma braucht. Denn das, was vornehmlich von Luis Enrique erwartet wurde, verkörpert der 65-Jährige ebenfalls. Trotz der vielen Jahre, die er schon in Italien arbeitet, hat ihn der Fußball am Stiefel nie verseucht. Er steht für bedingungslose Offensive. Er hat sein Handwerk über Jahrzehnte hinweg in der Praxis perfektioniert.

Zeman (hier geht's zum ausführlichen Portrait!) kennt die Roma. Er hat vor 13 Jahren schon hier gearbeitet. In der Hauptstadt wird er von den Fans kultisch verehrt. Von jenen der Gelb-Roten und jenen von Erzrivale Lazio, wo er auch schon tätig war. Das ist einzigartig.

Der Fußball-Vergnügungspark

Der Kult, der im ganzen Land um den gebürtigen Tschechen herrscht, ist in dessen Außenseiterrolle begründet. „Tore schießen statt Tore verhindern“, ist sein Credo. Den Ort, an dem er tätig ist, nennen sie „Zemanlandia“. Ein Fußball-Vergnügungspark.

Was bleibt, ist die Ausrichtung auf dem Papier. Luis Enrique hat zumeist 4-3-3 gespielt, Zeman spielt seit 1983 4-3-3. Immer, egal, mit welchem Team.

Und er lässt seine Schützlinge richtig hart schuften. Auch die Roma-Spieler kamen in der Vorbereitung schon in den Genuss des Stiegenspringens, für das der eingebürgerte Italiener ein Faible hat. Sein Trainings-Regime in der Vorbereitung würde selbst Felix Magath ein anerkennendes Nicken abringen. Die Römer Profis können sich ihren geliebten Espresso bis zum Saisonstart abschminken. Zeman gibt auch den Speiseplan ganz genau vor.

Doch sie wissen, wofür sie diese Strapazen auf sich nehmen. Wenn sie topfit sind und Zemans Spiel umsetzen, werden die meisten von ihnen mehr Tore bejubeln, als je zuvor in ihrer Karriere. Sie werden als spektakulärstes Team der Serie A gefeiert werden.

Wir schreiben den Vorabend der Revolution in Rom. Es ist der zweite Versuch.


Harald Prantl