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Die Rückkehr der "Magpies"

Die Rückkehr der

„Es gibt keine Religion außer Sex und Musik.“

Als Gordon Matthew Sumner alias Sting 2003 diesen Satz von sich gab, hatte er wohl vergessen, wo er herkommt.

Denn in Newcastle, der Stadt im Nordosten Englands, mögen diese beiden Dinge zwar nicht weniger beliebt sein als sonst wo auf der Welt, aber mit dem Fußball gibt es zweifellos noch einen Dritten im Bunde.

Der Newcastle United Football Club nimmt im Leben der meisten Bewohner der Stadt am Tyne eine wesentliche Rolle ein. Regelmäßig pilgern über 50.000 Menschen in den 1892 eröffneten St. James‘ Park, um die „Magpies“ zu sehen.

Die Überraschung der Saison

„Die Fans sind bei jedem einzelnen Match unglaublich“, staunt auch Yohan Cabaye, der im Sommer aus Lille in die Premier League kam. Zum Vergleich: Sein ehemaliger Arbeitgeber durfte sich in der abgelaufenen Saison, in der immerhin das Double geholt wurde, gerade einmal über durchschnittlich 16.445 Zuseher freuen.

Die Zuneigung beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Auch die Anhängerschaft ist vom französischen Neuzugang begeistert. So wie die „Toon Army“ derzeit grundsätzlich gute Laune hat. Denn ihr Verein ist die größte Überraschung der bisherigen Saison.

Nach elf Runden liegt Newcastle auf dem dritten Tabellenplatz und hat sechs Punkte Rückstand auf Leader Manchester City, der ebenso wie der NUFC noch keine Niederlage einstecken musste.

Turbulente Jahre

Der aktuelle Erfolgslauf ist Balsam auf die geschundene Fan-Seele, die in der jüngeren Vergangenheit einigen Qualen ausgesetzt war. Während Newcastle anfangs des neuen Jahrtausends noch oben mitspielte, folgte der Absturz.

Die Mannschaft wurde den hohen Erwartungen nie gerecht und landete 2005/06 mit der siebenten Endplatzierung zum bisher letzten Mal in der oberen Hälfte der Tabelle. Die Talfahrt des vierfachen Meisters fand in der Saison 2008/09 ihren Tiefpunkt, als der Klub den Abstieg in die zweite Liga hinnehmen musste. Dort gelang unter Trainer Chris Hughton allerdings der sofortige Wiederaufstieg.

Doch der Ire war Anfang Dezember 2010 schon wieder Geschichte und wurde durch Alan Pardew ersetzt, der seither auf der Trainerbank das Zepter schwingt. Der 50-Jährige beendete die Aufstiegssaison schließlich auf dem zwölften Rang.

Kritik an der Transferpolitik

Im Sommer sah es dann gar nicht danach aus, als ob der Klub in der neuen Spielzeit über das Mittelmaß hinaus kommen könnte. Die Kritik an Klub-Eigentümer Mike Ashley wurde wieder lauter.

Demba Bas Verpflichtung hat sich gelohnt

Der umstrittene Multimillionär ließ mit Kevin Nolan, Joey Barton und Jose Enrique drei namhafte Akteure ziehen und verzichtete darauf, viel Geld in die Hand zu nehmen, um sie adäquat zu ersetzen. Von den 41 Millionen Euro, die im Winter für Andy Carroll, der nach Liverpool übersiedelte, eingenommen wurden, wurde kaum etwas reinvestiert.

Ba trifft und trifft und trifft…

Doch nun scheint es, als ob Ashley und Pardew alles richtig gemacht hätten. Neben Cabaye (5 Mio.) wurden mit Gabriel Obertan (3,4 Mio., Manchester U.) und Demba Ba (ablösefrei, West Ham) zwei weitere Kicker verpflichtet, die eine tragende Rolle im Gerüst der „Magpies“ spielen.

Ba hat mit seinen acht Toren, die für den fünften Platz in der Schützenliste reichen, richtig eingeschlagen und bildet mit Leon Best im 4-4-1-1-System ein brandgefährliches Sturm-Duo. Der großgewachsene Senegalese und der robuste Ire harmonieren wunderbar.

Trainer Alan Pardew hat derzeit Erfolg

Dieser Umstand ist nicht zuletzt Fabricio Coloccini zu verdanken. Der Argentinier spielt eine sensationelle Saison und lässt in der Innenverteidigung nichts anbrennen. „Er hat mich mit seiner Energie und seiner Produktivität beeindruckt. Ich denke, dass er für Newcastles Erfolg eine große Rolle spielt“, lobt Klub-Legende Alan Shearer den Abwehrspieler.

Der seit dem Abstieg mit dem Traditionsklub arbeitslose Trainer erwähnt in seiner Analyse für die „BBC“ noch einen weiteren Punkt, der sich seit seiner Zeit beim Verein geändert hat. Es wurde eine Menge Geld ins Scouting-System gesteckt. Graham Carr ist seit Anfang Juli 2009 Chefscout und macht einen guten Job. Zudem gilt Trainer Pardew als Statistik-Freak, der jedes Spiel nachträglich bis ins kleinste Detail zerlegt.

Ein "gefühlter Neuzugang"

Und dem Coach steht seit kurzem auch noch ein „gefühlter Neuzugang“ zur Verfügung. Hatem Ben Arfa, der bereits im Sommer 2010 an den Tyne gelotst wurde, ist endlich wieder voll fit.

Der Franzose konnte aufgrund eines Schienbeinbruchs und einer Knöchelverletzung bisher erst acht Ligaspiele bestreiten. Bei seinen jüngsten Einwechslungen hat der als schwieriger Charakter verschriene Franzose bereits angedeutet, dass er im Offensivspiel Newcastles eine wichtige Rolle spielen kann.

Dunkle Wolken am Horizont

Doch es wäre nicht Newcastle, würden bei all dem Sonnenschein nicht schon wieder dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Klub-Eigentümer Ashley verkündete in der Länderspielpause, dass der St. James‘ Park nunmehr „Sports Direct Arena“ heißt. Die Sportgeschäft-Kette wurde von Ashley gegründet.

Angesichts der langen Tradition der Newcastle-Heimstätte reagieren die Fans überaus allergisch auf die Kommerzialisierung des Stadionnamens. Dass die Wogen bis zum nächsten Heimspiel, am 3. Dezember, gegen Chelsea geglättet werden können, erscheint nur schwer machbar.

Sollten davor die beiden Teams aus Manchester auswärts geschlagen werden, würde aber voraussichtlich die gute Stimmung überwiegen. Denn es winkt die beste Platzierung seit vielen Jahren.

„Ich glaube nicht, dass sie am Ende Dritter werden, aber ein Platz unter den Top fünf oder sechs ist definitiv möglich“, findet Shearer.


Harald Prantl

Die Beiden sind die idealen Abnehmer der vielen hohen Bälle, die die „Magpies in den Strafraum schlagenr. Ba hat bisher schon vier Kopfballtore erzielt – doppelt so viele wie jeder andere Spieler der Premier League.

Kampf ist Trumpf

Ein weiterer Puzzlestein ist Bartons Abgang. Der überaus begabte Kicker sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Stunk und war Gift für die Harmonie in der Kabine. Seit dem Sommer ist nun eine Mannschaft zu sehen, deren Teamgeist eine ihrer herausstechenden Charaktereigenschaften ist.

Bei Newcastle wird gekämpft bis zum Umfallen. „Wir können ein hartes Team, das für gute Ergebnisse kämpft, sein, aber wenn es Zeit zum Fußballspielen ist, können wir das genauso gut, wie alle anderen“, sagt Ba.

Der Stürmer weiter: „Wir sind ein unberechenbares Team, aber das ist keine schlechte Sache. Wir sind in der Lage, verschiedene Spielstile zu spielen.“

Starke Defensive

Hinzu kommt, dass der NUFC in der Defensive exzellent steht. Lediglich acht Gegentreffer musste der niederländische Goalie Tim Krul (23) erst hinnehmen. Das ist der beste Wert in Englands höchster Spielklasse.