LAOLA1: Vereinslegende und Vizepräsident Toni Schumacher meinte, dass Sie die Gabe haben, immer den richtigen Ton zu treffen. Sie kommen auch immer sehr authentisch rüber. Muss man sich in Deutschland trotzdem manchmal ein bisschen mehr verstellen oder einfach so sein, wie man ist?

Stöger: Es bringt gar nichts, wenn man sich in irgendeiner Form verstellt. Man kann sich vielleicht einmal ein bisschen zurücknehmen, aber man muss immer so bleiben, wie man ist, sonst holt einen das irgendwann einmal ein. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass die Leute – die Fans und in erster Linie die Mannschaft – immer das Gefühl haben, er steht vor der Kamera und sagt dieselben Dinge, die er in der Kabine sagt. Wenn man sich so gibt, wie man ist, dann passt es mal, mal passt es gar nicht. Aber ich denke, es passt nie, wenn man sich verstellt. Deswegen ist es immer entscheidend, so zu sein, wie man ist. Das funktioniert in Köln ganz gut, weil ich halt doch eine gewisse sachliche Art habe, aber auch immer einen gewissen Spaß haben will. Das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen. Trotzdem versuche ich immer, die Dinge einigermaßen nüchtern zu betrachten, vor allem was die Ergebnisse und Leistungen betrifft. Das war in Köln, glaube ich, nicht so oft so. Ich denke, in diesem Auf und Ab war ich ein ausgleichender Pol. Aber das war nicht aufgesetzt, so bin ich eben in der Analyse. Das hat dem Verein und der Stadt möglicherweise ganz gut getan – jetzt einmal.

LAOLA1: Der Erfolg gibt einem quasi immer Recht?

Stöger: Auch in diesem Punkt geht es um Ergebnisse. Ich stehe ruhig an der Seitenlinie. Zu Beginn hat man gesagt: Da kommt zu wenig Emotion. Das was „zu wenig an Emotion“ kommt, ist die sachliche Arbeit, die dem Verein gut tut. Wenn wir nie etwas gewonnen hätten, hätte jeder gesagt: „Der lebt ja gar nicht mit, das kann ja gar nicht funktionieren!“ Da bin ich wieder beim Thema: Es geht um Ergebnisse. Es geht um Punkte. Es geht um Platzierungen. Am Ende des Tages ist es wichtig, sich nicht den Vorwurf machen zu müssen: Hätte ich mich nicht verstellt, wäre es vielleicht besser gewesen. Ich bin so, wie ich bin. Entweder es funktioniert oder es funktioniert nicht.

LAOLA1: Mit Kevin Wimmer gibt es einen zweiten Österreicher beim 1. FC Köln, der eine sehr gute Entwicklung hingelegt hat. Was zeichnet ihn aus und woran muss er noch arbeiten?

Stöger: Bei Kevin war es relativ einfach. Als ich im Sommer gekommen bin, war er nicht ganz fit. Er hatte ein verletzungstechnisches Problem und war nicht ganz austrainiert, hatte auf jeder Seite das eine oder andere Kilo zu viel. Ich habe ihm auch gesagt, dass er in diesem Bereich arbeiten und Fitnesswerte haben muss, die es überhaupt erst ermöglichen, dass er auf hohem Level Fußball spielen kann. Er kann sicher auch Außenverteidiger spielen, aber ich sehe ihn als klassischen Innenverteidiger, und da habe ich ihm auch gesagt, dass er seine Stärken forcieren, an seinem Timing im Kopfball-Spiel arbeiten und sein Aufbauspiel weiter perfektionieren muss, weil es für mich wichtig ist, von hinten herauszuspielen. Wenn man um die Meisterschaft spielt, ist man sehr viel im Ballbesitz. Wenn der Innenverteidiger den Ball hat, muss er einen gepflegten Pass spielen. Das kann er ja. Das hat er sich alles wirklich zu Herzen genommen. In jener Zeit, als er nicht zu Einsätzen kam, hat er an diesen Bereichen gearbeitet. Außerdem habe ich ihm gesagt, es ist nicht möglich, dass er vielleicht glaubt, einen Bonus zu haben, weil ein österreichischer Trainer kommt, sondern es wird ihm eher noch schwerer fallen, zu Einsätzen zu kommen, weil ich mir nicht nachsagen lassen will, dass er als einziger Österreicher im Kader einen Bonus hat. Das hat er gut aufgenommen, er hat viel an sich gearbeitet, aber er muss weiterarbeiten. Ich glaube, dass er ein Innenverteidiger ist, der die Schnelligkeit hat, sehr zweikampfstark ist und einen außergewöhnlichen linken Fuß hat, was das Aufbauspiel betrifft. Ich denke, er könnte ein sehr, sehr guter Innenverteidiger werden.

LAOLA1: Diese Sachlichkeit hat es in Köln nicht immer gegeben. Die FC-Fans denken sehr gerne mit dem Herzen. Wie kann man sich das tägliche Leben in Köln als Erfolgstrainer vorstellen?

Stöger: Es ist schon relativ viel. Erkannt wird man sowieso permanent. Es gibt unzählige Wünsche für Fotos. Aber die Leute nehmen einen nicht wirklich in Beschlag. Wenn man irgendwo ist, fragen sie natürlich schon, ob sie ein Foto machen dürfen, fragen dann aber nicht lange nach: „Was ist mit diesem und jenem Spieler?“ Sondern sie sind glücklich, dass sie ein Foto bekommen, und lassen dich dann erledigen, was du eben gerade machst, ob essen oder Cafe trinken. Viele gehen auch nur vorbei und sagen: „Super, Trainer, toller Job. Danke!“ Man bekommt schon sehr viel retour von den Menschen, weil ihnen der Verein sehr, sehr wichtig ist. Der große Unterschied zu Wien ist der, dass in Köln in der Stadt alle Leute mit dem FC-Virus infiziert sind. Alle leben diesen Klub. Also hast du entweder alle auf deiner Seite, oder es ist eben für alle unangenehm. In Wien kannst du sehr erfolgreich sein, aber du hast immer noch die Hälfte der Stadt gegen dich. Denn es gibt das grüne und das violette Lager. Das ist in Köln logischerweise ganz anders.

LAOLA1: Bringt diese Rückendeckung noch einmal Extrapunkte? Beziehungsweise stellt man sich manchmal vor, was in Köln im Falle des Aufstiegs los sein dürfte?

Stöger: Da reden wir über etwas, wo wir noch viel zu tun haben. Aber ich sehe, wie die Leute mit diesem Klub mitfiebern – von jung bis zum einigermaßen gesetzten Alter, es ist alles vertreten. Also kann man sich vorstellen, dass diese Stadt dann mit Sicherheit Kopf stehen würde. Klar, das wäre für mich persönlich ein riesiger Erfolg, aber eher um miterleben zu können, wie diese Stadt auszuckt, wenn es wirklich funktioniert. Alleine das ist es wert, dass man alles dafür unternimmt (schmunzelt).