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"Es ist unerklärlich, dass man da nicht drüberkommt"

Das ist ein sehr, sehr bitterer Moment für uns alle.“

Trainer Zoran Barisic war nach dem Scheitern im Europa-League-Playoff gegen HJK Helsinki geknickt, genauso wie seine Spieler und alle Beteiligten.

Der geplatzte Traum von der fünften Qualifikation für die Gruppenphase in sechs Jahren bedeutete nach dem 3:3 im Rückspiel (Hinspiel: 1:2) aus Sicht der Hütteldorfer den Super-Gau.

Fehlstart prolongiert, Chance zur Weiterentwicklung liegengelassen und obendrein auch noch eine finanzielle Aufbesserung verpasst.

Gegentor machte fulminanten Start zunichte

Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Nach 13 Minuten führten die Grün-Weißen dank eines fulminanten Starts und Louis Schaub mit 2:0.

Doch ein unglücklicher Anschlusstreffer nach einer Ecke machte die Aufholjagd früh zunichte. Trotz Dominanz folgten die Gegentreffer zwei und drei ebenfalls aus Standardsituationen.

Helsinki hat nichts für das Spiel getan. Durch zwei, drei blöde Aktionen, haben wir die Tore bekommen, da waren wir nicht konzentriert genug“, analysierte Thomas Schrammel.

Am aufgezogenen Spiel lag es nicht. Es wurde viel Aufwand betrieben, aber wieder einmal waren Kleinigkeiten entscheidend, die schlussendlich den Unterschied ausmachten.

Nicht abgebrüht genug“

Wir haben viele Dinge, die wir uns vorgenommen haben, umgesetzt. Allerdings waren wir in einigen Situationen nicht abgebrüht genug. Das ist das einzige, was ich meiner Mannschaft vorwerfen kann“, war Barisic verzweifelt.

Eckball, Freistoß, Elfmeter – Helsinki machte die Räume eng, stand dicht gestaffelt, verteidigte gut und kam ausnahmslos durch Standardsituationen zum Erfolg.

Effizienz, die auf Seiten Rapids einmal mehr ein Fremdwort blieb. Denn trotz Überlegenheit brachte man sich mit ungeschicktem Verhalten einmal mehr um die Früchte der Arbeit.

Im heutigen Fußball darfst du nicht eine Sekunde unkonzentriert sein. Da muss man cleverer sein, was Standards oder auch Zweikampfverhalten, ohne ein Foul zu begehen, betrifft. Es gibt Situationen, da muss man den Arsch zusammenkneifen und die Aktion besser lösen. Und nicht hingehen und sich denken: Da wird schon nichts passieren“, erklärte Sportdirektor Andreas Müller.

Heute geht es keinem der Burschen gut“

Der sportliche Leiter sprach von einer „verdammt schwierigen Situation“. Aus diesem Spiel müsse man lernen, um jenes Niveau zu erreichen, das für internationale Auftritte unverzichtbar sei.

Die Spieler sind maßlos geknickt und enttäuscht, das muss man auch verstehen. Die Mannschaft war nah dran, das Ziel zu erreichen.“

In den komenden Tagen werden die grün-weißen Scherben aufgekehrt, die aufgrund dieser verpassten Chance entstanden sind. Doch gerade in der Niederlage zeigt sich bekanntlich Größe.

Wir werden die Jungs wieder aufrichten. Heute geht es keinem von meinen Burschen gut. Aber es gehört in einem Sportlerleben dazu, schwere Niederlagen wegzustecken und wieder aufzustehen“, machte Barisic Mut.

Jetzt stehen wir so wie Salzburg da“

Gerade nach der verpassten Champions-League-Qualifikation von Liga-Konkurrent RB Salzburg und dem jetzigen Scheitern Rapids steht der österreichische Fußball nicht unbedingt gut da.

Es ist frustrierend! Wir haben uns viel vorgenommen, waren alle hochmotiviert. Das hat man gesehen, die Fans haben uns super unterstützt. Jetzt stehen wir so wie Salzburg gestern da“, wusste auch Schrammel, welch bittere Stunden Rot-Weiß-Rot nach den verpassten Zielen derzeit erlebt.

Einer, den die Art und Weise der verpassten Europa League besonders traf, war Mario Sonnleitner, der seine vierte Teilnahme an der Gruppenphase verpassste.

Wenn ich in die Reihen und die Gesichter schaue, ist das einfach auch nicht fair. Fußball ist nicht immer fair.“

In einer emotionalen Rede ließ der Abwehrchef, den Tränen nahe, LAOLA1 daran teilhaben, wie nahe der verpasste Traum den Spielern ging:

LAOLA1: Der Traum von der Europa-League-Gruppenphase ist auf bitterste Art und Weise geplatzt. Wie sieht derzeit die Gefühlswelt aus?

Mario Sonnleitner: Das kann man sich vorstellen. Mir tut es erstens einmal weh für die Jungs, die in beiden Spielen alles gegeben haben. Wenn ich in die Reihen und die Gesichter schaue, ist das einfach auch nicht fair. Fußball ist nicht immer fair. Das waren zwei so Spiele, die meiner Meinung nach nicht fair waren. Wir waren in beiden Spielen klar besser. Die haben sechs Torschüsse in zwei Spielen und schießen fünf Tore. Wir haben Dominanz am Feld und Chancen gehabt, sind durchgebrochen – rechts, links, zentral. Wir haben drei Tore geschossen. Für mich ist es unerklärlich, dass man da nicht drüberkommt. Es ist sicher einer der bittersten Momente für mich und die gesamte Mannschaft.

LAOLA1: Nach dem 2:0 nach 13 Minuten sah es so gut aus. Hat man sich durch den furiosen Start durch eine Unachtsamkeit selbst wieder zunichte gemacht?

Sonnleitner: Wir wollten vorne attackieren, das ist uns schnell aufgegangen. Wir hätten vielleicht noch 3:0 führen können. Dann ist das der erste Corner im Spiel. Ich meine, wir sind ja keine Maschinen. Da scherzelt einer aus fünf Metern den Ball ab, da ist die Reaktionszeit gleich Null. Und der Stürmer steht dort und macht ihn rein. Aber trotzdem, wir haben nicht aufgesteckt, haben weitergemacht, nach vorne angegriffen. Das hat man gemerkt. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass da irgendwer aufgibt. Trotz alledem muss ich jetzt da stehen und von einer gefühlten Niederlage und dem Nicht-Aufstieg sprechen. Das ist für mich unerklärlich – und ich habe schon sehr viel gesehen und miterlebt. Aber so ausscheiden? Das ist einfach nicht fair.

LAOLA1: Aufgegeben habt ihr nie, der Anfangs-Elan ging nach dem Anschlusstreffer aber verloren. Hat man aufgrund der Gefahr, ein weiteres Gegentor zu kassieren, abwartender agieren müssen?

Sonnleitner: Wir wissen, dass im Europacup jedes Auswärtstor mehr zählt. Natürlich haben wir nicht mehr ganz so Harakiri spielen können. Das war kein Einbruch, wir haben einfach ein bisschen kontrollierter gespielt. Es ist ja alles gut gewesen. Dann kriegen sie einen Freistoß - keine Ahnung, ob es einer war – und dann will sich der Schiri eh entschuldigen und hat alles für uns gepfiffen. Ganz komisch! Aber das ist jetzt nicht wichtig. Im Endeffekt trifft der den Freistoß rein. Dann rennen wir an und schießen aufs Tor, aber es ist einfach nicht möglich gewesen, dass wir dieses Spiel gewinnen. Es ist wie verhext gewesen, ich kann es mir auch nicht erklären. Es war schon in Helsinki sehr komisch und jetzt zu Hause auch.

LAOLA1: Du wirkst nicht ohne Grund angeschlagen, vor allem wie die Niederlage zustande kam. Wie lange wird man brauchen, um dieses Scheitern zu verdauen?

Sonnleitner: Natürlich, wir sind eine junge Mannschaft, die sehr entwicklungsfähig ist. Gerade solche Situationen, wie ein Europa-League-Einzug hätte der Mannschaft einen unglaublichen Schub gegeben. Wir haben auch in den Spielen in der Meisterschaft so viel Dominanz gezeigt und es fehlen nur Kleinigkeiten, um das übertragen und in Tore ummünzen zu können. Da sehe ich auch, wie sich jeder aufopfert, alles gibt, sich reinhaut und nach vorne spielt. Das ist natürlich ganz schwer zu verkraften. Das sind 20-, 21-, 22-jährige Burschen, die kennen das Gefühl nicht, wie es in einer Gruppenphase ist. Deswegen müssen wir das schnell wegkriegen und analysieren. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es ein gutes Spiel war. Es waren drei Standardsituationen, nichts anderes. Die haben uns nie ausgespielt, aus keiner anderen Situation aufs Tor geschossen, keine Flanke gehabt. So wenige Zweikämpfe habe ich normalerweise nie in einem Playoff. Wir müssen und werden trotzdem aufstehen. Ein Grün-Weißer gibt nicht auf! Aber es ist direkt nach dem Spiel schwierig, etwas Positives daraus zu ziehen.

LAOLA1: Wieviel Arbeit kommt auf Routiniers wie dich zu, die doch verunsicherte, junge Mannschaft wieder aufzurichten und gestärkt in die nächsten Aufgaben zu gehen?

Sonnleitner: Da kommt viel Arbeit auf uns zu. Wir müssen das so schnell es geht abhaken. Es gehört zu großen Spielern dazu, dass sie schnell wieder aufstehen. Aber wir haben trainiert und ein ganzes Jahr für diese Chance gekämpft. Wie soll ich da im Moment nicht niedergeschlagen sein? Wir haben diese große Chance leider nicht genützt und müssen versuchen, wenigstens in der Meisterschaft dranzubleiben. Die Meisterschaft ist jetzt unser Europacup, dort heißt es, sich wieder fürs nächste Jahr zu qualifizieren. Es gibt einen zweiten Champions-League-Platz, den wollen wir versuchen, anzugreifen. Jetzt heißt es: Vollste Konzentration auf die Meisterschaft! Auch wenn es direkt nach so einem Rückschlag schwierig ist.


Alexander Karper