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Im "Elftal" der Tränen

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Vor etwas mehr als einem Jahr noch im WM-Halbfinale, steht die niederländische "Elftal" seit Dienstag an einem Tiefpunkt ihrer Geschichte.

Zum ersten Mal seit über 30 Jahren wird eine Fußball-EM ohne die Niederlande stattfinden.

Zwar hätte am Ende selbst ein Sieg gegen Tschechien nicht gereicht, das 2:3 war aber bezeichnend für die Leistung des WM-Dritten in der Qualifikation für Frankreich 2016.

Spott und Hohn

"Alles vorbei nach Blamage gegen Tschechien" titelte der niederländische "Telegraaf". Für Spott und Hohn war indes vor allem die internationale Presse zuständig.

"Totaalvoetbal? Mehr ein Totalausfall", meinte die englische "Daily Mail".

Bei Nachbar Deutschland feierte das Spottlied "Ohne Holland fahrn wir zur WM" in leicht abgewandelter Version indes eine Renaissance.

Blind will weitermachen

In den Niederlanden wurden wenig überraschend personelle Konsequenzen gefordert.

Doch Trainer Danny Blind kündigte an, weitermachen zu wollen. Der 54-Jährige war erst Anfang Juli als Nachfolger des entlassenen Guus Hiddink vom Assistenztrainer zum Bondscoach aufgestiegen.

Blind nahm nach dem kontinentalen Debakel den Neustart für die WM 2018 in Russland ins Visier.

"Das ist eine Riesen-Enttäuschung. Das muss man runterschlucken und nach vorne schauen", forderte der ehemalige Teamverteidiger und gab zu: "Ich habe es nicht geschafft, die Mannschaft zur EM zu bringen. Aber ich werfe mir nichts vor."

Auch der Direktor des Fußballverbandes KNVB, Bert van Oostveen, lehnte einen Trainerwechsel sowie seinen eigenen Rücktritt ab.

"Wir müssen jetzt nicht weglaufen, sondern wir müssen jetzt neu aufbauen", betonte Van Oostveen, der bereits Hiddink als Trainer durchgesetzt hatte. Einig waren sich die Kommentatoren dahingehend, dass der Weg beim Neuaufbau ein langer sein werde.

Befreit aufspielende Tschechen

Island und Tschechien waren in der Gruppe bereits vor dem Spiel qualifiziert.

Die Tschechen trafen in Amsterdam in den ersten 36 Minuten dennoch zweimal, ehe die Niederländer nach Rot für Marek Suchy (43.) wieder Hoffnung schöpften.

Der nach dem 0:2 eingewechselte Robin van Persie traf in seinem 101. Länderspiel jedoch nach etwas mehr als einer Stunde per Kopf ins eigene Tor. Treffer von Klaas-Jan Huntelaar (70.) und Van Persie (83.) waren zu wenig.

Selbstkritischer Sneijder

"Wir mussten gewinnen, aber dann darf man nicht solche Fehler machen", monierte Kapitän Wesley Sneijder nach Schlusspfiff.

Kein Trost war es auch, dass die Niederländer die Reise nach Frankreich selbst im Fall eines Sieges nicht geschafft hätten.

Die Türkei holte durch einen Freistoßtreffer von Selcuk Inan in der 89. Minute zum 1:0 gegen Island als bester Gruppendritter sogar noch das direkte EM-Ticket.

Mit nur 13 Punkten aus 10 Spielen hätten sich die Niederlande die Qualifikation am Ende ohnedies nicht verdient gehabt. Erfolge gab es nur gegen die Nachzügler Lettland und Kasachstan. Gegen Island und Tschechien gingen beide Partien verloren, gegen die Türkei schaute nur ein Punkt heraus.

Die Farbe Oranje wird nun bei der ersten EURO mit 24 Teams fehlen: Die Niederlande waren 1988 Europameister und verpassten zuletzt vor 13 Jahren mit der WM-Endrunde 2002 ein großes internationales Turnier. Bei einer EM fehlte man zuletzt 1984.

Kollektiver Jubel in der Türkei

In der Türkei jubelte Teamchef Fatih Terim über die EM-Teilnahme, nachdem man sich 2012 nicht qualifiziert hatte.

"Als Nation haben wir diesen Sieg benötigt, um glücklich zu sein, selbst wenn es nur wenige Stunden sind", meinte der 62-Jährige, der dabei auf das Selbstmordattentate in Ankara anspielte.

Am Samstag waren bei einem Anschlag auf eine Friedensdemonstration mindestens 97 Menschen getötet und mehr als 500 weitere verletzt worden.

Ein Danke nach Kasachstan

Nach dem Ausschluss von Gökhan Töre nach einem rüden Foul in der 77. Minute bangte die Türkei um ihr EM-Ticket. Inan sorgte mit seinem 25-m-Traumschuss aber noch für Jubel in Konya sowie im ganzen Land.

Dabei war die Türkei nur mit einem Punkt aus drei Spielen in die Qualifikation gestartet. "Aber wir haben daran geglaubt, haben gekämpft und sind belohnt worden", meinte Kapitän Arda Turan.

Die türkischen Zeitungen feierten am Mittwoch aber nicht nur ihr eigenes Team überschwänglich, sondern bedankten sich auch artig bei Kasachstan.

Dank Kasachstans 1:0 gegen Lettland in Riga löste die Türkei die direkte EM-Fahrkarte. Für Kasachstan war es der erste Sieg im zehnten Gruppenspiel, schon bei einem Remis hätte Ungarn als bester Gruppendritter gejubelt.