Fußball ist auch Kopfsache.
Diese von Trainern auf der ganzen Welt gern benutzte Floskel trifft bei dieser EURO mehr denn je zu.
Nicht etwa, dass die Spieler beim Turnier in Polen und der Ukraine ihr Gehirnschmalz öfter einsetzen müssten, als es früher der Fall war, nein, die Fußballer benutzen ihre Köpfe öfter denn je, um ein Tor zu erzielen.
Normal jedes fünfte Tor per Kopf
Vergleicht man die Anzahl der Kopfballtore, die bis jetzt bei der EURO erzielt worden sind, mit früheren Europameisterschaften, so kommt man auf erstaunliche Werte.
Bei der EM 2004, als Griechenland Europameister wurde, erzielten die Akteure 16 der insgesamt 77 Tore mit dem Kopf. Das entspricht etwas mehr als 20 Prozent.
Schaut man sich die EM 2008 in Österreich und der Schweiz an, so fällt zunächst auf, dass genau gleich viele Treffer gefallen sind, wie vier Jahre zuvor. Und auch was die Kopfballtreffer angeht, ist kaum ein Unterschied vorhanden. 15 Mal nickten die Angreifer bei unserer Heim-EURO ein.
Über 30 Prozent Kopfballtore
Weitaus öfter drückten die Spieler bislang den Ball bei der diesjährigen EURO mit dem Kopf über Linie – prozentuell gesehen. Fast ein Drittel derTore, genauer gesagt 31 Prozent, waren Kopfballtreffer. – In absoluten Zahlen zwölf von 39.
Ein hoher Wert, der sich jedoch durch die taktische Ausrichtung der meisten EURO-Teilnehmer erklären lässt. Da fast alle Mannschaften mit einer Doppelsechs operieren, ist der Weg durch die Mitte bedeutend schwerer geworden.
Logische Konsequenz ist, dass vermehrt über die Flügel gespielt wird, was auch zu mehr Flanken und in letzter Folge zu mehr Kopfbällen und Kopfballtoren führt.
WM 2010 mit Tiefstwert
Noch deutlicher wird dieser Trend, wenn man sich die WM 2010 vor Augen führt. Bei dem Turnier in Südafrika war es „state of the art“ mit zwei defensiven Mittelfeldspielern zu agieren.
Heraus kam mit 17 Prozent die niedrigste Kopftor-Quote – die Angriffsreihen hatten sich dem zentralen Defensivverbund noch nicht ausreichend angepasst.
Das Flügelspiel ist also wichtiger denn je geworden. „Ab durch die Mitte“ können sich eigentlich nur noch extrem spielstarke Mannschaften wie die Spanier erlauben.
Prandelli macht Zentrale dicht
Italiens Trainer Cesare Prandelli setzte der „Furia Roja“ daher mit Daniele de Rossi konsequenterweise einen weiteren Innenverteidiger vor die Nase, und schon taten sich Xavi und Co. schwerer als gewohnt.
Aber da auch die beiden Außenverteidiger Alvaro Arbeola und Jordi Alba durch die defensiven Außenspieler der „Squadra Azzura“ in Schach gehalten wurden, kamen die Spanier, die sich sonst Chancen im Minutentakt erspielen, zu recht wenigen Hochkarätern.
Ein mutigeres Flügelspiel hätte den Iberern hier sicher geholfen, allerdings hatten sie von Beginn an auch kein „Kopfballungeheuer“ auf dem Platz, da Vincente del Bosque auf einen echten Stürmer verzichtete.
Bewerb | Tore Gesamt | Kopfballtore | Prozent |
---|---|---|---|
EURO 2004 | 77 | 16 | 21 |
EURO 2008 | 77 | 15 | 19 |
WM 2010 | 145 | 25 | 17 |
EURO 2012 | 39 | 12 | 31 |
Schweden ist Angstgegner
Allerdings ist eines klar: Irgendetwas wird sich ändern müssen, denn mit Schweden wartet im zweiten Gruppenspiel Englands Angstgegner. Und mit der Fußball-Magerkost die gegen die Franzosen geboten wurde, wird man es gegen Ibrahimovic und Co. schwer haben.
Nicht umsonst nennt die „Daily Mail“ die Partie einen „Natural Born Thriller“.
In allen sieben Pflichtspielen hatten die Skandinavier jedes Mal das bessere Ende für sich. Im November 2011 gelang den Engländern immerhin ein 1:0-Sieg in einem Freundschaftsspiel. Es war der erste Sieg gegen Schweden seit 43 Jahren.
Schwedens Anders Svensson schiebt das schlechte Abschneiden der Engländer gegen sein Heimatland auf deren Überheblichkeit.
„Ich denke, England hat gegenüber uns nicht denselben Respekt, den sie vor anderen Ländern wie Frankreich oder Brasilien haben“, so der Mittelfeldspieler.
Flügelspiel muss forciert werden
Freilich reicht ein großer Stürmer allein nicht, vielmehr müsste sich das Spiel der Engländer grundlegend ändern. Gegen die Franzosen wurde nämlich nach dem Tor durch Lescott konsequent auf das Flügelspiel verzichtet.
Oxlade-Chamberlain und Milner, die beide in den ersten 20 Minuten recht gefällig spielten, waren nach der Führung praktisch nur mehr mit Defensiv-Aufgaben beschäftigt.
„Bisher habe ich bei allen Klubs, bei denen ich als Trainer arbeitete, viel Wert auf ein funktionierendes Flügelspiel gelegt. Schweden steht in der Zentrale sehr kompakt, daher ist es nur logisch, dass wir versuchen müssen, über die Seiten zu kommen“, ist sich Hodgson der Situation natürlich bewusst.
Doppelspitze erwartet
Daher ist es am wahrscheinlichsten, dass mit einer Doppelspitze Carroll – Welbeck operiert wird, und Ashley Young für Oxlade-Chamberlain auf den linken Flügel rückt.
Und da es für die Schweden schon um Alles oder Nichts geht, werden die Außenspieler wohl auch etwas mehr Platz vorfinden, als dies gegen Frankreich der Fall war. England muss aber auch mehr riskieren als im ersten Gruppenspiel, denn ein Remis würde wohl ein Endspiel gegen den Co-Gastgeber Ukraine bedeuten. Eine Situation, die die „Three Lions“ tunlichst vermeiden wollen.
Vor allem ein statistischer Fakt könnte England dabei in die Karten spielen: Sechs der letzten sieben Tore, die Schweden kassiert hat, waren – richtig – Kopfballtore.
Fabian Santner
England traditionell kopfballstark
In der Gruppe D wurden am ersten Spieltag gleich drei der fünf Treffer mit dem Kopf erzielt.
Auch das erste und einzige Tor der Engländer bei diesem Turnier fiel durch einen Kopfball. Nach einem Standard von Steven Gerrard setzte sich Verteidiger Joleon Lescott durch und nickte ein.
Das war es dann aber auch schon mit den Offensiv-Bemühungen der „Three Lions“, und so wurden unter der Woche Stimmen in der englischen Öffentlichkeit lauter, die mangels Wayne Rooney den Einsatz von Stoßstürmer Andy Carroll forderten.
Und auch die Medien beteiligten sich naturgemäß rege an Spekulationen um die Startformation für das richtungsweisende Spiel gegen Schweden.
Öffentlichkeit will Carroll
Und was läge - gerade im Hinblick auf den Kopfball-Trend – näher, als mit einer Spitze zu operieren, die genau dort ihre Stärken hat?
Will man dem britischen Blätterwald Glauben schenken, ist nicht nur der Einsatz von Danny Welbeck von Manchester United ungewiss, auch die Flügelflitzer James Milner und Alex Oxlade-Chamberlain können anscheinend nicht sicher sein, von Beginn an zu spielen. Selbst vor Steven Gerrard und Scott Parker machte die „Yellow Press“ nicht halt.
Doch Coach Roy Hodgson schob den wilden Spekulationen einen Riegel vor. „Ich werde das Team nicht komplett umbauen, soviel ist klar. Wir haben keine Verletzten, und die Spieler, die gegen Frankreich gut waren, hoffen natürlich wieder auflaufen zu dürfen.“