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„Wer weiß, ob ich nach 6 Spielen noch Trainer bin“

„Wer weiß, ob ich nach 6 Spielen noch Trainer bin“

Platz vier in der Meisterschaft und der viel umjubelte Cupsieg.

Gewiss, die Saison 2010/11 geht für die SV Ried als die erfolgreichste in der Vereinsgeschichte ein - auch wenn die Oberösterreicher 2007 Vizemeister wurden und 2009 mehr Punkte einfuhren.

Zum Leidwesen der Innviertler ist diese Saison aber schon wieder Gras von gestern.

„Wir beginnen wieder bei Stunde null“, weiß auch Trainer Paul Gludovatz. Der 64-Jährige geht mit der Spielvereinigung in seine vierte Saison.

Die große Frage lautet: Können die Rieder trotz personellen Aderlasses die Saison aus dem Vorjahr wiederholen?

LAOLA1 nimmt für die Bundesliga-Vorschau die SV Ried unter die Lupe:

AUSGANGSLAGE

Gludovatz hat freilich Recht, wenn er es präferiert, als Abstiegskandidat gehandelt zu werden und danach zu überraschen, als umgekehrt. Aber nach der vergangenen Saison sind die Oberösterreicher eben alles andere als ein Abstiegskandidat. Ried verteidigt nicht nur den Cupsieg sondern auch den inoffiziellen Titel „Beste Heimmannschaft“. In der Fremde haben sich die Innviertler vergangene Saison sehr gesteigert und fuhren gleich sechs Auswärtssiege ein. Das zu wiederholen wird aufgrund des einen oder anderen namhaften Abgangs natürlich schwierig. Auf der anderen Seite haben die Rieder durch ihre Art mit Spielern zu arbeiten immer wieder Erfolg auf unterschiedlichen Stufen. Das gibt auch Gludovatz zu: „Wir arbeiten mit dem Vorhandenen und schöpfen alles aus, das gilt nicht nur für das Management sondern auch innerhalb des Teams.“


PERSONAL

Wenn ein Klub mit bescheidenen Mitteln agieren muss, ist es schwierig manchen Spieler zu halten oder zu locken. Thomas Schrammel (Gludovatz: „Ein Start-Ziel-Sieg von uns“) ging zurück zu Rapid, Martin Stocklasa konnte kein neuer Vertrag angeboten werden und Hannes Aigner entschied sich plötzlich doch für den LASK. „Ich habe mit ihm fix gerechnet. Er sagte mir, es würde ihm bei uns taugen, und plötzlich hörst du etwas ganz anderes, weil wir ihm nicht so viel zahlen wollten“, schildert Gludovatz. Mit Wolfgang Hesl (zurück zum HSV), Mark Prettenthaler (Vertragsauflösung nach Verurteilung aufgrund Körperverletzung), Ewald Brenner (Karriereende), Peter Hackmair (freiwillig auf Vertragsverlängerung verzichtet) kamen aus diversen Gründen weitere namhafte Abgänge dazu. Der Abschied von Samuel Radlinger (Hannover) fällt in der Gegenwart weniger ins Gewicht, jedoch war der U20-WM-Keeper als zukünftige Nummer eins gedacht. Philipp Huspek (BW Linz) wurde verliehen, Michael Sammer ging zu Vöcklamarkt zurück. Zumindest konnte Shooting-Star und Nationalspieler Daniel Royer gehalten werden. Sollte Austrias Zlatko Junuzovic aber noch die Kurve kratzen, würde Erstgenannter wohl wieder Thema werden – das befürchtet auch Gludovatz. Auf der anderen Seite kamen in erster Linie Spieler, die wohl Zeit brauchen: Das gilt vor allem für den spanischen Stürmer Casanaova (Alicante), wie auch für Köln-Leihe Bienvenue Basala-Mazana. Die Leihspieler Max Karner, Martin Grasegger und Stefan Kirnbauer kamen zurück, Markus Beer wurde als zweiter Goalie verpflichtet. Gludovatz wünscht sich noch einen Linksverteidiger, denn Emanuel Schreiner („Er muss körperlich aufholen“) ist auch noch nicht so weit. Das gilt bei den Neuen einzig und allein für Thomas Hinum, der sich laut Gludovatz „taktisch gut fortgebildet hätte.“


AUSBLICK

Die Innviertler starten mit einem Monsterprogramm in die neue Spielzeit: Meister Sturm (h), Austria (a), Rapid (a) und Salzburg (h) heißen die Gegner in den ersten vier Runden. Dazu kommen die zwei Quali-Partien gegen einen vermutlich starken Gegner in der dritten Runde der Europa League, da der Cupsieger ungesetzt ist. Angesichts dessen kann Gludovatz seinem Lieblings-Hobby nachgehen und Understatement auf höchster Stufe betreiben. „Ich habe Geduld. Ob der Verein nach den ersten sechs Spielen auch Geduld hat, weiß ich nicht. Dann wird abgerechnet, vielleicht bin ich dann nicht mehr da. Du kannst mit null Punkten und einem krassen Ausscheiden auch rechnen. Wir werden uns wehren, mehr kann ich nicht versprechen.“ Was den LAOLA1-Redakteur zum Lachen bringt, meint der Burgenländer ernst. Es ist aber dennoch auszugehen, dass dieses Rauswurf-Szenario vor allem im ruhigen Rieder Umfeld nicht zum Tragen kommen würde. Ried ist ein seit Jahren etabliertes Bundesliga-Mitglied und kann auch heuer wieder für eine Überraschung sorgen. Und wenn nicht, wird die Welt im Innviertel alles andere als untergehen.

FÜNF FRAGEN AN DEN TRAINER

LAOLA1: Die Sommerpause war einmal mehr sehr kurz: Konnte überhaupt realisiert werden, was Ried vergangene Saison geschafft hat?

Paul Gludovatz: Das ist doch schon wieder so lange vorbei, dass wir nur mehr nach vorne schauen können und wieder dort beginnen, wo wir vergangenen Herbst auch begonnen haben – nämlich bei Stunde null. Wir können uns vom Cupsieg jetzt nichts mehr kaufen, außer dass wir in der dritten Quali-Runde der Europa-League einen Kracher bekommen. Das ist das Schöne daran. Wir wollen im Europacup unsere Leistung bestätigen und uns gut verkaufen – unabhängig wer unser Gegner ist. Es könnte Palermo, Atletico Madrid, Mainz, wer auch immer sein. Darauf freuen wir uns.

LAOLA1: Kann Ried die vergangene Saison wiederholen?

Gludovatz: Wir beginnen dort, wo wir jedes Jahr seit ich hier bin begonnen haben. Wir konnten immer irgendeinen Erfolg erzielen, auch wenn es nur vielleicht der schnellere Fußball war und damit nichts Zählbares. Vergangenes Jahr war es etwas Zählbares. Das ist die ureigenste Aufgabe eines jeden Teams und dem gehe ich nach. Ansonsten geht es darum, die vier Großen anzugreifen. Jeder der sechs anderen Mannschaften hat die Aufgabe, sich zwischen Platz fünf und neun zu befinden und nicht abzusteigen. Das ist unser Stand und nichts anderes. Dann arbeiten wir etwa auf dieses vorhandene Ziel hin oder auf etwas Besseres. Wir haben vergangene Saison das Ziel gehabt, unter den besten drei Heim-Teams zu sein. Das haben wir toppen können. Wir wollten zwischen den Rängen fünf und neun spielen und haben das auch ein wenig nach oben korrigieren können. Wenn es heuer auch etwas besser läuft, dann soll es so sein.

LAOLA1: Samuel Radlinger sollte als Nummer eins aufgebaut werden, jetzt ist er weg. Wie sehen Sie seinen Abgang?

Gludovatz: Wir haben durch den Transfer eines Super-Spielers von uns – Kevin Stöger, einer der ballstärksten Kicker, den wir hier hatten – einen riesigen Verlust erlitten. Der Transfererlös war durch den Stand der Ausbildung absolut niedrig. Ich glaube, es waren 40.000 Euro. Die FIFA hat unmittelbar danach, im Oktober 2010, herausgegeben, dass ab sofort ein Vielfaches davon zu zahlen ist. Wenn ein Junger nun wechselt, ist also eine weitaus höhere Ausbildungsentschädigung fällig. Das hat der Verein mit Samuel Radlinger ausgenützt und damit ist das Ziel, ihn als Nummer eins bei uns aufzubauen, fehlgeschlagen. Das ist die Gewichtung zwischen Wirtschaftlichkeit und Sportlichkeit. Andernfalls hätten wir vielleicht auch zwei Routiniers behalten.

LAOLA1: Ried hat sich einen hohen Stellenwert in Österreich erarbeitet. Sehen Sie das und die Zusammenarbeit mit dem 1. FC Köln als Auszeichnung Ihrer Arbeit?

Gludovatz: Ich habe in meiner 25-jährigen Tätigkeit beim ÖFB immer auch darauf geachtet, dass die Außendarstellung positiv wird. Wie ich hier hergekommen bin, hatte ich eine ähnliche Vorstellung, nämlich durch viele Aktivitäten und Aktionen diese zu verbessern. Das ist uns gelungen. Wir bieten einen anderen Fußball und wenn dazu auch die nötigen Erfolge kommen, dann stehen wir da, wo wir uns hingearbeitet haben. Die Zusammenarbeit mit Köln rührt eher von den persönlichen Kontakten zu Volker Finke (Köln-Sportdirektor, Anm.) her. Ich hatte schon in seiner Freiburger Zeit sehr gute Kontakte zu ihm. Gerhard Schweitzer und Stefan Reiter waren dann einmal bei ihm und wenn Köln sein Trainingslager in Österreich aufschlägt, werden wir uns einen Abend zusammensetzen und den Kontakt vertiefen – auch um gedanklich näher zu kommen.

LAOLA1: Sie haben vergangene Saison ihren Vertrag erneut um ein Jahr verlängert. Könnte es Ihr letztes Jahr als Trainer der SV Ried sein?

Gludovatz: Ich habe mittelfristige Ziele, das sind die ersten vier Begegnungen in der Bundesliga und die zwei Qualifikationsspiele in der Europa League. Länger geht meine Denkweise momentan nicht.

 

Bernhard Kastler