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"In der Kabine musste ich mich zusammenreißen"

Letztlich endete eine Ära auf dem Parkplatz der Sturm-Geschäftsstelle in Messendorf.

Nicht unbedingt ein würdiger Rahmen für den letzten öffentlichen Auftritt nach 15 erfolgreichen Jahren bei den Grazern.

Franco Foda nahm es gelassen. So, wie er auch seinen Gemütszustand nach der überraschenden Beurlaubung zu vermitteln versuchte.

In der Tat machte der Deutsche einen aufgeräumten Eindruck. Nach dem Interview-Marathon pflegte er entspannten, phasenweise amüsanten Small Talk mit den anwesenden Medienvertretern – eine Seltenheit beim stets professionell auftretenden 45-Jährigen.

Wie es in ihm selbst ausschaute, ist eine andere Frage. Dass ihn dieser Abschied nicht kalt lässt, liegt auf der Hand. Er habe jeden Spieler „umarmt und gedrückt“, erzählt Foda, auch wenn das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern schon die längste Zeit nicht mehr als friktionsfrei galt.

Zwei Meistertitel als Spieler, je ein Meistertitel und Cupsieg als Trainer: Der frühere Abwehrchef war an den größten Erfolgen der Vereinsgeschichte maßgeblich beteiligt. Umso bitterer ein Abschied wie dieser, über den Foda natürlich genügend zu erzählen hatte:

FRANCO FODA…

…ÜBER SEINE VERABSCHIEDUNG VON DER MANNSCHAFT:

Es war sehr schwierig, ein sehr emotionaler Abschied. Ich habe ihr noch alles Gute gewünscht. Ich hoffe, dass sie viele Punkte holt und im nächsten Jahr international dabei sein wird. Ich habe auch dem neuen Trainer-Team alles Gute gewünscht. Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft am Samstag ein gutes Spiel liefern wird. In dieser Saison haben wir gegen Salzburg noch kein Spiel verloren. Ich weiß, dass die Mannschaft nach einem schlechten Spiel bisher immer reagiert und ein gutes Spiel gemacht hat. Deshalb ist mir auch nicht bange.

…DARÜBER, WIE ES DEM MENSCHEN FRANCO FODA NACH DER TRENNUNG GEHT:

In der Kabine, vor der Mannschaft, musste ich mich schon etwas zusammenreißen, das waren schon recht schwierige Momente. Obwohl ich Trainer bin und natürlich Entscheidungen treffen musste, mit denen nicht jeder zufrieden sein kann, habe ich sie alle gern und lieb gehabt. Ich habe versucht, der Mannschaft zu erklären, dass ich immer als Trainer entschieden habe. Das gehört zum Fußball dazu. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich irgendwo entlassen werde. Wenn es wieder sechs Jahre dauern sollte beim nächsten Verein, dann ist es nicht so schlecht. Das hieße, dass ich nicht so schlecht gearbeitet hätte.

…DARÜBER, OB ES SCHWER GEWESEN SEI, DIE MANNSCHAFT NACH DEM FESTSTEHENDEN ABSCHIED ZU SAISONENDE NOCH ZU ERREICHEN?

Wir haben vor der Niederlage gegen Hartberg die letzten vier Spiele nicht verloren, acht Punkte geholt, kein Gegentor bekommen, waren also eigentlich auf dem aufsteigenden Ast. Deshalb war dieses Spiel gegen Hartberg etwas unverständlich für mich. Ich glaube, es sind die einfachsten Aussagen, wenn ein Trainer weggeht, dass er die Mannschaft nicht mehr im Griff hatte und die Harmonie nicht mehr gestimmt hätte. Das sind doch alles nur Floskeln. Meiner Meinung nach ist es für einen Profi immer seine Aufgabe, alles abzurufen und 100 Prozent zu geben, egal welcher Trainer draußen steht. Wenn ich Trainer eines neuen Vereins werde und sehe, dass ein Spieler sich bei seinem derzeitigen Trainer hängen lässt, dann hat dieser Spieler auch bei mir keine Chance, weil er das irgendwann bei mir auch macht. Insofern hat jeder Spieler die Aufgabe, immer alles zu geben. Die Spieler waren die Protagonisten in den letzten Jahren, und sie haben tolle Leistungen geboten. Ich habe auch gesagt, dass ich in den sechs Jahren nie enttäuscht von der Mannschaft war, bis auf Hartberg. Das war das einzige Spiel und leider auch mein letztes. Der Mannschaft werde ich nie etwas vorwerfen, sie hat mich erst dorthin gebracht, wo ich jetzt bin. Da gibt es kein einziges negatives Wort, es sind tolle Jungs mit tollen Charakteren.

…DARÜBER, OB DIE CHEMIE MIT PRÄSIDENT CHRISTIAN JAUK NICHT GEPASST HABE:

Das kann ich nicht beurteilen, da müssen Sie Herrn Jauk fragen. Ich habe mich immer auf das Wesentliche konzentriert, das ist das Sportliche. Das hat in den letzten Jahren immer ganz gut funktioniert. In der Meisterschaft stehen wir noch ganz gut da, wir haben alle Möglichkeiten den dritten Platz zu erreichen. Natürlich war das Cup-Spiel nicht gut, das wissen wir alle. So ein Spiel darf man zu Hause nicht verlieren, wenn man die Möglichkeit hat, ins Halbfinale zu kommen. Aber da gibt es auch größere Mannschaften, denen so etwas passiert ist. Manchester United ist zuletzt gegen einen Drittligisten ausgeschieden. Das ist im Fußball immer möglich. Es ist natürlich sehr, sehr schade, ich hätte meinen Vertrag gerne erfüllt. Ich habe von meiner Seite Wort gehalten, den Rest kann ich nicht beeinflussen.

…ÜBER DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG, DASS ER SCHON IM MÄRZ BEI DER BEKANNTGABE DER TRENNUNG ZU SAISONENDE ELEGANT ABSERVIERT WURDE:

Es macht keinen Sinn, über diese Sachen nochmal zu diskutieren. Ich kann mit gutem Gewissen in den Spiegel schauen. Ich habe hier bei all meinen Verträgen probiert, das Optimum aus der Mannschaft herauszuholen. Wir waren sehr erfolgreich, sind Meister und Cupsieger geworden, haben zwei Mal die Gruppenphase der Europa League erreicht, haben immer wieder tolle junge Spieler wie Daniel Beichler, Jakob Jantscher, Sebastian Prödl, Christoph Leitgeb oder Jürgen Säumel, um nur einige zu nennen, herausgebracht. Wir haben gute Transfers getätigt, mussten immer wieder die besten Spieler abgeben. Trotzdem ist es uns immer wieder gelungen, eine gute Mannschaft auf die Beine zu stellen. Wir haben auch über Jahre einen tollen Fußball gespielt, in den letzten ein, zwei Jahren natürlich mehr ergebnisorientiert, weil uns oft die kreativen Spieler wie Leitgeb, Jantscher oder Beichler abhandengekommen sind. Aber: Wir waren sehr erfolgreich. Deshalb ist es sehr schade, wenn man nach so einer langen Zeit so einen Abgang hat. Aber das gehört dazu. Das wird mir wahrscheinlich noch öfters passieren.

…DARÜBER, DASS ES NACH DEM HARTBERG-SPIEL ZU LAUTSTARKEN AUSEINANDERSETZUNGEN MIT SPIELERN GEKOMMEN SEIN SOLL:

Das ist nicht ganz richtig. Es ist normal, dass man nach so einem Spiel nicht zur Tagesordnung übergehen kann. Ich habe den Spielern nur die Gründe gesagt, warum wir dieses Spiel verloren haben, und das natürlich so, wie ich eben bin: sehr emotional. Ich bin, wie ich bin, ich muss mich da nicht verstellen. Dass es Reibereien gab, ist aus der Luft gegriffen.

…ÜBER DEN ZEITLICHEN AUFLAUF DER TRENNUNG:

Ich habe im Laufe des Vormittags, ich glaube so gegen 9:30 Uhr, eine SMS von Paul Gludovatz bekommen, ob die Möglichkeit bestünde, um 13 Uhr auf die Geschäftsstelle zu kommen. Das habe ich natürlich getan. Gludovatz hat mich gefragt, ob es eine Möglichkeit gebe, dass wir die Situation einvernehmlich lösen, das wäre auch ein Vorschlag des Präsidenten. Ich habe jedoch nein gesagt, und dass ich meinen Vertrag bis 31. Mai erfüllen möchte, weil ich mich auch in schwierigen Situationen stelle. Ich bin kein Typ, der sich aus dem Staub macht. Dann kam Herr Houben dazu, und er hat mir in Verbindung mit Herrn Gludovatz mitgeteilt, dass ich dann ab dem heutigen Tag freigestellt werde. Das habe ich dann zur Kenntnis genommen und mich verabschiedet.

…DARÜBER, OB ER ENTTÄUSCHT ODER ERLEICHTERT SEI:

Weder, noch! Ich weiß, dass es im Fußball-Geschäft außergewöhnliche Situationen gibt und man muss in jeder Sekunde mit allem rechnen. Daher muss man auch mit dieser Situation umgehen können. Ich bin jemand, der im Erfolg immer sehr ruhig bleibt und auch im Misserfolg nicht zu pessimistisch ist. Deshalb war ich auch der Überzeugung, dass wir unsere Ziele noch erreichen hätten können, und deshalb wollte ich auch unbedingt bis zum 31. Mai weiterarbeiten. Der Verein war aber anderer Meinung, und das muss man dann wohl akzeptieren und respektieren.

…ÜBER SEINEN REIFEPROZESS ALS TRAINER:

Ich kann mich an meine erste Ära erinnern. Damals waren wir in finanziellen Schwierigkeiten, und ich habe versucht, junge Spieler einzusetzen. Damals waren das Salmutter, Rauter, Rabihou, Säumel, um nur einige zu nennen. Dann waren drei Jahre Abstiegskampf, und ich habe die Mannschaft wieder übernommen. Wir haben uns dann in den sechs Jahren immer für das internationale Geschäft qualifiziert. Natürlich entwickelt man sich auch als Trainer immer weiter. Ich habe nie den Fehler gemacht, zu glauben, dass ich alles weiß. Ich habe auch immer wieder hospitiert und in der Welt herumgeschaut.

…DARÜBER, OB ER EINEN WUNSCHNACHFOLGER HABE:

Nein, aber unabhängig davon: Jeder Trainer, der zu Sturm kommt, wird eine gute Mannschaft vorfinden. Es ist alles intakt, wir haben eine sehr gute Akademie, die einige der besten Nachwuchsspieler herausgebracht hat. Auch strukturell passt alles, weil Sturm seit Jahren gut aufgestellt ist, sonst hätte man diese Erfolge in den letzten Jahren nicht feiern können. Mir kommt es mittlerweile so vor, als ob alle glauben, dass hier bei Sturm alles schlecht gewesen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Wir haben vor vier Jahren mit Oliver Kreuzer einen sportlichen Verantwortlichen bekommen, wir hatten mit Frau Hambrusch eine wirtschaftliche Verantwortliche, wir hatten schon vieles auf Schiene. Natürlich gibt es immer wieder Verbesserungsmöglichkeiten. Jetzt haften halt die Geschäftsführer, und wenn sie dann frei entscheiden können, ist das auch ein Schritt in die richtige Richtung. Sturm ist top aufgestellt.

…ÜBER SEINE ZUKUNFT:

Ich bin natürlich ab heute für alle Seiten offen, wobei ich sicherlich vor dem 31. Mai, wenn mein Vertrag bei Sturm ausläuft, kein anderes Amt übernehmen werde. Da bin ich mir ziemlich sicher, obwohl man im Fußball niemals nie sagen soll, aber ich gehe zu 99 Prozent davon aus. Ich möchte jetzt erst einmal Abstand gewinnen. Dann werde ich mir Gedanken darüber machen.

Aufgezeichnet von Peter Altmann und Rainer Liebich

…DARÜBER, OB ES UNVERÄNDERT SEIN WUNSCH IST, IRGENDWANN ZU STURM ZURÜCKZUKOMMEN:

Daran hat sich nichts geändert: Ich bin auch der felsenfesten Überzeugung, dass ich irgendwann zurückkehren werde – wahrscheinlich nicht unter diesem Vorstand und Präsidenten. Da wird das nicht zustande kommen, sonst hätten sie sich jetzt ja nicht gegen mich entschieden.

…DARÜBER, DASS ER IN DEN LETZTEN WOCHEN LOCKERER AUFGERETEN IST:

Man muss ja als Trainer auch oft den Druck von der Mannschaft nehmen und sich daher mit Journalisten oder mit Medien anlegen. Das gehört dazu. Grundsätzlich bin ich jemand, der viel Spaß hat und auch viel Spaß macht. Aber wenn man als Trainer agiert, dann gibt es Situationen, wo man sich nicht immer öffnen kann.

…ÜBER SEIN VERHÄLTNIS ZU DEN MEDIEN:

Ich denke, ich habe immer Contenance bewahrt. Manchmal habe ich die Journalisten auch geärgert, aber das gehört dazu. Ich denke, ich war immer einer, der offen seine Meinung kundgetan hat. Wenn mir etwas nicht gepasst hat, habe ich das auch jedem mitgeteilt. Das ist meine Art: Nicht hinten rum, sondern immer geradlinig. Das war natürlich nicht immer angenehm. Aber wer austeilt, muss auch einstecken können, und das konnte ich immer. Deswegen denke ich, dass die Zusammenarbeit gut und professionell war.

…ÜBER SEINE EMOTIONALEN HÖHEPUNKT BEI STURM:

Die erste Meisterschaft als Spieler war etwas Außergewöhnliches. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich damals in Griechenland auf Urlaub war, als Herr Kartnig angerufen und zu mir gesagt hat, dass Sturm noch genau einen Spieler wie mich braucht, um Meister zu werden. Wir sind dann tatsächlich Meister geworden, noch dazu im neuen Stadion, haben eine überragende Saison gespielt. Als wir mit den Cabrios durch die Herrengasse gefahren sind, war das schon beeindruckend. So etwas habe ich auch in Deutschland noch nicht erlebt. Und der erste Meistertitel als Trainer war natürlich auch unglaublich, damit hat ja niemand gerechnet. Die Erwartungshaltung wurde dadurch eine andere, auch die Spiele wurden anders, weil wir auf einmal immer der Favorit waren. Daran musste sich die Mannschaft erst gewöhnen. Aber ich kann beruhigt in den Spiegel schauen. Ich habe immer versucht, das Optimum aus der Mannschaft herauszuholen und das ist mit den Mitteln, die mir zur Verfügung standen, gut gelungen. Jetzt gehen wir getrennte Wege und ich werde hoffentlich irgendwann woanders tätig sein. Auch bei Sturm geht das Leben weiter, in zwei Monaten wird hier in Graz auch niemand mehr über Franco Foda reden.